Berlin. Die Pandemie hat das Selbstbild vieler Menschen verschlechtert. Das führt zu mehr Schönheitsoperationen – und einem gefährlichen Trend.

  • In der Pandemie haben viele Menschen eine schlechtes Selbstbild bekommen
  • Grund sind die vielen Videokonferenzen
  • Das führt zu mehr Schönheits-Ops – und einem gefährlichen Trend

Die Pandemie hat die Menschen verändert: Sie legen sich gern Vorräte an, sie meiden vielfach Massen – und sind nicht mehr zufrieden mit ihrem Aussehen. Wobei vor allem das Gesicht es ist, das ihnen zu schaffen macht, so Jörg Blesse, Präsident der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie (DGÄPC). Wer sein Gesicht nämlich ständig in Videokonferenzen sieht, sieht auch die Schatten unter den Augen, die dicken Lider, den müden Blick. Das Homeoffice treibt die Leute zu den Schönheits-Chirurgen, sagen Experten.

Eine Videokonferenz kann schlimmer sein als jeder Spiegel, so Blesse. Auch weil die Perspektive oft verzerrt ist oder die Laptop-Kamera das eigene Gesicht wie eine wabbelige Masse aussehen lässt. Ein Anblick, der viele derart befremdet, dass sie sich ein anderes Gesicht wünschen, berichten Schönheits-Chirurgen nach der Auswertung der Behandlungswünsche 2020.

Sätze wie „So kann ich nicht rumlaufen“ würden immer wieder in den Praxen fallen. Genau wie „Ich sehe ja übernächtigt aus“, obwohl man genug Schlaf bekommen habe. Das Selbstbild sei desolat, alt und müde, so die Diagnose, die nach Handlung ruft.

Botox und Faltenunterspritzung

Corona hat die Wahrnehmung stark fokussiert: Der Mensch ärgert sich plötzlich nicht mehr ganzheitlich, sondern partiell. Schließlich sieht man sich mal nur in der Videoschalte - und auf der Straße nur mit Maske. Da fallen die Augen umso mehr auf. Was für Schlupflider sind das denn! Da muss Abhilfe her. Das Bedürfnis nach Ober- oder Unterlidstraffungen sei auch in der Statistik der größten deutschen Fachgesellschaft, der Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen (VDÄPC) erkennbar, so Präsident Steffen Handstein. Die „intensivere Beschäftigung mit dem eigenen Selbstbild“ habe die Zahl solcher Eingriffe steigen lassen, Botox und Faltenunterspritzen seien inzwischen „in der Mitte der Gesellschaft angekommen“.

Da werden viele Botox-Behandlungen von unter Dreißigjährigen wahrgenommen, die gar keine bräuchten“, so DGÄPC-Präsident Harald Kaisers. Da werde einfach zugegriffen, ohne sich über Gefahren oder Nebenwirkungen einen Kopf zu machen. Kaisers spricht von einer „zunehmenden Bagatellisierung“.

Hemmschwelle wird immer kleiner

Die Hemmschwelle für solche minimalinvasiven Eingriffe sei viel niedriger als bei aufwendigen Operationen, sagte DGÄPC-Präsident Harald Kaisers. „Wir sehen vor allem die Darstellung solcher ästhetisch-plastischer Behandlungen auf Social Media sehr kritisch. Da wird viel informiert, aber nicht aufgeklärt.“ Dazu trügen auch Influencerinnen auf Plattformen wie Instagram bei, die solche Behandlungen als Lifestyle-Produkt und nicht als medizinischen Eingriff darstellten.

Selbstinjektionen und die Gefahr der Komplikationen

Wer sich Botox oder Hyaluronsäure spritzen lassen will, muss sich dafür nicht unbedingt an einen Facharzt wenden. Solche „Filler-Materialien“ gegen Falten seien Medizinprodukte, sagte VDÄPC-Präsident Handstein. „Jeder kann sie erwerben. Das ist eine ganz bizarre Situation. Es gibt viele Stellen, die das legal machen dürfen, obwohl sie mögliche Komplikationen nicht behandeln könnten.“ Das könnte Sie interessieren: „Pretty Happy“ - So gefährlich ist der Schönheitswahn

Hyaloronsäure per Videoanleitung

Auf Plattformen wie YouTube gebe es sogar Videoanleitungen, sich Hyaluronsäure selbst zu spritzen, sagte DGÄPC-Präsident Kaisers. „Dabei können Sie erblinden, wenn Sie das falsch spritzen.“ „Das gehört in die Hände von Fachärzten“, sagte Kaisers. Denn der Trend hin zu solchen kleinen Eingriffen werde wohl auch nach Corona „ungebrochen bleiben“. Weiterlesen: Die Deutschen legen sich wegen Corona häufiger unters Messer

Zudem weist Kaisers auf Trend zur Selbstoptimierung hin. Es sollen ja nicht nur vermeintliche Mängel beseitigt werden, sondern der Arzt soll quasi den Menschen nach Vorbildern von Instagram formen. Es gehe hier um kaschieren und nicht ums Akzeptieren der eigenen Persönlichkeit. Immer wieder müsste er junge Menschen darauf hinweisen, dass diese Bilder nichts mit dem wirklichen Leben zu tun haben, sondern bearbeitetes Bildmaterial ist.

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Brustvergrößerung mit Eigenfett

Auch wenn das Gesicht mit Faltenauffüllungen und Lidstraffungen die Nummer eins auf der Wunschliste ist – ein Bereich bleibt nachgefragt: Die Brustvergrößerung sei trotz der Skandale mit Implantaten immer noch ein Herzenswunsch der Frauen. Statt Implantaten aus Silikon würden viele auf Füllungen mit Eigenfett setzen, doch auch da seien die Erwartungen viel zu hoch, so Kaisers. „Viele Patientinnen eignen sich einfach nicht. Da sind gar keine Fettreserven vorhanden.“ Mehr zum Thema: Was die Haut wirklich langfristig jung und gesund hält

Mädchen wollen wie Heidi Klum aussehen

Die Erwartungshaltung der Jugend sei häufig extrem naiv. Da kämen Mädchen in die Praxis mit einem Bild von Heidi Klum in der Hand und sagten: „So will ich aussehen.“ Es passe nicht in ihre Vorstellungen, wenn der Arzt sagt, dass das nicht geht. Man könne und wolle nicht einfach Bilder von Menschen kopieren.