Berlin. . Die Wissenschaft ist uneins, welche Rolle Schnelltests bei der Delta-Variante spielen. Erkennen sie sie oder nicht? Der Überblick.

  • Die zuerst in Indien entdeckte Delta-Variante des Coronavirus breitet sich auch in Deutschland weiter aus
  • Über die Rolle von Corona-Schnelltests zum Nachweis der Delta-Mutation gibt es verschiedene Auffassungen
  • Sind Antigentests bei der Mutante sinnlos - oder eine große Hilfe?

Die hochansteckende Delta-Variante des Coronavirus breitet sich laut Robert Koch-Institut (RKI) zunehmend auch in Deutschland aus. Bis Herbst könnte sie sich nach Ansicht von Experten wie RKI-Präsident Lothar Wieler und SPD-Politiker Karl Lauterbach in Europa und auch in der Bundesrepublik durchgesetzt haben. Doch gerade den Nachweis der neuen Mutation betrachten einige als ein zentrales Problem - weil viele Infizierte keine Symptome zeigen.

Andere Forscherinnen und Forscher gehen wiederum davon aus, dass sich Delta besonders leicht nachweisen lässt, weil die Viruslast höher als bei der ursprünglichen Variante des Coronavirus ist. Welche Rolle Schnelltests dabei spielen, lesen Sie in unserem Überblick.

Können Schnelltests die Delta-Variante nachweisen?

"Das ist schwer zu sagen", sagt der Labormediziner Matthias Orth. Der Stuttgarter betont: "Die Schnelltests wurden für symptomatische Infektionen entwickelt. Dabei werden rund 80 Prozent der Infektionen erkannt. Bei Nicht-Symptomatischen werden nur 40 Prozent der Infektionen erkannt." Im Moment würden aber vor allem asymptomatische Menschen getestet - schließlich seien die Inzidenzen extrem niedrig. Nur bei einer sehr hohen Viruslast komme auch ein positives Ergebnis heraus.

Bei mangelhafter Probenentnahme sinkt die Wahrscheinlichkeit von positiven Ergebnissen massiv, sagt Orth. Am schlimmsten: wenn sich jemand selbst testet und dabei die Probe fehlerhaft entnimmt, eine minderwertige Testkartusche nutzt und die äußeren Bedingungen (Hitze oder Kälte) ungünstig sind. Auch interessant: Corona: Was die Delta-Variante für Schulen bedeutet

Was folgt daraus?

"Damit verpassen wir aktuell mehr als die Hälfte der Infizierten", sagt Matthias Orth. Das gelte nicht nur für die Delta-Variante, sondern auch für andere Mutationen des Virus. Orth macht eine Rechnung auf: Aus rein statistischen Gründen würden die Test-Hersteller nicht nachweisen können, wie hoch die Erkennung der einzelnen Virusvarianten ist. Hinzu komme ein Problem: Die Schnelltests wurden alle im Schnelldurchlauf vor rund einem Dreivierteljahr entwickelt, in Phase 2 der Pandemie. "Da gab es ja die Delta-Variante und andere noch gar nicht", betont Orth.

Wird da jetzt nachgebessert?

Wohl kaum. Für die Hersteller von Schnelltests ist eine Überarbeitung ihrer Produkte unattraktiv. Im vergangenen Jahr wurden die Schnelltests im Eilverfahren auf den Markt gebracht, die sonst übliche externe Prüfung wurde fallengelassen. Matthias Orth schüttelt darüber den Kopf. "Es genügte, dass die Hersteller beteuerten, sie hätten sehr gute Tests produziert. Niemand wollte die Testzulassung erschweren", erinnert er sich.

Corona-Mutation: Das sind die Symptome der Delta-Variante

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    Testanleitungen seien manchmal mit Google Translate übersetzt worden. "Sie kriegen einen Lachkrampf, wenn Sie das sehen. Dieses ganze Zulassungsverfahren ist eine traurige Angelegenheit", sagt Orth, der als Chefarzt am Stuttgarter Marienhospital tätig ist.

    Stimmt es, dass sich die Delta-Virusvariante hauptsächlich im Rachen und nicht in der Nase nachweisen lässt?

    Das kann man so eindeutig nicht sagen. Um zu klären, wo die meisten Viren stecken, müsste man verschiedene Szenarien durchspielen. "Man müsste mehrere über 80-jährige Ungeimpfte mit einer Delta-Infektion finden und die mit der Infektion jüngerer Patienten vergleichen", sagt Labormediziner Orth. Ziel wäre es, zu erkennen: Wo hat sich das Virus vornehmlich angesiedelt – im Rachen oder in der Nase? Dann müsste man herausfinden, ob es am Alter der Patienten liegt, an der Virus-Variante oder sogar an der eingesetzten Testform.

    Können PCR-Tests beim Nachweis von Delta weiterhelfen?

    Auf jeden Fall, sagt Matthias Orth. PCR-Tests weisen auch die Virusmutationen sicher nach. "So gesehen sind die Schnelltests eigentlich rausgeschmissenes Geld – ein riesiger Aufwand bei geringem Nutzen. Eigentlich müssten wir zu der Strategie zurückkehren, wieder verstärkt PCR-Tests durchzuführen – auch wenn deren Auswertung etwas länger dauert", sagt Orth.

    Max-Planck-Institut: Schnelltests helfen besonders bei Delta

    Zu einem anderen Ergebnis als Orth kamen Forscherinnen und Forscher des Max-Planck-Instituts (MPI) für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen: Durch die bei einer Delta-Infektion höhere Viruslast könne die Erkrankung mithilfe eines Antigenschnelltests möglicherweise besonders gut zu erkennen sein, berichtet "Spiegel" über die noch nicht veröffentlichte Untersuchung.

    Ähnlich schätzt auch SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach die Wirkung der Schnelltests ein: "Da die Delta-Variante eine hohe Viruslast trägt, ist sie durch die aktuellen Schnelltests sehr gut zu identifizieren. Dadurch können vor allem Super-Spreader entdeckt werden."

    (fmg)