Berlin. Eine Kita in Hamburg spricht sich gegen Indianer- und Scheichkostüme aus. Es solle kultursensibel und vorurteilsfrei gefeiert werden.

Können Kostüme Gefühle verletzen? Und wann sind Verkleidungen nur gut gemeint – aber nicht gut? Eine Kita in Hamburg hat in diesem Jahr dazu eine Entscheidung getroffen. Und Eltern darauf hingewiesen, dass Indianer- und Scheichkostüme nicht erwünscht sind. Das sorgte für viel Wirbel.

Die Aufregung war so groß, dass sich die Kita nun gegen Vorwürfe und Anfeindungen wehren muss. Wie die Leiterin Petra Wagner dem NDR erzählt, habe die Kita viele Zuschriften erhalten, in denen die die Mitarbeiter beschimpft und beleidigt worden seien.

„Wir werden beschimpft oder mit Goebbels verglichen. Und viele empören sich darüber, dass das Bundesfamilienministerium unsere Arbeit mit Geld unterstützt.“ Aber es gebe auch Solidaritätsbekundungen, sagt sie.

Schon länger Einsatz für vorurteilsfreie Kostüme an Kita in Hamburg

Dabei hatte sich die Leitung der Einrichtung im Stadtteil Ottensen für vorurteilsfreie Kostüme eingesetzt. Schon vor Jahren veröffentliche die Kita eine Broschüre, in der auf ein vorurteilsbewusstes Fasching aufmerksam gemacht wurde.

„Wir achten im Kitaalltag sehr auf eine kultursensible, diskriminierungsfreie und vorurteilsbewusste Erziehung“ und das solle sich auch an Faschingstagen nicht ändern, hieß es.

Kita will fürs Thema sensibilisieren und Stereotype vermeiden

Deshalb bat sie um Verkleidungen, die keine Stereotype wie Geschlecht, Hautfarbe und Kultur bedienen. Zuerst hatte die „Hamburger Morgenpost“ berichtet.

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    Beim politischen Aschermittwoch griff auch CSU-Chef Markus Söder die Entscheidung der Kita auf. „Wenn die Welt wüsste, über welchen Quatsch wir streiten, hätte sie keine Angst oder Respekt mehr vor uns.“ Stattdessen, so Söder weiter, sollte man sich auf die wirklich wichtigen Dinge kümmern. Auch CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer reagierte – die Deutschen seien derzeit sehr verkrampft.

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      Immer wieder Kritik an Indianer-Kostümen – es geht um Cultural Appropriation

      Markus Söder (l.) und Markus Weber.
      Markus Söder (l.) und Markus Weber. © dpa | Peter Kneffel

      Seit Jahren gibt es immer wieder Kritik an Indianer-Kostümen. Auch, daran dass zum Beispiel der typische Kopfschmuck als Mode-Accessoire nicht nur für Karnevalsfeiernde, sondern auch unter Festivalgängern sehr populär ist.

      Teils extrem wichtige Symbole indigener Völker würden zu Accessoires verkürzt, sagen Kritiker, die dadurch Bedeutung für die Schöpfer und deren Kulturen missachten. Über die Problematik informiert etwa die Seite „Was ist Rassismus“.

      Zudem werde die Geschichte des „Wilden Westens“ glorifiziert und dabei ignoriert, dass unzählige Ureinwohner der USA getötet und enteignet wurden. Und nun der Unterhaltung dienten, ohne, dass jemand sich Gedanken über die Hintergründe machen würde.

      Der Begriff „Cultural Appropriation“, kulturelle Aneignung, bezeichnet in diesem Zusammenhang die gedankenlose Verwendung bestimmter Symbole von Ethnien und Gemeinschaften.

      Es geht der Kita nicht um die Moralkeule

      Der Trägerin der Einrichtung, die städtische Elbkinder Vereinigung Hamburger Kitas, steht hinter der Idee. „Es geht dabei überhaupt nicht darum, die Moralkeule zu schwingen“, sagte die pädagogische Geschäftsführerin Franziska Larrá am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur.

      Auch bei Erwachsenen sind Indianerkostüme beliebt.
      Auch bei Erwachsenen sind Indianerkostüme beliebt. © dpa | Federico Gambarini

      Vielmehr gehe es um Sensibilisierung. „Wir wollen inklusiv sein und nicht mit Stereotypen Menschen verletzen.“ Eine Faschingsvorgabe an die 185 Elbkinder-Kitas habe es nicht gegeben. Beschwerden über den Wunsch der Kita-Leitung, Fasching ohne Indianer und Scheichs feiern zu wollen, habe es übrigens nicht gegeben, sagte Larrá.

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        Im Gegenteil: „Es haben sich bei der Leitung nur Eltern gemeldet, die das total gut fanden. Die haben sich gefreut, dass dafür eine Sensibilität geschaffen wurde.“ Ob am Ende doch Scheichs oder Indianer auf der Faschingsfeier in Ottensen waren, konnte Larrá nicht sagen: „Wenn ein Indianer gekommen ist, ist er sicherlich willkommen gewesen.“

        Europäische Fantasie, die nichts mit der Realität zu tun habe

        Karnevalskostüme können für reichlich Wirbel sorgen.
        Karnevalskostüme können für reichlich Wirbel sorgen. © dpa | Boris Roessler

        Selten werden so viele rassistische Klischees bedient wie im Karneval. Deiters und Real erhielten Rassismusvorwürfe wegen des Karnevalskostüms „Afrikanische Dame“. Es wurde aus dem Programm genommen. Weiterhin verfügbar sind aber auch „Gipsys“ und „Asiatische Schönheit“.

        Der „Stern“ sprach vor Karneval mit der Kölner Afrikanistik-Professorin Marianne Bechhaus-Gerst. Natürlich gebe es rassistische Kostüme, sagte sie. „Gerade hier in Köln gibt es noch eine ganze Reihe von Karnevalsvereinen, die Blackfacing vornehmen. Das heißt, sie verkleiden sich als Fantasie-Afrikaner mit Baströckchen und Knochenkette, mit denen sie dann alte, stereotype Bilder bedienen.“

        „Man ist damit nicht unbedingt Rassist. Aber es ist eine rassistische Verkleidung.“ Es treffe Menschen, die sich reduziert fühlten. Sie bezeichnet Indianerkostüme als europäische Fantasie, die nichts mit der Realität zu tun habe. (ses/dpa)

        Das Interview, das der NDR mit der Kita-Leitung geführt hat, finden Sie hier.

        Der Satiriker Dieter Nuhr meldete sich bei der Talkshow „3 nach 9“ von Radio Bremen zu Wort. „Ich glaube, dass man, was Minderheiten angeht, oft ein bisschen überempfindlich ist. Zum Beispiel glaube ich nicht, dass es Indianer wirklich stört, wenn bei uns Kinder im Indianerkostüm herumlaufen.“ Da es in der Debatte zeitweise auch um Scheich-Verkleidungen ging, sagte er: „Der Scheich ist für mich keine verfolgte Minderheit“.

        Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung dieses Artikels hieß es, dass die Kita Indianerkostüme verbiete. Das ist nicht der Fall. Wir bitten diese Ungenauigkeit zu entschuldigen.