Wolfsburg. 15 Bewohner einer Altenpflege-Einrichtung sind an Covid-19 gestorben. Nun hat ein Anwalt Anzeige wegen fahrlässiger Tötung gestellt.

Schock und Entsetzen in Wolfsburg: Der Tod von 15 Bewohnern des Hanns-Lilje-Heims hat deutschlandweit Bestürzung ausgelöst – und wird möglicherweise ein Fall für die Justiz.

Ein Wolfsburger Anwalt habe Anzeige wegen fahrlässiger Tötung gestellt, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Braunschweig am Montag. Sie bestätigte den Eingang der Anzeige, diese gehe nun an den zuständigen Staatsanwalt und werde geprüft. Die Diakonie war für eine Stellungnahme zunächst nicht zu erreichen.

Strafanzeige gegen die Diakonie Wolfsburg wegen fahrlässiger Tötung

Nach einem Bericht der „Wolfsburger Allgemeinen Zeitung“ richtet sich die Strafanzeige gegen die Verantwortlichen der Diakonie Wolfsburg wegen fahrlässiger Tötung in zwölf Fällen – die bis zum Wochenende bekannten Todesfälle. Am Wochenende starben zudem drei Männer im Alter von 80, 86 und 88 Jahren.

Der Rechtsanwalt berief sich dem Bericht zufolge auf Hinweise von Diakonie-Beschäftigten über Missstände in Pflegeheimen. Er erhob schwere Vorwürfe gegen die Diakonie, dort herrschten „katastrophale hygienische Zustände“. Das Pflegepersonal verfüge zudem über keine Mundschutzmasken, um Bewohner und sich selbst zu schützen. Der Besucherstopp in den Heimen sei zu spät gekommen.

Coronavirus: Viele der Infizierten im Heim starben binnen weniger Tage

Von den etwa 165 Bewohnern des Hanns-Lilje-Heims waren am Samstag laut Gesundheitsamt 72 infiziert. Zwölf von ihnen – überwiegend Demenzkranke – waren innerhalb weniger Tage gestorben. Allein am Freitagabend hatte die Stadt Wolfsburg den Tod von sechs Frauen und zwei Männern im Alter zwischen 76 und 100 Jahren gemeldet. Am Sonntag wurde der Tod der weiteren drei Männer bekanntgegeben.

Politik und Kirche sprachen derweil Angehörigen ihr Beileid aus und würdigten die Leistungen des Pflegepersonals. „Mein besonderer Dank gilt all denen, die in dem Heim versuchen, trotz eigener Gefährdung weitere Ansteckungen und weitere Todesopfer zu verhindern“, so Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD). „Das Geschehen in Wolfsburg führt uns die Unerbittlichkeit dieses Virus vor Augen.“

Schleusen sollen noch mehr Tote in Altenheim verhindern

Noch weiß niemand, wie sich die Bewohner infiziert haben, so Oberbürgermeister Klaus Mohrs. Die Lage vor Ort stellte sich für alle dramatisch dar. Nach dem Entsetzen über die Todesfälle beschäftigte die Behörden vor allem die Frage: Wie kann man die Nicht-Infizierten schützen?

Oberbürgermeister Mohrs kündigte umfassende Hygienemaßnahmen für die Pflegeeinrichtung an. Schleusen sollen verhindern, dass Menschen aus den getrennten Bereichen aufeinandertreffen.

Wolfsburger Klinikum verhängt Aufnahmestopp

Das Klinikum der Stadt Wolfsburg verhängte einen weitgehenden Aufnahmestopp für Patienten wegen Ansteckungen unter den Mitarbeitern, wie die Stadt am Sonntag mitteilte. Es würden vorerst keine neuen Patienten mehr aufgenommen, erklärte die Stadt. Sie würden auf umliegende Krankenhäuser verteilt. Einzige Ausnahmen bei der Aufnahme sind die Notaufnahme der Kinderklinik und der Kreißsaal.

Vorerst wird in dem Klinikum jedes Zimmer nur mit einem Patienten belegt, das gesamte Personal arbeitet mit sogenanntem Vollschutz. Am Montag sollten Mitarbeiter und Patienten weiter auf das Virus getestet werden. Die Ergebnisse wurden für den Abend erwartet. Danach sollte laut Stadt über weitere Schritte entschieden werden.

Demente Patienten benötigen besondere Betreuung

Auch wurde überlegt, all jene, die nicht infiziert sind, kurzzeitig in ein Hotel zu bringen. Doch davon habe man wieder Abstand genommen. Menschen, die an Demenz erkrankt sind, benötigen insbesondere ein stabiles Umfeld. In den nächsten Wochen sollen die Infizierten und die negativ Getesteten auf unterschiedlichen Stockwerken leben.

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„Es ist eine besondere Herausforderung in der Arbeit mit demenziell veränderten Menschen, bei denen jegliche Form der Veränderung wie Ortswechsel, Menschen in Schutzkleidung oder vermummte Gesichter Irritationen und Ängste auslöst“, betont Torsten Juch, Leiter des Hanns-Lilje-Heims.

„Daher war es aus unserer pflegefachlichen Sicht die beste Alternative, innerhalb des Hauses getrennte Bereiche einzurichten und nach Abwägung aller Argumente den Verbleib aller Bewohner bestmöglich zu organisieren. Eine Evakuierung hätte eine Verschlechterung der Demenzerkrankungen zur Folge gehabt.“

Todesfälle in Würzburg – auch in Halle ein Toter im Heim

Vor wenigen Tagen erst waren in dem Würzburger Seniorenheim St. Nikolaus mit 161 hochbetagten meist dementen Bewohnern 13 Menschen an der Corona-Infektion gestorben. Die Verantwortlichen hatten sich gegen eine Evakuierung entschieden und die positiv getesteten Personen auf Stationen innerhalb der Einrichtung isoliert.

In einem Altenpflegeheim in Halle sind 13 Bewohner positiv getestet worden, ein Bewohner ist gestorben. Die Bewohner hätten keine Symptome aufgezeigt. Sie seien deshalb getestet worden, weil eine Pflegerin positiv war, hieß es von den Behörden.

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