Berlin. Eisbärin Hertha ist bei den Besuchern des Tierpark Berlins sehr beliebt. Nun ist die Aufregung groß: Sie stammt aus einer Inzucht.

Schockierende Nachrichten für den Tierpark Berlin: Eisbärennachwuchs Hertha kommt aus einer Inzucht und weitere Zuchtpläne müssen erste einmal gestoppt werden. Am Dienstag bestätigte Zoo- und Tierparkchef Andreas Knieriem, dass Herthas Eltern aus einem Moskauer Zoo kamen und Geschwister sind.

Eine Genanalyse habe Klarheit gebracht. Für ihn sei das „ein Stück weit unangenehm“ und ärgerlich. Für viele im Tierpark sei die Nachricht ein Schock gewesen. Die gute Nachricht: Publikumsliebling Hertha bleibe vorerst in Berlin, ebenso wie Eisbärenmutter Tonja.

Eisbärin Hertha: Inzucht durch Verwechslung der Eisbären

Es ist eine Verwechslungsgeschichte mit weitreichenden Folgen. Die 2009 im Moskauer Zoo geborene Tonja sei dort nach ihrer Geburt vertauscht und falschen Papieren zugeordnet worden, so Knieriem. Die Eisbärin, die 2011 in den Tierpark kam, soll nun keinen weiteren Nachwuchs bekommen, da die Abstammungslinie ihrer Eltern in Europa schon sehr stark repräsentiert sei. Herthas Vater Wolodja ist seit 2019 nicht mehr in Berlin, er sollte in einem niederländischen Tiergarten für Nachwuchs sorgen.

Eisbären gelten als Symbol für die bedrohte Natur auch durch den Klimawandel. In Freiheit leben noch geschätzt etwa 20.000 bis 25.000 der bedrohten Tiere. Viele Tiergärten wollen zum Erhalt der Art beitragen, indem sie sie als Botschafter für ihre wildlebenden Artgenossen zeigen. Sie sind zudem Publikumsmagneten. Der wohl bekannteste war Knut: 2006 geboren und per Hand aufgezogen, sorgte der Eisbär für einen großen Ansturm von Fans im Zoo im Westen der Hauptstadt. Er starb später an einer Gehirnentzündung.

Moskauer Zoo wusste nichts von Verwandschaft der Eisbären

Im Fall Tonjas waren der Biologin des Moskauer Zoos Marina Galeshchuk bei der Durchsicht von älteren Unterlagen widersprüchliche Angaben zum Geburtsdatum der Eisbärin aufgefallen. Bei einer anderen Eisbärenfamilie in Moskau war beinah zeitgleich zu Tonjas Geburt ein weiteres weibliches Jungtier geboren worden.

Galeshchuk ist seit Sommer 2020 auch Koordinatorin des Europäischen Erhaltungs-Zuchtprogramms für Eisbären. In einer Mitteilung von Tierpark und Zoo wird sie mit den Worten zitiert: „Wäre uns das Verwandtschaftsverhältnis zwischen Tonja und Wolodja bekannt gewesen, hätten wir die beiden Eisbären selbstverständlich nicht für eine Zucht empfohlen. Das war ein Fehler.“

Tierschützer kritisieren Eisbär-Zuchtprogramme der Zoos

Tierschützer kritisieren seit langem die Eisbärenhaltung in Zoos. Schon 2013 hatte es Warnungen gegeben, dass Wolodja und Tonja verwandt sein könnten und nicht „zur Zucht missbraucht“ werden dürften. „Es ist mehr als bedauerlich, dass die Befürchtungen seitens des Tierschutzes nun Jahre später bestätigt werden“, erklärte James Brückner, Leiter des Artenschutzreferats beim Deutschen Tierschutzbund. Die nun bekanntgegebene Verwechslung sei ein „Desaster für die ohnehin fragwürdigen Zuchtbemühungen für Eisbären in Zoos“.

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    Zuchtprogramme in Zoos könnten zwangsläufig nur auf einen kleinen Genpool zurückgreifen, erklärte Brückner. Da Probleme wie hohe Jungtiersterblichkeit und Verhaltensstörungen mit der Haltung von Eisbären in Zoos einhergingen, forderte er, dass Zoos künftig auf Haltung und Zucht der Art verzichten. Der Schutz des Lebensraums in der Arktis und der Kampf gegen den Klimawandel seien die einzig erfolgversprechenden Möglichkeiten, um Eisbären vor dem Aussterben zu bewahren.

    Inzucht hat keine negativen Folgen für Eisbärin Hertha

    Der Tierpark hatte in den vergangenen Jahren schon mehrfach schlechte Nachrichten wegen der Eisbärenzucht zu verkraften. Mehrere Jungtiere von Tonja überlebten nicht - darunter der kleine Fritz, der 2017 überraschend an den Folgen einer Leberschädigung starb.

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    Achim Gruber, Direktor des Instituts für Tierpathologie an der Freien Universität, sagte laut Tierpark-Mitteilung, mit hoher Wahrscheinlichkeit sei ein Zusammenhang zwischen der Inzucht und dem Tod der Jungtiere auszuschließen. Am Dienstag antwortete Gruber auf die Frage, was die Inzucht für Hertha bedeute: „Nichts“. Bei einem Fall von Inzucht in einer Eisbären-Generation seien keine negativen Folgen für Nachkommen zu erwarten.

    Knieriem betonte, es gebe keine Schuldzuweisungen an die Moskauer Einrichtung. Es sei ein menschlicher Fehler passiert. Zudem habe es in diesem Fall Transparenz gegeben. In Berlin bekämen neu geborene Tiere einen Transponder, um Verwechslungen auszuschließen. Eisbärin Hertha, benannt nach dem Berliner Fußballclub, wird auch künftig gut versorgt sein, versicherte eine Sprecherin. „Die Sponsoren stehen an unserer Seite.“

    (msb/dpa)