Madrid. Spanien ist besonders betroffen von der Corona-Krise. Es fehlt an vielem. Aber in der Bevölkerung gibt es Solidarität wie nie zuvor.

„Wir werden ohne Waffen in den Krieg geschickt“, klagt ein Arzt im spanischen TV. Es mangele an allem: an Mund-Nase-Masken, virusresistenten Kitteln, Schutzbrillen. Für die mit der Lungenkrankheit Covid-19 eingelieferten Patienten gebe es in den überfüllten Hospitälern nicht genügend Beatmungsgeräte. Mit der Folge, dass zunehmend die Prinzipien der Katastrophenmedizin gelten: „Wenn du mehrere Notfallpatienten, aber nur eine Beatmungsmaschine hast, bekommt der Kranke mit der besseren Prognose den Vorrang.“

Und die Lage spitzt sich in Spanien weiter zu: Am Donnerstag wurden schon insgesamt 56.200 Infektionsfälle gemeldet – rund 8600 mehr als am Vortag. Zentrum der Epidemie ist weiterhin die Hauptstadt Madrid, in der rund ein Drittel aller Erkrankungen registriert werden. Die Zahl der Toten stieg auf 4100 – ein Anstieg um 660 Todesfälle in 24 Stunden. Damit meldet Spanien, wie zuvor bereits Italien, mehr Tote als in den letzten Wochen in China registriert wurden.

Coronavirus in Spanien: Hausfrauen nähen Schutzkleidung und Masken

Wobei die Statistiken der einzelnen Länder nicht durchweg vergleichbar sind – alles hängt von der Zählweise, der Menge der durchgeführten Tests und auch von der Informationspolitik ab. Im Falle Spaniens vermuten Experten wie der Mikrobiologe Gabriel Reina, dass die wahre Infektionszahl wenigstens vier bis fünf Mal höher ist, als dies offiziell angegeben wird. Lesen Sie auch: In Madrid infizieren sich immer mehr Ärzte mit dem Coronavirus.

Medizinisches Personal applaudiert den Bürgern, die sie von den Balkonen aus in der schweren Zeit der Corona-Pandemie aufmuntern.
Medizinisches Personal applaudiert den Bürgern, die sie von den Balkonen aus in der schweren Zeit der Corona-Pandemie aufmuntern. © dpa | Jordi Boixareu

Immer mehr Infizierte und Tote. Immer größerer Mangel an medizinischer Schutzkleidung und Ausrüstung. Ein Ende dieser verhängnisvollen Spirale ist in Spanien noch nicht abzusehen. Doch die Not weckt auch eine historische Solidarität im ganzen Land, dessen Gesundheitsbehörden ziemlich unvorbereitet in diese Katastrophe rutschten. Tausende Hausfrauen setzten sich an ihre Nähmaschinen und begannen, Schutzkleidung und Masken für Ärzte und für das Pflegepersonal zu schneidern. Hintergrund: Coronavirus-Pandemie in Spanien ist wie „Dritter Weltkrieg“.

Schnapsbrennerein machen Desinfektionsmittel, Seat produziert Beatmungsgeräte

Auch die Konsumgüter-Industrie, deren Bänder seit Ausrufung des Ausnahmezustandes überwiegend still stehen, zieht mit: Spanische Modekonzerne wie Zara boten der Regierung an, im großen Stil Anti-Virus-Kittel für die Ärzte zu produzieren. Schnapsbrennereien fabrizieren nun Desinfektionsgel. Und der Automobilriese Seat hilft bei der Entwicklung und Produktion von Beatmungsmaschinen. „Wir stellen auf Kriegswirtschaft um“, verkündete Industrieministerin Reyes Maroto.

Am Donnerstag lobte König Felipe „die titanischen Anstrengungen“, mit denen ganz Spanien gegen die Corona-Epidemie kämpft. Mit Atemmaske und blauen Gummihandschuhen geschützt besuchte Felipe das riesige Hilfskrankenhaus, das Soldaten auf dem Madrider Messegelände errichteten. Und er machte den Menschen Mut: „Wir sind in der Lage, auch die größten Schwierigkeiten zu überwinden.“ Das Feldhospital, das demnächst auf 5500 Betten ausgebaut werden soll, sei ein „Ort der Hoffnung“.

Felipe VI. (r), König von Spanien, besucht das provisorische Krankenhaus auf der Messe in Madrid. Spanien ist eins der Länder, das weltweit am stärksten vom Coronavirus betroffen ist.
Felipe VI. (r), König von Spanien, besucht das provisorische Krankenhaus auf der Messe in Madrid. Spanien ist eins der Länder, das weltweit am stärksten vom Coronavirus betroffen ist. © dpa

Die spanische Bevölkerung hält zusammen und feuert sich an

Im Madrider Hilfskrankenhaus, das von den Spaniern den Beinamen „Arche Noah“ bekam, wird jeder geheilte Patient vom Pflegepersonal mit Bravorufen verabschiedet. Eine schöne Geste, die sich auch in andernorts in Spanien wiederholt. Genauso wie die Zeremonie an Balkonen und Fenstern, an denen in Madrid jeden Abend um 20 Uhr Millionen Menschen erscheinen und minutenlang ihren „Helden“, den Ärzten und Krankenschwestern, Beifall spenden.

Oft stimmen die Spanier anschließend das Lied „Resisteré“ (Ich werde widerstehen) an, das zur Hymne des spanischen Anti-Virus-Kampfes wurde. „Ich werde widerstehen, um weiter zu leben“, heißt es in dem Song. Und: „Ich werde die Rückschläge ertragen und niemals aufgeben.“