Berlin. Lahme Story, echt fade Witze – der „Tatort“ wurde vorab verrissen. Voll übertrieben. Warum Sie den „Tatort“ trotzdem gucken sollten.

Eigentlich galten sie lange als die Nachfolger von Jan-Josef Liefers und Axel Prahl. Der Münster-Tatort wurde in Sachen Humor verdrängt vom „Tatort“ aus Weimar. Nora Tschirner und Christian Ulmen, ein Ehepaar, bei dem auch verbal die Fetzen flogen. Am Sonntag waren sie wieder auf Sendung. Der Titel „Die harte Kern“.

Doch dieses Mal wurden die beiden samt Film vorab verrissen. So schlecht wie nie, heißt es. Der Witz ist vorbei. Langeweile pur – ach was. Ein paar Abstriche, zugegeben. Aber dieses Traumpaar der „Tatort“-Geschichte funktionierte auch dieses Mal bestens.

Christian Ulmen – ein Kommissar sitzt in U-Haft: Grandios und voller Poesie

Blasse Story, fade Witze – so die medialen Vorwürfe. Hallo! Das stimmt einfach nicht. Die Story ist selbst für Tatort-Verhältnisse originell. Kommissar Lessing musste in den Knast. Mag vielleicht auch schon mal vorgekommen sein bei anderen Ermittlern. Aber andere Ermittler sind eben nicht Christian Ulmen.

Wie der da sitzt, wie ein Schuljunge, der dem Lehrer ein Furzkissen auf den Stuhl gelegt hat und zur Strafe in der Ecke stehen muss. Das ist grandios gespielt und voller stiller Poesie. Gut, dass jetzt die Interne ermittelt – ja das ist schlecht. Wie fast immer, wenn die Interne ermittelt.

Hier ist es Sonderermittlerin Eva Kern (gespielt von Nina Proll), die den Kommissaren auf die Finger hauen will. Ihre Rolle ist oberschlau angelegt. Und Proll spielt so oberschlau wie bedeutungsschwanger. Ziemlich nervig. Mit Wichtig-Wichtig-Miene bläst sie den armen Polizisten den Marsch und fällt dabei auf so offensichtlich falsche Fährten rein, dass es wirklich weh tut.

Feiner Humor, der ins Herz trifft

Es ist also spürbar, dass die Drehbuchautoren gewechselt haben: Die Grundstory wurde dieses Mal von zwei Autoren unter Pseudonym entwickelt. Von den beiden bisherigen Drehbuchautoren Murmel Clausen und Andreas Pflüger stammen nur die Dialoge. Die aber sind wie immer vielfach putzig. Anders als im Münsteraner „Tatort“ werden sie nicht mit großem Theaterdonner über die Lippen geführt.

Es sind diese kleinen, trocknen Pointen, die man so lieb hat: Als Kira Dorn ihren Kollegen wie Lebensgefährten und Vater ihres Kindes Lessing (einen Vornamen hat er nicht, braucht er auch nicht) im Knast besucht, fällt ihr zum Trost nur dies ein: „Wenn Du lang genug im Bau bist, musst Du nach dem Kindergeburtstag nicht aufräumen.“ Gut, man haut sich nicht auf die Schenkel dabei. Es ist ein feiner, derber Humor, der auf eine bestimmte Weise mitten ins Herz trifft.

Der kleine Witz füllt auch die randigsten Dialoge. Eine wirklich kleine Szene nur, als ein Polizist zu seinem Alibi in Sachen Mord am Schrotthändler befragt wird. Er sagt, er sei im Theater gewesen. „Tod eines Handlungsreisenden“ schiebt er nach. Das ist jetzt nicht richtig wild komisch, aber in Sachen Mordermittlung schon ganz fein ausgewählt.

Flucht in einem alten Dreirad und eine wunderschöne Liebeserklärung

Auch wenn es dieses Mal zwischen den beiden Hauptdarstellern nicht so schlüpfrig zugeht wie so manches andere Mal: Die Dialoge sitzen. Vor allem im Detail.

Als Frau Kommissarin mitten in der Nacht zum Dienst gerufen wird und man sich für die Störung entschuldigt, sagt sie nur: „Halbe Stunde Schlaf ist eh viel zu viel. Habe mich ja fast wund gelegen.“ Sagen wir so: Nicht zum Brüllen. Aber auf keinen Fall staubtrocken die Antworten wie in vielen anderen „Tatort“-Filmen.

Wunderbar übrigens die Szene, als das Polizistenpaar ausbüxt. Ihr Fluchtautor: eine altes Dreirad. Und eine der schönsten Liebeserklärungen im „Tatort“ überhaupt. Sie versucht, die alte Möhre kurzzuschließen. Er guckt ihr dabei zu. Um sie herum reihenweise Abbruchhäuser. Kurz bevor er aussteigt, sagt er wie nebenbei „Ich liebe Dich.“ So cool, so warmherzig und herzzerreißend schön.