Berlin. Ein Hartz IV-Bezieher sollte 74.000 Euro zurückzahlen, weil das Jobcenter sein Haus für zu groß hielt. Nun wurde er freigesprochen.
Die Forderung eines Jobcenters in Höhe von 74.000 Euro sorgt derzeit für Wirbel. So viel sollte ein Arbeitsloser bezahlen, weil er wegen eines zu großen Hauses zu viel an Leistungen bezog – das meinte zumindest das Jobcenter und verdonnerte ihn zu Rückzahlung. Am Ende ging die Sache nochmal gut für den Mann aus.
Der Fall zeigt: Wer Hartz IV bezieht und gleichzeitig seine Wohnung vermietet, sollte vorsichtig sein – besonders, wenn man sich mit den Gesetzen nicht so auskennt. Grund für die Verwirrungen waren zwei Urteile aus der Vergangenheit. Sie hatten zu unterschiedlichen Interpretationen geführt. Was war geschehen? Das Jobcenter befand, dass die Wohnung des Mannes zu groß sei.
Nach Ansicht der Behörde habe er Leistungen zu unrecht bezogen. Doch ein Gericht urteilte nun anders und sprach den Mann frei. Damit kann er aufatmen.
Lange wurde er wegen der Angelegenheit als „Hartz-IV-Betrüger“ bezeichnet. Jetzt ist er freigesprochen worden. Er darf nicht nur das Geld behalten, das Jobcenter muss nun auch alle anderen in dem Prozess entstandenen Kosten bezahlen.
Hartz-IV-Empfänger freigesprochen – Das Wichtigste in Kürze:
- Ein Hartz-IV-Empfänger sollte mehr als 74.000 Euro zurückzahlen, weil er nach Ansicht des Jobcenters unrechtmäßig Leistungen bezogen hatte.
- Doch der Entscheidung lag ein Missverständnis über eine vermeintlich zu große Wohnung zugrunde.
- Am Ende wurde der Mann freigesprochen.
Das Sozialgericht Koblenz hatte ihn vor zwei Jahren zu einer Rückzahlung von erhaltenen Leistungen in Höhe von 74.163,62 Euro verurteilt. Diese Entscheidung hat das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz nun gekippt.
Hartz IV: Wohnraum muss angemessen sein
Wie kam es genau dazu? Wie die „Rhein-Lahn-Zeitung“ berichtet, lebte der Mann in einem Einfamilienhaus. Teile des Hauses hatte er vermietet. Es kam zu einem Streit mit dem Jobcenter, in dem es um die Angemessenheit des Hauses ging.
Wer Hartz IV bezieht, erhält vom Jobcenter eine Kostenerstattung für Ausgaben für Unterkunft und Heizung.
- Dies gilt jedoch nur, wenn der Wohnraum angemessen ist.
- Angemessen ist er dann, wenn Größe und Kosten den örtlichen Vorgaben entsprechen.
- Die Grenzen unterscheiden sich regional.
Das Jobcenter schätzte die Gesamtfläche der Immobilie als unangemessen ein. Der Mann hatte im Jahr 2004 100 Quadratmeter Gesamtwohnfläche angegeben, von der er 73,72 Quadratmeter selbst bewohnte und 25,15 Quadratmeter vermietet hatte.
Zwei unterschiedliche Urteile sorgten für Verwirrung
2005 bezeichnete die Bundesagentur für Arbeit eine Wohnfläche bei Einfamilienhäusern bis zu 130 Quadratmetern als angemessen. 2007 lautete ein Urteil des Bundesgerichtshof jedoch, dass für Einfamilienhäuser mit bis zu zwei Bewohnern eine Wohnfläche von nur noch 90 Quadratmetern angemessen sei.
Das Sozialgericht Koblenz hatte sich bei seinem Urteil auf die Regelung aus dem Jahr 2007 bezogen und den Mann zu einer Rückzahlung der über die Jahre zu Unrecht erhaltenen Leistungen in Gesamthöhe von 74.163,62 Euro verurteilt.
Zwei Jahre später erklärte das Landessozialgericht im Berufungsverfahren, dass von dem Leistungsbezieher nicht zu erwarten sei, dass er „die fehlende Übereinstimmung des Verwaltungsaktes mit dem geltenden Recht erkennt“, wie hartziv.org berichtete. Demnach sei dem Mann keine grob fahrlässige Unkenntnis zu unterstellen und er müsse die 74.163,62 Euro nicht zurückzahlen.
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Hartz IV steht oft in der Diskussion
Hartz IV ist seit Jahren ein Reizthema. Eine neue Erhebung kam vor kurzem zu dem Schluss, dass jeder fünfte Hartz-IV-Bezieher nicht genug Geld für die Miete bekommt.2018 forderten die Jobcenter von Hartz-IV-Empfängern fast 2,6 Milliarden Euro zurück.
In der Kritik stehen vor allem Kürzungen: Sanktionen – Wenn das Jobcenter sogar Hartz IV kürzt.
(msb)