Berlin. Die EMA hat den Biontech-Impfstoff für Kinder ab zwölf Jahren freigegeben. Vor dem Impfstart in Deutschland sind viele Fragen offen.

Die Weichen für die Corona-Schutzimpfung auch bei Kindern sind gestellt: Die EU-Arzneimittelbehörde EMA gab am Freitag grünes Licht für die Zulassung des Impfstoffs von Biontech/Pfizer für Kinder zwischen 12 und 15 Jahren. In Deutschland kann im Prinzip ab 7. Juni geimpft werden. Aber Corona-Impfstoff bleibt knapp, viele Fragen sind offen, Eltern fühlen sich alleingelassen: Bei der Kinderimpfung droht jetzt die große Verunsicherung.

Die Entscheidung der EMA: Trotz einiger Unsicherheiten überwiege der Nutzen des Biontech-Impfstoffs auch in der Altersgruppe 12 bis 15 Jahre die Risiken, erklärte die Arzneimittelagentur nach ihrer Überprüfung. Das gelte vor allem für Kinder mit Vorbelastungen.

Der EMA lagen Daten einer US-Studie mit 1131 geimpften Kindern vor: Die Schutzwirkung lag demnach bei 100 Prozent, nach der Impfung kam es allenfalls zu leichten Reaktionen wie Müdigkeit oder Kopfschmerz. Allerdings sind Rückschlüsse über seltene Nebenwirkungen bei der relativ geringen Zahl von Probanden schwierig bis unmöglich. Das räumt auch die EMA ein. Und: Derzeit würden – sehr seltene – Fälle von Herzmuskelentzündungen untersucht, die vor allem bei unter 30-Jährigen nach der Biontech-Impfung festgestellt wurden.

Das Biontech-Vakzin ist das einzige, das schon 16-Jährigen gespritzt werden durfte, für alle anderen Impfstoffe gilt die Altersgrenze 18 Jahre. Als Nächstes will Moderna eine Zulassung für 12- bis 17-Jährige beantragen, sie dürfte im Sommer vorliegen. Moderna, Biontech und Astrazeneca testen auch Impfstoff für Kinder ab sechs Jahren oder jünger, er ist nicht vor Herbst verfügbar.

Corona-Impfungen: Wann die Kinder dran sind

Beim Impfgipfel hatten Bund und Länder beschlossen, dass sich Kinder ab zwölf Jahren ab 7. Juni generell gegen Corona impfen lassen können. Das Problem: Mit dem allgemeinen Ende der Priorisierung an diesem Tag steht ein riesiger Run auf Impftermine bevor – und zusätzlichen Impfstoff gibt es nicht. Familienministerin Christine Lambrecht (SPD) warnt schon vor einem Generationenkonflikt: "Es ist mir ganz wichtig, dass in der Frage der Impfungen die Generationen nicht gegeneinander ausgespielt werden", sagte Lambrecht unserer Redaktion. "Gerade jetzt – in der Endphase der Pandemie – sollten wir alles daransetzen, uns nicht auseinanderdividieren zu lassen und weiter als Gesellschaft zusammenzuhalten."

Bei der Impfstoffverteilung müsse berücksichtigt werden, dass für gesunde Kinder und Jugendliche nur ein geringes Risiko bestehe, schwer an Corona zu erkranken, betonte Lambrecht. Sie bedauere, dass Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) "hier unrealistische Erwartungen geweckt hat". Lambrecht stellte sich hinter die Entscheidung, die Impfung vom 7. Juni auch für Zwölfjährige freizugeben. Ärzte könnten dann am besten beurteilen, für wen es am dringlichsten sei.

Zweites Problem: In Deutschland will die Ständige Impfkommission (Stiko) erst in etwa zehn Tagen eine Empfehlung für die Kinderimpfung abgeben. Die Kommission ist zurückhaltend bis skeptisch, weil die Datenlage über mögliche Nebenwirkungen noch sehr dünn ist. Fachleute erwarten, dass die Stiko eine Impfung zunächst nur für Kinder mit Vorbelastungen empfiehlt, etwa mit Down-Syndrom, Herzfehler, Übergewicht oder Atemwegserkrankungen wie Mukoviszidose.

Impfung von Kindern: Was jetzt auf Eltern zukommt

Auf jeden Fall die Verantwortung. Sie allein haben das Entscheidungsrecht. Eltern sollen sich vor allem in Arztpraxen um einen Impftermin bemühen. Kinder- und Hausärzte sollen ihnen beratend zur Seite stehen, zusammen sollten sie "individuell abwägen", sagt Minister Spahn. Die Unsicherheit ist groß, zumal eine Empfehlung der Stiko aussteht. "Es ist eine Entscheidung, wo mögliche Spätfolgen noch nicht bekannt sind", beschreibt Ines Weber vom Bundeselternrat das Dilemma. Die Impfbereitschaft sei vorhanden, "jedoch wünschen die Eltern ausreichende Studien", sagte sie unserer Redaktion. Die Eltern sind gespalten.

Für eine umfassendere Bewertung könnte die Stiko Erkenntnisse aus den USA abwarten, wo seit Mitte Mai 400.000 ältere Kinder geimpft wurden. Aber die Daten liegen erst in einigen Monaten vor. Diese Zerrissenheit bildet auch eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey ab: 51 Prozent der Eltern, bei denen Kinder im Haushalt leben, wollen ihren Nachwuchs impfen lassen. Aber 40 Prozent sind dagegen.

Präsenzunterricht ohne Impfung? Die große Schulfrage

Bund und Länder haben sich festgelegt: Ein sicherer Schulbetrieb wird auch künftig unabhängig davon gewährleistet, wie viele Schüler ein Impfangebot wahrnehmen. Auch die Lehrer sind nicht alle erstmals, geschweige denn zweimal geimpft, erinnert der Vorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung (VBE), Udo Beckmann. Die individuelle Aufklärung zur Impfung könne auch keine Aufgabe für die Schulen sein, "nicht zuletzt, weil dann das Aggressionspotenzial von Menschen, die sich gegen Corona-Schutzmaßnahmen und Impfungen aussprechen, weiter steigt", sagte Beckmann unserer Redaktion. "Das Thema Impfung in Schulen zu bringen, provoziert, dass Schulleitung und Lehrkräfte noch mehr Aggressionen aushalten müssen."