Berlin. Weiterhin fallen jeden Tag mehrere Dutzend Menschen dem Virus zum Opfer. Viele von ihnen haben einen monatelangen Kampf hinter sich.

Die täglichen Lageberichte des Robert Koch-Instituts gehörten zur Pflichtlektüre für alle, die wissen wollen, wie sich die Pandemie entwickelt. Der Blick auf die Inzidenz? Seit Tagen einstellig. Der Blick auf die Intensivpatienten? Mit rund 600 Fällen schon lange nicht mehr dramatisch.

Der Blick auf die Zahl der Corona-Toten dagegen ist nach wie vor bitter: Noch immer fallen jeden Tag Dutzende Menschen dem Virus zum Opfer. Wer sind die Corona-Patienten, die im zweiten Sommer der Pandemie sterben? Was weiß man über sie?

Mehr als 90.000 Menschen sind in Deutschland bislang an oder mit Covid-19 gestorben. Es waren häufiger Männer als Frauen – und die meisten von ihnen waren entweder sehr alt, bereits sehr krank oder beides.

Pandemiewellen spiegeln sich in Entwicklung der Sterbezahlen wider

Das Durchschnittsalter der Verstorbenen schwankt seit Beginn der Pandemie zwischen 78 und 85 Jahren. Zuletzt lag es über mehrere Wochen bei 80 Jahren und sank in der vergangenen Woche erstmals auf 77,5 Jahre. Dazu muss man jedoch wissen: Es kann immer noch zu Nachmeldungen von Todesfällen kommen, die die Werte verändern.

Was man auf den ersten Blick sieht, ist: Die drei großen Pandemiewellen spiegeln sich auch in der Entwicklung der wöchentlichen Sterbezahlen. Während die Zahl der Toten in der ersten Welle im Frühjahr 2020 im Wochenschnitt unter 2000 Fällen blieb, führte die zweite Welle im Spätherbst zu einer dramatischen Steigerung: Mit über 5000 Toten pro Woche ging das erste Pandemiejahr zu Ende.

Im neuen Jahr dann gingen die Zahlen wieder zurück, um erneut im Zuge der dritten Welle ab Ende März wieder anzusteigen. In den darauffolgenden Wochen zeigte sich ein Plateau mit rund 1300 Todesfällen pro Woche. Seit Anfang Mai gehen die Zahlen wieder runter und lagen zuletzt deutlich unter 500 pro Woche. Am Mittwoch meldete das RKI insgesamt 51 Todesfälle, am Dienstag waren 57 verzeichnet worden.

Viele Verstorbene wurden monatelang wegen Covid behandelt

Die jüngsten Details zu Alter und Geschlecht stammen aus der ersten Juniwoche. Die meisten Verstorbenen waren in jener Woche zwischen 80 und 89 Jahre alt (128 Fälle), gefolgt von der Gruppe der der 70- bis 79-Jährigen (113) und den 60- bis 69-Jährigen (86). Bei den 50- bis 59-Jährigen starben 39 Menschen, bei den über 90-Jährigen waren es 34, bei den 40- bis 49-Jährigen waren es 14 und bei den unter 40-jährigen weniger als vier.

Heißt: Noch immer sind es vor allem ältere Menschen, die an Covid-19 sterben, doch auch bei den über 50-Jährigen kommt es zu zahlreichen Todesfällen. Lesen Sie auch: Corona im Pflegeheim – Wie sicher sind die Bewohner wirklich?

Auf den Covid-Stationen liegen heute vor allem Langzeitpatienten.
Auf den Covid-Stationen liegen heute vor allem Langzeitpatienten. © dpa | JEFFERSON BERNARDES

Wichtig für die Deutung dieser Zahlen ist der zeitliche Verzug zwischen Infektion und Sterbezeitpunkt. Das RKI geht von einer durchschnittlichen Zeit von zwei bis drei Wochen nach der Infektion aus. Es gibt aber auch viele Fälle, in denen die Ärzte deutlich länger, manchmal sogar mehrere Monate lang auf den Intensivstationen um das Leben der Covid-Patienten kämpfen. Mancher, dessen Tod in diesen Tagen gemeldet wird, hat sich noch vor Ostern angesteckt.

Die meisten Covid-Patienten auf Intensivstationen sind Langzeitpatienten

„Die allermeisten der rund 600 Covid-Patienten auf den Intensivstationen sind Langzeitpatienten“, sagt Divi-Präsident Gernot Marx. In Einzelfällen komme es auch noch zu Neuaufnahmen, doch viele sind bereits seit Monaten in intensivmedizinischer Behandlung. „Das sind größtenteils Patienten, die sich in der dritten Welle im Frühjahr angesteckt haben.“

Die Intensivmediziner wissen heute, dass zehn Prozent der Covid-Intensivpatienten länger als zwei Monate in den Kliniken bleiben. Beatmete Covid-Patienten bleiben im Schnitt 14 Tage auf der Intensivstation, zehn Prozent benötigen mehr als 35 Tage Beatmungstherapie. Doch bei vielen hilft auch am Ende die künstliche Lunge, die so genannte Ecmo-Therapie nicht mehr: „Wir müssen davon ausgehen, dass jeder zweite beatmete Patient verstirbt“, so Marx.

Delta: RKI fürchtet steigende Zahl von Klinikeinweisungen

Aber: Nicht alle aktuell gemeldeten Corona-Toten sind auf den Intensivstationen gestorben. „Wir sehen zum Beispiel kaum noch Hochbetagte in den Kliniken, die meisten Covid-Intensivpatienten sind zwischen 50 und 70 Jahre alt“, sagt Marx.

Gleichzeitig aber zeigen die Statistiken des RKI, dass es nach wie vor auch Hochbetagte unter den Toten gebe. „Wir müssen also davon ausgehen, dass etliche Menschen nach wie vor jenseits der Kliniken sterben. Das können zum Beispiel Patienten sein, die eine Intensivbehandlung ablehnen.“ Auch interessant: Long Covid – Diese Corona-Spätfolgen erleben Genesene

Wie wird sich die Delta-Variante auf die Sterblichkeit auswirken?

Pflegeexperten etwa berichten davon, dass hochbetagte Menschen mit schweren Vorerkrankungen bei einer Corona-Infektion oft nicht mehr aus dem Pflegeheim in eine Klinik verlegt werden wollen. Zudem gibt es trotz der Impfpriorisierung immer noch Risikopatienten ohne Immunschutz, bei denen eine Klinikeinweisung zu spät kommen kann.

Noch unklar ist, wie die hochansteckende Delta-Variante auf die Corona-Sterblichkeit auswirkt. Klar ist nur: Delta verbreitet sich rasant, mittlerweile dürften nach Schätzungen des RKI mehr als die Hälfte der Neuinfektionen auf die Mutante zurückzuführen sein, in der dritten Juniwoche waren es bereits mehr als 35 Prozent.

Das RKI beobachtet bereits, dass Delta auch in Deutschland zu einer höheren Rate von Krankenhausbehandlungen zu führen scheint.