Berlin. Rund 2500 Corona-Infektionen stehen insgesamt in Verbindung mit der Fußball-EM - auch in Deutschland. Die Uefa weist Kritik zurück.

Tausende dichtgedrängte Fußballfans - davon die wenigsten mit Maske: Bilder der diesjährigen Fußball-EM wecken nicht nur Erinnerungen an prä-pandemische Zeiten, sondern rufen auch jede Menge Unverständnis hervor. Nun hat das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) im Zusammenhang mit den Spielen erstmals auch Corona-Fälle in Deutschland gezählt.

18 Infektionen lassen sich demnach in Deutschland direkt mit der EM in Verbindung bringen, wie die EU-Agentur in ihrem wöchentlichen Bericht am 9. Juli mitteilte. Vier Partien des pan-europäischen Turniers hatten im Münchner Olympiastadion stattgefunden. Insgesamt wurde in der vierten Turnierwoche der Europameisterschaft im Vergleich zur Vorwoche ein leichter Anstieg auf 2535 Infektionsfälle mit Covid-19 verzeichnet.

ECDC erwartet steigendes Risiko in einigen Ländern

In Ländern, in denen es Massenansammlungen wie bei der EM und keine ausreichenden vorbeugenden Maßnahmen gebe, werde erwartet, dass das Risiko einer europaweiten Übertragung von Covid-19 und Varianten des Coronavirus steige, heißt es in dem Bericht. Die Infektionszahlen könnten demnach ein Niveau wie im Herbst 2020 erreichen.

Viele Länder, darunter einige EM-Gastgeber, melden einen Anstieg der Corona-Fälle. Mit 1991 Fällen, die mit der EM in Verbindung stehen, ist Schottland nach Angaben der Agentur am stärksten betroffen. Diese Zahl hat sich im Vergleich zur vorigen Woche nicht erhöht. Die schottische Mannschaft hatte ihre EM-Gruppenspiele in Glasgow und im Londoner Wembley-Stadion ausgetragen. In Großbritannien breitet sich die als ansteckender geltende Delta-Variante des Virus stark aus. Einen Anstieg auf 481 Infektionen gab es in Finnland.

Zwar steigen die Impfraten, ausreichend sei die Anzahl der Geimpften jedoch längst nicht. Insbesondere jüngere Menschen haben zum Teil noch keine Impfung erhalten. Gerade sie sind es aber, die in den Stadien waren oder an Public Viewing-Events teilgenommen haben.

Die Überwachung und Identifizierung von Fällen, sowie Kontaktverfolgung und Quarantäne von Kontakten bleiben laut ECDC „wichtige Eckpfeiler, um die epidemiologische Situation zu überwachen und einen Anstieg der Fälle zu verhindern.“ Das Zentrum empfiehlt eine genaue Überwachung der epidemiologischen Situation und die Umsetzung von Präventiv- und Eindämmungsmaßnahmen.

Uefa-Präsident: Keine Beweise für Infektionen bei Spielen

Die Kritik zahlreicher Corona-Expertinnen und Experten hatte Uefa-Präsident Aleksander Ceferin zuletzt zurückgewiesen. "Die Teams verhalten sich hochprofessionell", sagte der Slowene der BBC. "Auch in den Stadien sind wir sehr strikt, und wenn ich höre, dass Politiker sagen, Menschen hätten sich bei den Spielen infiziert, ohne jeden Beweis, dann enttäuscht mich das ein bisschen." Der 53-Jährige bezog sich direkt auf die Zahlen aus Schottland.

"Einige sagen, 2000 schottische Fans seien infiziert, aber die schottischen Fans, die ins Stadion gegangen sind, waren getestet", sagte Ceferin. Es seien auch 20.000 Menschen ohne Ticket nach London gekommen. "Du wirst im Park nicht getestet", sagte Ceferin. "Den Fußball zu beschuldigen, das Virus zu verbreiten, ist aus meiner Sicht unverantwortlich."

Das ECDC lässt das Infektionsgeschehen rund um die EM täglich mindestens durch zwei Expertinnen und Experten prüfen. Gestartet sind die Untersuchungen eine Woche vor Turnierbeginn. Nach dem Endspiel am vergangenen Sonntag laufen sie noch für eine Woche weiter.

Corona-Risiko: Lauterbach sieht "Schatten auf dieser EM"

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach warf der Uefa mehrfach Versagen beim Umgang mit der Corona-Pandemie bei der Europameisterschaft vor. "Auf dieser EM liegt ein Schatten, und die Uefa hat durch ihre ignorante Vorgehensweise Todesfälle zu verantworten. Das muss so klar gesagt werden. Die Uefa hat in meinen Augen versagt", sagte der Politiker im Magazin "11Freunde" (Sonntag). Dieses Turnier signalisiere, dass Corona vorbei wäre, aber dies sei nicht der Fall. "Die EM hat sich für dieses fatale Signal missbrauchen lassen", erklärte er.

Als besondere Gefahr hob der 58-Jährige die Zulassung von mehr als 60.000 Zuschauern beim Endspiel in London zwischen Italien und England hervor. "Wembley ist komplett außer Kontrolle geraten", kritisierte Lauterbach. Die Engländer würden sich in einer Phase der Pandemie befinden, in der sie sehenden Auges einen sehr großen Teil der erwachsenen Bevölkerung chronisch krank machen könnten. Seiner Meinung nach wäre es sinnvoll gewesen, "die Zuschauerzahl auf ein Fünftel der Kapazität zu senken".

(dpa/raer)