Berlin. Corona: So soll sich Deutschland auf eine Herbst-Welle vorbereiten. Diese Forderungen kommen von Kliniken, Schulen und der Pflege.

Die Corona-Krise in Deutschland ist in den vergangenen Wochen in den Hintergrund gerückt. Die Inzidenzen sind vergleichsweise niedrig, die allermeisten Pandemie-Auflagen aufgehoben und Millionen Menschen haben drei Impfungen hinter sich. Deutschland kehrt gefühlt zur Normalität zurück. Allerdings warnen Experten davor, die Bedrohung durch Covid-19 vorschnell für beendet zu erklären.

Schon jetzt breiten sich neue Omikron-Subvarianten aus, etwa in Portugal und den USA. Und auch bei uns könnte auf einen unbeschwerten Sommer ein dritter Corona-Herbst folgen. „Die besonders ansteckende Variante BA 4/BA 5 ist auch bei uns auf dem Vormarsch. Dies könnte im Herbst die nächste Welle werden“, schrieb Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) jüngst auf Twitter.

Auch beim Treffen von Bund und Ländern an diesem Donnerstag wird das weitere Vorgehen in der Pandemie Thema sein. Der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK), der jüngst wiedergewählte nordrhein-westfälische Regierungschef Hendrik Wüst (CDU), sieht Handlungsbedarf. „Es gilt jetzt, die richtigen Lehren aus den Pandemie-Jahren zu ziehen und sich auf den Herbst und Winter vorzubereiten“, sagte Wüst unserer Redaktion.

Bildungsministerin fordert klare Ansage zu Schulschließungen

So sehr es sich alle wünschten – „die Pandemie ist noch nicht vorbei“. Ein erneutes Hin und Her zwischen Lockdown und Öffnung müsse unbedingt vermieden werden. Es sei wichtig, dass der Bund in Abstimmung mit den Ländern „rechtzeitig vor dem Herbst die Grundlagen für die Pandemiebekämpfung anpasst“. Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) forderte mit Blick auf die Bund-Länder-Runde eine klare Absage an flächendeckende Schulschließungen: „Es ist dringend notwendig, dass die Ministerpräsidentenkonferenz einen entsprechenden Beschluss fasst“, sagte die Ministerin unserer Redaktion.

Druck kommt zudem aus Kliniken und der Pflege. Auch sie waren in der Pandemie großen Belastungen ausgesetzt – und fordern jetzt die Vorbereitung von Notfallplänen. Zumal die Corona-Maßnahmen im Infektionsschutzgesetz am 23. September auslaufen und noch offen ist, wie es weiter geht.

Wie ist aktuell die Infektionslage?

Nach der Omikron-Welle zu Beginn des Jahres war die Siebe-Tage-Inzidenz lange gesunken. Doch bei etwa 200 Fällen pro 100.000 Einwohner und Woche scheint dieser Trend nun gestoppt. Zuletzt stieg die Inzidenz an zwei Tagen in Folge leicht an. Währenddessen legt die Impfquote nur noch langsam zu. Aktuell sind laut Bundesregierung 75,9 Prozent der Bevölkerung zweimal geimpft. 59,7 Prozent haben auch eine Auffrischungsimpfung erhalten, sechs Prozent sogar eine zweite.

Wie blicken Pflege und Kliniken auf den Herbst?

Die Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Claudia Moll (SPD), betonte, die Erfahrungen zeigten, dass zum Herbst vermutlich die Fallzahlen stiegen oder es neue Varianten geben könnte. „Hiergegen müssen wir uns alle rechtzeitig wappnen“, sagte Moll unserer Redaktion.

Es gelte „alles vorzubereiten, dass genügend Schutzausrüstungen, Impfstoffe und Testmöglichkeiten vorhanden sind“. Auf keinen Fall dürfe sich wiederholen, dass es Besuchsverbote gebe und Pflegebedürftige wochenlang in stationären Pflegeeinrichtungen oder zuhause isoliert würden.

Der Chef der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, forderte, möglicher angepasster Impfstoff gegen neue Varianten müsse „in ausreichender Menge beschafft werden“. Zudem riet er dazu, repräsentative Untersuchungen zum Antikörperstatus durchzuführen. Nur so wisse man, wie gut die Bevölkerung durch Impfungen und Genesungen geschützt sei, sagte Gaß unserer Redaktion.

Die Kommunen appellierten an die Politik, vor der Sommerpause einen Plan zur Corona-Bekämpfung im Herbst vorzulegen. „Bund und Länder sollten etwas in der Schublade haben, wenn es wieder losgeht und sich neue Virusvarianten sprunghaft verbreiten“, sagte der Präsident des Deutschen Städtetages, Markus Lewe, unserer Redaktion. Wirksame Gefahrenabwehr sei nur möglich, wenn die Vorbereitungen getroffen würden, „bevor der Notfall eintritt“. Wer erst im Herbst darüber beraten und abstimmen wolle, „der kommt zu spät“.

Wie sollen sich die Schulen vorbereiten?

Stark-Watzinger verlangte eine gezielte Impfkampagne für Schulkinder: „Schon jetzt ist absehbar, dass wir die Impfangebote rechtzeitig hochfahren müssen, möglichst niedrigschwellig und nach der Empfehlung der Stiko gerade auch für Kinder und Jugendliche an den Schulen.“ Das sei der beste Schutz gerade auch vor den neuen Varianten. Kinder und Jugendliche dürften nicht noch einmal die Hauptlast der Pandemie tragen.

Bildungsgewerkschaften fordern Maßnahmen, die es ermöglichen, so lange wie möglich in Präsenz zu unterrichten: „Es muss möglich sein, an einzelnen oder allen Schulen die Masken- und gegebenenfalls auch Testpflicht zu verfügen“, sagte Stefan Düll, Vize-Vorsitzender des Philologenverbands, auf Anfrage. Die Schulleitungen bräuchten dafür Entscheidungsbefugnis. Die haben sie derzeit nicht. Masken dürfen laut Infektionsschutzgesetz nur verordnet werden, wenn die Landtage eine Region zum Hotspot erklären.