Berlin. Im Corona-Podcast von Sandra Ciesek geht es um Lockerungen und Impfstoffe. Als besonders wichtig sieht die Virologin den R-Wert an.

Wann können die Corona-Maßnahmen gelockert werden? Und wie wirken die Impfstoffe gegen Mutationen? Diese Fragen standen in der 75. Folge des NDR-Podcasts "Coronavirus-Update" mit Sandra Ciesek im Fokus. Die Virologin beurteilte im Vorfeld des Bund-Länder-Treffens auch die aktuellsten Entwicklungen der Pandemie. Moderiert wurde die Folge diesmal nicht von der NDR-Wissenschaftsredakteurin Korinna Hennig, sondern von ihrer aus der Elternzeit zurückgekehrten Kollegin Beke Schulmann.

Sandra Ciesek, Direktorin des Instituts für Medizinische Virologie am Universitätsklinikum Frankfurt, bewertete die aktuelle Entwicklung der Infektionszahlen vorsichtig positiv: "Die Lage in Deutschland hat sich schon ein wenig entspannt." Das zeigen auch die Zahlen: Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) ist die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz pro 100.000 Einwohner am Montag zum ersten mal seit drei Monaten auf unter 75 gesunken.

Drohende Lockdown-Verlängerung trotz sinkender Zahlen

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    Corona-Podcast: R-Wert muss im Blick behalten werden

    Die positive Entwicklung des Inzidenzwertes sei aber nur ein Aspekt. "Genauso wichtig ist, dass man sich den R-Wert anschaut", betonte Ciesek. Dieser lag am Sonntagabend noch immer bei 0,94, und damit nur knapp unter dem kritische Wert von 1,0. Konkret bedeutet der Wert, dass 100 Infizierte aktuell 94 weitere Menschen anstecken.

    Bleibt der Wert unter 1,0, dann könne es sein, "dass eine Lockerung nicht gleich einen so negativen Effekt hätte." Stiege der Wert jedoch darüber, müsse man erneut mit höheren Infektionszahlen rechnen, falls man zugleich durch eine Lockerung der Maßnahmen wieder mehr Kontakte zuließe, erklärte die Virologin.

    Ciesek: "Jede Lockerung führt zu mehr Kontakten"

    Insgesamt sei nach Cieseks Einschätzung eine klare Kommunikation seitens der Politik wichtig. Vielen Menschen würde es etwa helfen zu wissen, bei welcher Inzidenz welche Konsequenzen zu erwarten wären. "Was jedem klar sein muss: dass jede Lockerung immer auch zu mehr Kontakten führt. Und das ist das Entscheidende für die Anzahl der Infektionen", so Ciesek.

    Den in Schleswig-Holstein vorgesehenen Stufenplan sieht die Wissenschaftlerin kritisch. Aus virologischer Perspektive sei die Zeit nicht reif für Lockerungen. Auffällig sei bei der Planung im nördlichsten Bundesland, dass sowohl Privatleben als auch öffentliches Leben weiterhin limitiert würden, während es für die Situation am Arbeitsplatz zu wenig Regelungen gebe.

    "Was ist zum Beispiel mit einer Homeoffice-Pflicht, wie ist es in der Industrie oder auf Baustellen? Da gibt es meines Erachtens noch Nachholbedarf", sagte Ciesek. Es sei schwer nachvollziehbar, wenn man privat nur wenige Kontakte haben dürfe, aber auf der Arbeit Seminare mit 30 Leuten erlaubt seien.

    Corona-Maßnahmen helfen auch gegen die Mutationen

    Ob man angesichts der Virusvariante B.1.1.7, die zunächst in Großbritannien und mittlerweile auch in Deutschland nachgewiesen wurde, überhaupt lockern sollte, sei eine schwierige Frage, so Ciesek. Ob die Mutante hierzulande eine dritte Infektionswelle auslösen könne, sei nicht sicher zu beantworten.

    Nach Ansicht der Virologin würden nur strikte Maßnahmen gegen Virusvarianten helfen. "Wenn man jetzt lockern würde und dem Virus den freien Lauf lassen würde, würde es sicher zu einer dritten Welle kommen", so Ciesek. Diese Überlegung erschwere die Entscheidung über Lockerungen.

    Weitere Corona-Impfstoffe geben Hoffnung

    Der Unsicherheit in Bezug auf die Ausbreitung von Mutationen steht die immer weiter fortschreitende Impfstoffforschung gegenüber. Über den russischen Impfstoff Sputnik V sagte Ciesek, an dem Vakzin sei "elegant", dass er verschiedene Vektoren verwende, um Antikörper einzuschleusen. Dadurch sei die Wahrscheinlichkeit einer wirksamen Immunantwort größer. Vor einer EU-Zulassung des Vakzins sei allerdings erforderlich, die Rohdaten genau anzuschauen.

    Sowohl für Sputnik V als auch den Impfstoff des US-Konzerns Johnson & Johnson wird derzeit eine Zulassung bei der Europäischen Arzneimittelagentur EMA angestrebt.

    Corona-Impfstoffe machen nicht unfruchtbar

    Abschließend ging Ciesek im Podcast auch auf das weit verbreitete Gerücht ein, dass Frauen durch eine Corona-Impfung unfruchtbar werden könnten. Die Virologin nannte dies einen “Mythos”. Weltweit gebe es keine Hinweise auf einen solchen Zusammenhang.

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    Schwangere und stillende Frauen von frühen klinischen Studien auszuschließen, sei ein üblicher Vorgang, so die Virologin. Das hieße aber nicht, dass sie besonders gefährdet seien. "Ich kann dazu nur sagen: Wenn man schwanger ist, schwanger werden will oder stillt, ist eine Infektion mit Sicherheit gefährlicher als die Impfung, weil man nicht weiß, wie der Verlauf ist."

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      (msb)