Berlin. Die Schweiz gewann einst den allerersten ESC, doch erst vor kurzem landete sie wieder Erfolge. Kann eine Ballade das Tempo halten?

Die Schweiz hält in der Geschichte des Eurovision Song Contest (ESC) eine besondere Rolle inne: 1956 war das Land nicht nur der Gastgeber des ersten Wettbewerbs überhaupt, sondern holte mit Sängerin Lys Assia in Lugano auch gleich den ersten Sieg. Zuletzt war das Alpenland aber kaum erfolgreich, schaffte es seit der Einführung des Halbfinales nur sechs Mal ins Finale. Mittlerweile scheint die Pechsträhne vorbei zu sein.

Mit Luca Hänni landete die Schweiz 2019 auf dem vierten Platz, mit Gjon’s Tears im vergangenen Jahr sogar auf Platz drei. In der italienischen Stadt Turin soll nun der Sänger Marius Bear für die Schweiz antreten. Sein Hauptvorteil: eine unverkennbare Stimme.

Der 28-jährige Bear erinnert in seinem leicht jazzigen Klaviersong "Boys Do Cry" stilistisch an Michael Bublé. In dem Lied geht es darum "Gefühle zeigen zu können", so Bear. Durch die Unterstützung einer Fachjury und dem Publikum schaffte er es mit dem langsamen Titel schon mal durch einen Vorentscheid. Reichen eine gute Stimme und eine tiefsinnige Botschaft auch für einen guten Eindruck bei einer schnellen Show wie dem ESC?

ESC 2022: Schweizer Kandidat Marius Bear war vorher Straßenmusiker

Marius Bear war musikalisch lange vor allem abseits der Bühnen aktiv: Lange zog er als Straßenmusiker durch die Schweiz und Deutschland. Dann zog der gelernte Baumaschinenmechaniker nach New York und studierte später in London Musikproduktion. Den ESC-Beitrag "Boys Do Cry" hat er gemeinsam mit dem Kanadier Martin Gallop geschrieben.

Bear kam am 21. April 1993 als Marius Hügli zur Welt und stammt aus Enggenhütten im Kanton Appenzell Innerrhoden. Sein erstes Album veröffentlichte er 2018, danach folgten zwei weitere. Vor allem dem deutschen Publikum dürfte er aber eher durch einen Auftritt in der RTL-Rateshow "I Can See Your Voice" bekannt sein. Dort sang er im August 2020.

Eurovision Song Contest: Die Schweiz gewann zwei Mal

Die Erwartungen an Marius Bear dürften in der Schweiz nach der jüngeren ESC-Geschichte des Landes hoch sein. Trotz des historischen Starts beim allerersten Wettbewerb und einem zweiten Sieg mit Céline Dion im Jahr 1988 schnitt die Schweiz ab 1994 bis auf wenige Ausnahmen relativ schlecht ab. Bis dahin hatte das Alpenland als einziges neben Deutschland jedes Jahr am Wettbewerb teilgenommen.

Nach der Einführung der Halbfinale 2004 qualifizierte sich die Schweiz nur noch fünf Mal fürs Finale und schaffte es einmal automatisch in die Finalrunde, weil sie im Vorjahr eine so hohe Platzierung erreicht hatte. Erst in den letzten beiden ESC-Editionen qualifizierte sich die Schweiz wieder fürs Finale. Im vergangenen Jahr landete sie mit 432 Punkten sogar die höchste Schweizer Punktzahl aller Zeiten.

Ansonsten sammelte das Land neben seinen beiden Siegen vor allem Negativrekorde: Mit neun letzten Plätzen und vier Mal null Punkten zählt die Schweiz unter den erfolglosesten Ländern des Wettbewerbs. Dort hält sich im Übrigen auch Österreich auf.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.