Tschernobyl. Der Waldbrand in Tschernobyl ist immer noch außer Kontrolle. Behörden sehen keine Gefahr für die Atomruine, aber Umweltschützer warnen.
Auch mehr als eine Woche nach dem Ausbruch des Feuers um das ehemalige ukrainische Atomkraftwerk Tschernobyl sind die massiven Waldbrände offenbar noch immer nicht unter Kontrolle. Zwar erklärten die Behörden, dass für das havarierte AKW „keine Gefahr“ bestehe. Diesen Angaben widersprechen Umweltschützer allerdings.
Mit einem Großaufgebot von mehr als 400 Einsatzkräften bekämpfte die Feuerwehr den Brand am Ostermontag und setzte auch Hubschrauber und Flugzeuge zum Löschen ein. In dem radioaktiv belasteten Gebiet brannten Gras, Gestrüpp und Waldboden. „Für das Atomkraftwerk und die Lagerstätten besteht keine Gefahr“, erklärte ein ranghoher Beamter der Katastrophenschutzbehörde, Wolodymyr Demschuk, in einer Videobotschaft.
Waldbrand in Tschernobyl: Umweltschützer warnen
Der Katastrophenschutzdienst wies am Montagnachmittag Schilderungen aus sozialen Netzwerken zurück, wonach die Brände außer Kontrolle geraten seien und sich dem stillgelegten Kraftwerk und der verlassenen Stadt Prypjat näherten. Zuvor hatte der Reiseführer Jaroslaw Jemelijanenko, der geführte Touren in die Sperrzone organisiert, auf Facebook erklärt, dass das Feuer Prypjat bereits erreicht habe.
Zum aktuellen Ausmaß der Brände machten die Behörden allerdings keine Angaben. Sie verwiesen am Wochenende lediglich auf mittlerweile fast eine Woche alte Satellitenbilder, wonach ein Gebiet von etwa 3500 Hektar innerhalb des Sperrgebiets in Flammen gestanden habe.
Greenpeace: Feuer nur noch 1,5 Kilometer von Atomruine entfernt
Greenpeace Russland erklärte dagegen unter Berufung auf Satellitenbilder, das Feuer sei an der nächstgelegenen Stelle nur noch 1,5 Kilometer von der Schutzhülle um den havarierten Reaktorblock entfernt. Umweltschützer befürchten zudem, dass Radioaktivität freigesetzt werden könnte. Der Rauch zog bis in die etwa 100 Kilometer entfernte Hauptstadt Kiew. Außerdem gab es Befürchtungen, die Feuer könnten auf Lagerstätten mit radioaktiven Abfällen übergreifen.
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Der Reaktorblock 4 des sowjetischen Atomkraftwerks Tschernobyl war am 26. April 1986 bei einem Sicherheitstest explodiert. Der GAU rund hundert Kilometer nördlich der ukrainischen Hauptstadt Kiew war der schwerste Atomunfall in der Geschichte, die Umgebung des AKW ist bis heute stark verstrahlt.
Nach dem Reaktorunglück war im Radius von 30 Kilometern eine Sperrzone rund um das Kraftwerksgelände errichtet worden. Zehntausende Menschen wurden zwangsumgesiedelt. Das Gebiet ist mittlerweile für geführte Touristentouren zugänglich. Aber kommerzielle Landwirtschaft ist dort noch immer verboten.
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2019 ist der Hergang der Katastrophe neu verfilmt worden: Für die Serie „Tschernobyl“ gab einen Emmy. An den Ort des Schreckens werden immer wieder Reisen angeboten. „Dark Tourism“ nennt sich das Phänomen. Mehr als 30 Jahre nach der Reaktorkatastrophe können in Deutschland Pilze noch immer radioaktiv verseucht sein. (gem/AFP/dpa)