Rom. In Italien löste ein neues Besuchsverbot Revolten aus. Es soll die Ausbreitung des Coronavirus eindämmen. Sechs Häftlinge starben.

In den Haftanstalten in Italien herrscht das pure Chaos: Aus Protest gegen das neue Besuchsverbot, das die Regierung zur Eindämmung der Coronavirus-Infektionen verhängt hat, gehen die Insassen auf die Barrikaden. Bei der Revolte im norditalienischen Modena kamen sechs Häftlinge ums Leben.

Drei Gefangene sollen an einer Überdosis Medikamente gestorben sein, die sie beim Einbruch in die Krankenstation erbeutet hatten. Drei weitere Häftlinge sollen beim Versuch, sie während des Aufstands in andere Haftanstalten zu verlegen, getötet worden sein.

80 der insgesamt 530 Insassen der Haftanstalt Sant’Anna in Modena sollen sich an dem Gewaltausbruch beteiligt haben. Eine derartige Gewaltexplosion habe es hier noch nicht gegeben, so die Polizei.

Gefängnisrevolten wegen Coronavirus: einigen Gefangenen gelingt die Flucht

Während die Insassen sich von ihren Angehörigen durch das Besuchsverbot abgeschnitten fühlen, machte sich gleichzeitig Panik wegen der weiterhin rapide steigenden Zahl an Infizierten breit. In Haftanstalten im ganzen Land von Mailand bis Palermo forderten die Gefangenen eine Amnestie, um vor dem Virus fliehen zu können, sowie Garantien für ihre Gesundheit.

Mehrere Insassen des Mailänder Gefängnisses San Vittore kletterten auf das Dach des Hauptgebäudes und riefen „Freiheit, Freiheit“, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen. Auf ein weißes Laken, das sie an der Fassade herunterlassen, schrieben sie mit blauer Farbe „Straferlass“.

Während sich Insassen in Rebibbia, dem größten römischen Gefängnis, den Revolten in anderen Städten anschlossen, kreiste ein Hubschrauber über der kleineren Haftanstalt der italienischen Hauptstadt in der Nähe des Vatikan. Im süditalienischen Foggia sei zahlreichen Gefangenen die Flucht gelungen, hieß es. Die meisten von ihnen wurden aber umgehend gefasst. Auch nachdem in der Haftanstalt wieder Ruhe eingekehrt war, kontrollierte ein massives Aufgebot an Polizei, Carabinieri und Soldaten den Gebäudekomplex weiterhin von außen.

In vielen Haftanstalten herrscht extreme Enge

Überall im Land rebellierten die Häftlinge: In Palermo versuchten Inhaftierte, die Zäune zu erklimmen. Die Polizei umstellte daraufhin das Gebäude und sperrte die Straßen rund um das Gebäude in Sizilien. Auch in dem kleineren Gefängnis der sizilianischen Metropole kam es zu Protesten. Die Hälfte der 300 Insassen hatte in ihren Zellen Kissen, Kleidungsstücke und Papier angezündet. Sie schlugen an die Gitter, um sich buchstäblich Gehör zu verschaffen.

Die Revolte griff auch auf andere Gefängnisse in Verona und Alessandria über. Unter dem Eindruck der Aufstände forderte der Senator der Regierungspartei der Demokraten, Franco Mirabelli, Häftlinge, die nur noch wenige Monate einsitzen müssen, in den Hausarrest zu verlegen.

Italiens Gefängnisse sind seit Jahrzehnten überlastet. Wegen der chronischen Überfüllung beschloss die Regierung in der Vergangenheit bereits Amnestien für Verurteilte, die keine Gefahr für ihre Mitmenschen darstellen und denen nur wenig Resthaft blieb. In zahlreichen Gefängnissen herrscht jedoch weiterhin große Enge, die Zellen sind vielfach überbelegt. Dabei können der in Italien per Regierungsdekret seit einigen Tagen geltende Mindestabstand von einem Meter und strenge Hygienevorgaben kaum eingehalten werden. Vielen Gefangenen fehlt es am Nötigsten.

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