Berlin. Corona beschert Thomas Gottschalk oder Verona Pooth einen zweiten Karrierefrühling: In Podcasts erzählen sie Anekdoten zur Pandemie.

Lockdown hin, Kontaktbeschränkungen her, Giulia Becker ist gerade ziemlich zufrieden. Die 29-Jährige bezeichnet sich als introvertiert und ist deshalb eh nicht allzu gern unter Menschen. Auf Small Talk habe sie keine Lust. Endlich wolle niemand mehr mit ihr „ein Bierchen trinken“ gehen, endlich kann sie sich den ganzen Tag durch Youtube-Videos klicken.

Die Wahl-Kölnerin, bekannt geworden als Ensemblemitglied in Jan BöhmermannsNeo Magazin Royale“, ist eine Profiteurin der Pandemie. Während sich die Deutschen zu Hause verschanzen, podcastet sie von ihrem Dachboden zu einem Thema, mit dem sie sich auskennt und das nun alle betrifft: darüber, wie es ist, von morgens bis abends in der Wohnung zu bleiben. „Drinnies“ heißt ihr Format, das Becker zusammen mit Chris Sommer moderiert.

Nur wenige Wochen nach Veröffentlichung der ersten Folge Anfang Dezember haben sich die „Drinnies“ mit ihren Anekdoten aus der Komfortzone eine begeisterte Fangemeinde erarbeitet – und verdeutlichen, wie der Podcast-Boom seit Beginn der Corona-Krise ungeahnte Dimensionen erlebt.

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Corona-Pandemie beschleunigt Podcast-Boom

Jeder dritte Deutsche konsumierte 2020 solche Audio- oder Videobeiträge, hat der Digitalverband Bitkom herausgefunden. 2019 war es nur jeder vierte. „Podcasts haben sich in der Breite durchgesetzt“, stellt Bitkom-Experte Sebastian Klöß fest. „

Der Produktionsaufwand hält sich in Grenzen und inzwischen sind auf allen gängigen Plattformen die unterschiedlichsten Inhalte verfügbar – ob News, True Crime oder Talk-Formate.“ Mittlerweile gibt es sogar Podcasts über Podcasts – um den Hörern die Orientierung zu erleichtern.

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Die meistdiskutierten Episoden schaffen es, das Lebensgefühl der Quarantäne zu transportieren. Da berichtet Moderator Thomas Gottschalk (70) in seinem „Podschalk“, warum er Maskenmuffel nicht zurechtweisen würde: „Das ist mir zu spießig.“

Und regelmäßige Hörer von „Die Agenda“ wissen, dass Altbundeskanzler Gerhard Schröder (76) mit dem Tragen eines Mundschutzes so gar kein Problem hat – in Südkorea, der Heimat seiner fünften Frau, habe jeder einen im Gesicht. Unternehmerin Verona Pooth (52) wiederum erzählt in ihrem „Poothcast“, dass sie sich ein Fitnessstudio eingerichtet hat. So lässt es sich daheim aushalten.

Das inhaltliche Spektrum zeigt, dass Corona die Hörgewohnheiten verändert hat. Zwar sind die beliebtesten Podcasts immer noch Comedy-Formate: Auf Spotify, dem mit weltweit 320 Millionen Nutzern beliebtesten Streamingdienst, werden „Gemischtes Hack“ mit den Comedians Felix Lobrecht (32) und Tommi Schmitt (31) sowie „Fest & Flauschig“ mit Jan Böhmermann (39) und Olli Schulz (47) am häufigsten aufgerufen. Doch die große Mehrheit der Hörer – 83 Prozent, hat die Bitkom-Studie ergeben – interessiert sich vor allem für ein Thema: Corona.

Drosten-Podcast erreicht 80 Millionen Menschen

Kein Wunder, dass der deutsche Podcast-König Christian Drosten (48) heißt. Die NDR-Reihe mit dem Leiter der Virologie an der Berliner Charité bestimmt seit Monaten die Debatte über den Umgang mit der Pandemie mit, mehr als 80 Millionen Mal wurden die Episoden bislang abgerufen.
Giulia Becker und ihr Partner bemühen sich derweil um einen leichteren Zugang. In der aktuellen Folge beschäftigen sie sich mit ihren Horoskopen. 2021 werde vieles anders. „Also mal sehen, ob es diesen Podcast nächste Woche noch gibt“, sinniert Sommer. „Ich hoffe doch“, antwortet Becker. „Ich wüsste nicht, was ich sonst machen soll.“