Lissabon. Portugal konnte die Corona-Pandemie im Frühjahr durch einen sehr strengen Lockdown eindämmen. Doch nun steigen die Fallzahlen wieder.

  • In der portugiesischen Hauptstadt Lissabon breitet sich die Delta-Variante des Coronavirus immer weiter aus
  • Um nicht erneut zum Corona-Hotspot zu werden, ergreift die Regierung von Portugal nun drastische Maßnahmen
  • Lissabon wurde abgeriegelt

Seit April hatte Portugal eine der niedrigsten Infektionszahlen Europas. Nun provoziert die sich im Land ausbreitende Delta-Variante des Coronavirus einen neuen Rückfall. Vor allem im Großraum der Hauptstadt Lissabon steigt die Infektionskurve steil an. Innerhalb von 24 Stunden wurden in ganz Portugal mehr als 1200 neue Fälle gemeldet, das sind so viele wie seit vier Monaten nicht mehr – die meisten wurden im Raum Lissabon registriert.

Die europäischen Gesundheitsbehörden sind besorgt: Denn auch die vergangene Corona-Welle auf dem Kontinent kündigte sich Anfang des Jahres zuerst in Portugal an. Damals war es die britische Variante, die jetzt Alpha heisst, die von Großbritannien aus nach Portugal schwappte und dort die Fallzahlen explodieren ließ. Nun könnte sich dieses Szenario mit der Delta-Variante wiederholen, die vermutlich ebenfalls über Großbritannien nach Portugal gelangte.

Delta-Variante: Brachten britische Touristen die Mutante nach Portugal?

In Großbritannien ist Delta bereits seit Wochen der vorherrschende Virustyp. Und es gilt als wahrscheinlich, dass diese Mutante mit britischen Reisenden in das beliebte iberische Urlaubsland kam. Die meisten ausländischen Touristen Portugals kommen traditionell aus dem Vereinigten Königreich.

Lissabons Behörden melden bereits eine hohe Sieben-Tage-Inzidenz von 140 neuen Ansteckungen pro 100.000 Bewohner. Um eine weitere Ausbreitung der hochansteckenden Delta-Variante zu bremsen, riegelte Portugals Regierung die Hauptstadtregion nun wieder ab – zunächst nur übers Wochenende. Doch dies könnte erst der Anfang neuer Restriktionen der Bewegungsfreiheit sein. „Niemand kann garantieren, dass wir nicht zum Lockdown zurück müssen“, warnt Regierungschef António Costa.

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Polizeikontrollen werden verstärkt – um Corona wieder einzudämmen

Zunächst gilt die Sperrung nur bis kommenden Montag. Vor allem um zu verhindern, dass die Hauptstädter am Wochenende aufs Land fahren. Doch angesichts der sich schnell verschlechternden Lage muss damit gerechnet werden, dass die Abriegelung nicht nur dieses Wochenende, sondern auch die kommenden Wochenenden gelten wird. Auch eine zeitliche Ausdehnung auf alle Wochentage ist nicht ausgeschlossen.

Seit diesem Freitag kontrollieren Polizisten alle Ausfallstraßen Lissabons. Auch auf dem internationalen Flughafen wurden die Kontrollen verstärkt. Die Ein- und Ausreise in das Sperrgebiet ist für Portugiesen nur mit triftigem Grund erlaubt, etwa um zur Arbeitsstätte zu gelangen.

Ausländische Touristen sind von der Sperrung Lissabons nicht betroffen

Ausländische Touristen sind von der Sperrung nicht betroffen, schreibt das deutsche Außenministerium in seinen Reisehinweisen. „Die Fahrt international einreisender oder ausreisender Touristen zum Hotel beziehungsweise zum Flughafen in Lissabon bleibt erlaubt.“

Im Ballungsraum Lissabon leben 2,8 Millionen der insgesamt 10,3 Millionen Portugiesen. Zum Sperrgebiet gehören auch die beliebten umliegenden Städte Cascais, Setúbal und Sintra.

Innerhalb der Sperrzone können sich die Menschen frei bewegen. Die Restaurants und Bars bleiben derzeit noch bis 22.30 Uhr geöffnet. Aber die eigentlich zur Fußball-EM geplanten Public-Viewing-Veranstaltungen in Lissabon wurden abgesagt.

Portugals Epidemiologen fürchten eine neue Corona-Welle

Portugiesische Epidemiologen wie Manuel Carmo Gomes von der Uni Lissabon warnen bereits, dass dies erst der Anfang einer neuen Corona-Welle sei. Gomes geht davon aus, dass sich die Ausbreitung der Delta-Variante nur mit härteren Einschränkungen aufhalten lasse. „Ich hoffe, ich irre mich. Aber ich bin skeptisch, dass sich die Situation nur mit Sperrungen am Wochenende kontrollieren lässt“, sagte er der Zeitung „Diário de Notícias“.

Nach Schätzung der portugiesischen Behörden ist die Delta-Mutante inzwischen im Großraum Lissabon bereits der vorherrschende Virustyp. Mehr als 50 Prozent aller Infektionsfälle würden mittlerweile mit Delta in Verbindung gebracht.

An der Urlaubsküste Algarve steigen die Infektionsfälle ebenfalls bedenklich. Zuletzt wurde aus der Algarve-Region eine Wocheninzidenz von 70 neuen Fällen pro 100.000 Einwohner gemeldet. Landesweit stieg die wöchentliche Fallhäufigkeit auf 59. Da Delta sehr ansteckend ist, kann sich die Corona-Lage schnell verschlechtern. Portugals Tourismusindustrie zittert bereits, dass dies dem gerade angelaufenen Urlaubsgeschäfts wieder einen Strich durch die Rechnung machen könnte.