Berlin. In letzter Zeit hat der Ruf des Gesundheitsministers massiv gelitten. Verantwortlich dafür sind seine Widersprüche beim Corona-Kurs.

Karl Lauterbach war mal der Wunschminister der Deutschen. Die Mehrheit der Bundesbürger traute ihm zu, das Land solide, geradlinig und wissenschaftlich abgesichert durch die Corona-Pandemie zu führen. In den letzten Tagen aber hat der Ruf des Epidemiologen massiv gelitten.

Die Stichworte für den Vertrauensverlust: die Widersprüche beim Ende der Maskenpflicht, die doppelte Kehrtwende bei der Isolationspflicht für Infizierte und das Scheitern der allgemeinen Impfpflicht. Jetzt hat der 59-Jährige selbst einen Fehler eingeräumt.

Trägt konsequent Maske: Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).
Trägt konsequent Maske: Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). © AFP | Tobias Schwarz

Mitte vergangener Woche überraschte Lauterbach mit der Ankündigung, die Quarantäne für Infizierte nicht nur auf fünf Tage zu verkürzen, sondern gleich auch noch aus der Isolationspflicht eine bloße Empfehlung zu machen. Am Montag folgten die Gesundheitsminister der Länder seinem Vorschlag.

Doch die Vorstellung, dass vom 1. Mai an hochinfektiöse Menschen ohne Maske durch Supermärkte laufen oder weiter zur Arbeit gehen, versetzte nicht nur Risikopatienten in Angst und Schrecken. In der SPD-Fraktionssitzung am Dienstag stieß der Minister auf massives Unverständnis. War der Mahner ins Lager der Lockerer gewechselt?

Karl Lauterbach: „Ich habe einen Fehler gemacht“

Am Dienstagabend stoppte sich Lauterbach selbst – und kündigte die Kehrtwende an. Zuerst in der ZDF-Talkshow „Markus Lanz“, dann via Twitter. „Hier habe ich einen Fehler gemacht“, schrieb der Gesundheitsminister. Das angekündigte Ende der Isolationspflicht für Infizierte „wäre falsch und wird nicht kommen“. Corona sei keine Erkältung.

Die Grünen reagierten erleichtert: „Mit Blick auf die Quarantäne- und Isolationsregeln braucht es eine klare Kommunikation und wirklich Eindeutigkeit, Klarheit“, sagte Grünen-Politikerin Irene Mihalic. „Die war sozusagen in den letzten Äußerungen von Herrn Lauterbach nicht da.“ Die FDP-Fraktion dagegen beharrt auf einem baldigen Ende der Isolationspflicht: „Wir sind in einer neuen Phase der Pandemie und müssen auch bei der Frage der häuslichen Isolation auf Eigenverantwortung und gesunden Menschenverstand vertrauen“, sagte FDP-Fraktionschef Christian Dürr unserer Redaktion. Andere Länder seien Deutschland in dieser Frage längst voraus.

Mit seiner Kehrtwende entkommt Lauterbach im letzten Moment einem weiteren Widerspruch. Wie sollte er gleichzeitig Covid-19 zu einer Infektionskrankheit ohne Isolationsbedarf herabstufen und im selben Atemzug für eine staatliche Impfpflicht werben? Es scheint, als habe Lauterbach das politische Gespür komplett verloren.

Impfpflicht? Gesundheitsminister bleibt zuverlässig

An diesem Donnerstag will der Bundestag über die Impfpflicht abstimmen. Lauterbachs Idee einer allgemeinen Impfpflicht für alle Erwachsenen ist seit Langem mangels Mehrheit vom Tisch. Doch der Vorschlag, der in letzter Minute von den bislang konkurrierenden Abgeordneten-Gruppen aus SPD, Grünen und FDP ausgehandelt wurde, muss erst noch beweisen, dass er mehrheitsfähig ist: Ab Oktober soll es eine Impfpflicht für alle über 60-Jährigen geben, dazu eine Beratungspflicht für alle Jüngeren über 18 Jahre. Je nach Erfolg soll aber der Bundestag sowohl die Impfpflicht für die Älteren wieder aussetzen können als auch eine Impfpflicht für die Jüngeren rechtzeitig zum Herbst aktivieren können.

„Ich gehe davon aus, dass wir die Impfpflicht morgen beschließen werden“, gab sich Lauterbach am Mittwoch zuversichtlich. Grünen-Chefin Ricarda Lang wandte sich ausdrücklich an die Abgeordneten der Union mit dem Appell, sich dem Vorschlag anzuschließen. „Friedrich Merz muss sich entscheiden, was ihm wichtiger ist: parteipolitische Spielchen oder vorausschauende und verantwortungsvolle Gesundheitspolitik“, sagte Lang unserer Redaktion. Es gehe darum, „gut durch den nächsten Herbst und Winter zu kommen“.

Dieser Artikel ist zuerst auf morgenpost.de erschienen.