Washington. Tippi Hedren war der Star in Filmen von Alfred Hitchcock. Doch das Engagement bei dem sadistischen Regisseur ruinierte ihre Karriere.

Um es vorweg zu sagen: Tippi Hedren hat keine Angst vor Vögeln. Nur vor Spinnen. Und sie hat eine Vorliebe für gefährliche Raubtiere. Wenn sie denn vier Beine haben. Auf ihrer Ranch namens „Shambala“ im Soledad Canyon, 50 Kilometer nördlich von Los Angeles, lebt sie seit Jahrzehnten mit Löwen, Tigern, Luchsen, Panthern und anderen Großkatzen zusammen. Am Sonntag wird sie 90 Jahre alt.

Die Ikone des alten Hollywoods darf Melanie Griffith („Die Waffen der Frauen”) ihre Tochter und Dakota Johnson („50 Shades of Grey”) ihre Enkelin nennen. Die Tiere stammen oft aus prekären Verhältnissen in Zoos und Zirkussen. Viele wurden misshandelt, manche auch in illegaler Privathaltung. Hedrens Altersheim gibt ihnen Gnadenbrot und Zuhause. Unter Tierschützern genießt sie darum Gold-Status.

Der Auslöser fürs Interesse an der wilden Kreatur waren Ende der 60er-Jahre zwei Filme in Afrika. Wenn es nachts im „Shambala Preserve” Fauch- und Knurr-Geräusche gibt, die man sonst nur in der Savanne Kenias hört, ist das Musik in den Ohren einer Frau, die noch heute jede Film-Gala mit ihrer Vitalität ziert. Die aber auf Hollywood, „wo sie dich in Stücke reißen”, eigentlich pfeift.

Tippi Hedren: Alfred Hitchcock quälte sie bei Dreharbeiten

Nicht nur das macht die Tochter eines Kaufmanns mit schwedischen Wurzeln aus New Ulm im bitterkalten US-Bundesstaat Minnesota, die die angeschlagene Gesundheit des Vaters nach dem Zweiten Weltkrieg ins milde Kalifornien verschlug, so besonders.

Tippi Hedren im Jahr 2017.
Tippi Hedren im Jahr 2017. © imago/APress | imago stock&people

Hedren hat mit zweibeinigen Raubtieren, die heute in triebgesteuerter Gestalt von Frauen (auf)reißenden Harvey Weinsteins für Tränen, Wut, Schlagzeilen und Gerichtsprozesse sorgen, schon leidvolle Erfahrungen gemacht, als an die #MeToo-Bewegung nicht einmal zu denken war. Der Meister persönlich, Alfred Hitchcock, der mit ihr 1963 mit „Die Vögel” ein filmisches Flügelschlagen für die Geschichtsbücher inszenierte, war ihre Nemesis. Er wurde dafür nie belangt.

Hitchcock entdeckt die blonde Frau über TV-Werbespots für den damals beliebten Sego-Diät-Trunk. Als er ihr 1962 das Debüt-Angebot macht, an der Seite von Rod Taylor die Rolle der Melanie Daniels zu übernehmen, hat Hitchcock Vorstellungen, die nicht im Drehbuch stehen.

Am Set von „Die Vögel“ eskalierte die Situation

Mit Wissen seiner Frau Alma, die Hedren bemitleidet, macht der Star-Regisseur, der da schon mit Grace Kelly und Kim Novak gearbeitet hat, den unerfahrenen Nachwuchsstar, der so kühl und arrogant wirken kann, zum Subjekt seiner außerehelichen Begierden. Als Hedren sich dem Knilch mit der Knollennase verweigert, schaltet „Hitch” auf Vergeltung um.

Am Film-Set in Bodega Bay nördlich von San Francisco, wo Potters alte Schule steht, an der das große Schnabel-Gemetzel stattfand (heute ein restauriertes Privathaus), lässt er gegen alle Absprachen für die zentrale Szene lebendige Spatzen, Möwen und Krähen mit Bändern an Tippi Hedren befestigen. Die Vögel geraten in Panik, picken nach ihren Augen, es fließt Blut. Fünf Tage dauern die Dreharbeiten. Danach bricht Hedren, die eigentlich Natalie mit Vornamen heißt, zusammen.

Jahre später spricht sie von einer „brutalen und unbarmherzigen” Erfahrung, lobt aber bis heute die „Einzigartigkeit” der cineastischen Kreativität ihres Peinigers. Hitchcock ließ nicht locker. Nach „Marnie” mit Sean Connery (1964) betrieb der gehörnte Stenz Rufschädigung. Und Sabotage.

Kollegen wie der Franzose François Truffaut, die unbedingt mit Hedren drehen wollten, wurden mit dem Hinweis beschieden, sie stehe nicht zur Verfügung. Jahrelang entließ Hitchcock Tippi Hedren nicht aus ihrem Vertrag. Gleichzeitig bezeichnete er seine Vorzeige-Schauspielerin, die vor allem in „Marnie” eine beeindruckende Frau zwischen Lüge, Diebstahl, Männerhass und Selbstzweifel gibt, im Kollegenkreis als Zicke. Was zusammen wie ein Berufsverbot wirkte.

Laufbahn endete unspektakulär

Hedrens Laufbahn endete unspektakulär mit Charlie Chaplins letzter Regiearbeit „Die Gräfin von Hongkong“. „Er hat meine Karriere ruiniert“, sagte Hedren Times über den 1980 gestorbenen Hitchcock, „er war ein gemeiner, gemeiner Mann.“

P.S. Auf der „Shambala”-Ranch gibt es Tiger, die Tippi Hedren liebevoll „Antonio Banderas”, „Rod Taylor”, „Marlon Brando” oder „Sean Connery” getauft hat. Nach Alfred Hitchcock hat sie kein einziges Tier benannt.