Hamburg. Immer mehr Schulen verbieten das Fotografieren bei der Einschulung. Ein Anwalt erklärt, ob das rechtens ist – und was dahinter steckt.

Keine Fotos bei der Einschulung: Immer mehr Schulen verbieten verbieten Müttern, Vätern und anderen Verwandten, die Kinder am ersten Schultag zu fotografieren. Das verunsichert und verärgert viele Eltern.

Stephan Dirks ist Anwalt, Urheber- und Medienrecht ist sein Fachgebiet. Im Interview erklärt er, was es mit dem Fotoverbot an Schulen auf sich hat – und warum beim Thema Bilder Sensibilität gefragt ist, gerade wenn Kinder im Spiel sind.

Wenn die Schule oder Kita ein explizites Foto-Verbot für eine Veranstaltung ausspricht: Müssen Eltern sich daran halten?

Stephan Dirks: Das kann ich klar bejahen. Denn auf dem Gelände, wo sie stattfindet, hat die Schule oder Kita Hausrecht. Da müssen wir gar nicht über Datenschutz reden. Dementsprechend kann man da auch nicht sagen: „Der Abgebildete hat aber zugestimmt.“ Wenn gesagt wird, dass hier nicht fotografiert wird, darf man es nicht. Dann müssten Eltern zum Fotos machen zum Beispiel vor die Tür gehen. Oft sind die Verbote auch so gestaltet, dass sie nur für den Zeitraum der Veranstaltung gelten oder einen bestimmten Bereich wie die Aula.

Warum werden solche Verbote überhaupt ausgesprochen?

Dirks: Das ist eine gute Frage. Auf der einen Seite hat es damit zu tun, dass das Thema Datenschutz durch die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und die öffentlichen Debatten darüber so hochgespült worden ist. Obwohl sich an den Voraussetzungen, unter denen man Menschen ablichten und Fotos veröffentlichen darf, nichts geändert hat. Das Andere ist, dass im Gegensatz zu früher heute jeder in Form seines Smartphones eine vernetzte Kamera in der Tasche hat. Und dass nicht alle mit der Verantwortung, die das mit sich bringt, gut umgehen. Da haben sich wahrscheinlich Schulen oder Kitas überlegt: Wie lösen wir das auf? Die einen wollen immer alles fotografieren. Die anderen sagen: „Ich möchte nicht in jedem Facebook-Feed sein.“ Solche Überlegungen werden zum Teil zu den Verboten geführt haben.

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Macht denn die DSGVO Schulen und Kitas spezielle, neue Vorgaben im Umgang mit Fotos? Dokumente, in denen Eltern angeben müssen, ob ihre Kinder etwa in der Schule fotografiert werden und in welchen Zusammenhängen die Bilder dann genutzt werden dürfen, gibt es doch schon lange.

Dirks: Nein, das ist nichts Neues. Ich glaube, im Zusammenhang mit der DSGVO gibt es bei vielen Menschen ein ziemliches Missverständnis – dass der Datenschutz nun alle Lebensbereiche durchdringt, und man auf einmal ganz viele Dinge beachten muss. Aber das war tatsächlich schon immer so. Das Gesetz, das für die Veröffentlichung von Bildern gilt, ist das Kunsturhebergesetz, und dieses wurde Anfang des vergangenen Jahrhunderts erlassen. Dort steht drin: Wenn Fotos von Menschen veröffentlicht werden, müssen sie vorher gefragt werden.

Wenn nun bei der Einschulung kein Foto-Verbot gilt: Macht es dann einen Unterschied, ob man ein Foto nur für das private Fotoalbum macht oder es etwa auf Instagram posten möchte?

Dirks: Das macht einen Riesenunterschied. Sein altmodisches Fotoalbum kann man wie vor 30 Jahren befüllen. Das Problem sind mit dem Smartphone aufgenommene Bilder, die oft nicht nur auf dem Gerät sondern in einer Cloud – also auf einem Server – gespeichert werden. Das ist schon etwas, was eine Einwilligung erfordert. Wer ein Bild mit einem Smartphone macht, ist rechtlich gesehen eher in einem Risikobereich als bei Aufnahmen mit einer normalen Kamera.

Wer Fotos macht, auf denen auch andere Kinder zu sehen sind, muss viel bedenken.
Wer Fotos macht, auf denen auch andere Kinder zu sehen sind, muss viel bedenken. © dpa | Moritz Frankenberg

Wer ein Bild von seinem Kind macht, auf dem auch ein fremdes Kind zu sehen ist, und dieses Foto nur lokal auf dem Smartphone speichert und später etwa in einem Drogerie-Geschäft ausdruckt, um es anschließend in sein Familienalbum zu kleben, darf das aber ohne Zustimmung des anderen machen. Man darf es nur nicht elektronisch verteilen oder etwa auf Instagram posten, ohne vorher gefragt zu haben.

Macht es einen Unterschied, ob man auf einem Schulfest oder einer Kita-Feier eine Menschenmasse fotografiert, oder sein Kind mit zwei anderen Kindern ablichtet, die klar zu erkennen sind?

Dirks: Ja. Als Faustregel gilt: Je individualisierter Sie eine andere Person fotografieren, desto eher müssen Sie fragen. Wenn Sie eine riesige Gruppe haben, haben Sie keine porträtartige Fotografie mehr. Das ist dann so ähnlich wie eine Versammlung, und solch ein Bild darf man im Grundsatz veröffentlichen. Allerdings gibt es Ausnahmen. Etwa, wenn ein Kind sich übergeben hat, und in der Gruppe erkennbar ist, sollte man davon absehen. Es ist im Zweifel eine Frage der Abwägung. Wenn ein Verbot erteilt wurde, ist die Sache eh klar: Dann darf man ja schon gar keine Fotos machen.

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Was können Eltern aus dieser Verbots-Diskussion lernen?

Dirks: Ich habe den Eindruck, dass man leicht als Querulant angesehen wird, wenn man darauf aufmerksam macht, dass diese Verbote vielleicht nicht zum Spaß passieren. Das Bewusstsein, dass man sich über Fotos unterhalten muss, muss gestärkt werden, besonders in der Schule. Bei älteren Kindern etwa geht es schnell um Cyber-Mobbing, wenn Fotos heimlich gemacht und auf WhatsApp geteilt werden. Wenn man frühzeitig alle Beteiligten an den Tisch holt und sich fragt, wie es mit Fotos laufen soll, wäre das besser als Verbote auszusprechen. Leute müssen eben einsehen, dass es kein Recht darauf gibt, sich ungefragt Datenspeicher mit Fotos anderer Leute zu füllen. So kommt man, glaube ich, auf einen guten Weg.

(dpa/moi)