Amatrice. Nach dem verheerenden Erdbeben wurde fast nichts im zentralitalienischen Amatrice wiederaufgebaut. Die Corona-Krise ist eine Chance.

In Amatrice scheint die Zeit seit dem verheerenden Erdbeben von 2016 stehen geblieben zu sein. Die nach der Katastrophe auf einen Haufen Schutt reduzierte Altstadt ist einer unheimlich anmutenden leeren Fläche gewichen.

Aus Angst vor Corona-Infektionen an überfüllten Touristenzielen zieht es in diesem Sommer mehr Urlauber in die Bergregion nördlich von Rom. Dabei stoßen sie auf unberührte Landschaften und zerstörte Bergdörfer, zwischen deren Trümmern Wildblumen blühen.

In der Vergangenheit war die Linsenblüte auf dem Hochplateau bei Castelluccio ein Insidertipp. Das Erdbeben von Amatrice zerstörte den Ort oberhalb der Linsenfelder fast vollständig, machte das einzigartige Naturschauspiel jedoch ungewollt weltberühmt.

Aus Angst vor Corona: Italiener machen Urlaub in Amatrice

Aus Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus kommen diesen Sommer so viele Urlauber auf das Hochplateau wie lange nicht. Wagen und Wohnmobile stauen sich auf den engen Zufahrtsstraßen. Mit Handys und Kameras traten sie trotz Verbotsschildern auf die Felder, um die surreale Farbmischung aus Gelb, Rot, Grün und Violett zu fotografieren.

Wer von der Via Salaria aus, der alten Salzstraße der Römer, über die Berge auf das Hochplateau fährt, stößt vielerorts auf Trümmer. In Arquata del Tronto, einem der am stärksten vom Erdbeben mit seinen insgesamt rund 300 Toten zerstörten Ort, ist es, als habe sich seit der Naturkatastrophe nichts verändert. Schilder am Ortseingang verbieten den Zugang zum Dorf am steilen Berghang. Wanderer und Fahrradfahrer erkunden dennoch den Ort.

Nach dem verheerenden Erdbeben 2016 wurde in Amatrice fast nichts wiederaufgebaut. Das Leben geht in Fertighäusern weiter.
Nach dem verheerenden Erdbeben 2016 wurde in Amatrice fast nichts wiederaufgebaut. Das Leben geht in Fertighäusern weiter. © picture alliance / NurPhoto | dpa Picture-Alliance / Lorenzo Di Cola

In einem Haus ohne Fassade weht noch das Laken eines Bettes im Wind. Das Leben der Bewohner der kleinen Ortschaft geht derweil in Fertighäusern weiter. Von Wiederaufbau keine Spur.

Corona-Krise als neue Chance für das Erdbebengebiet

Inmitten der Bitterkeit über den mangelnden Wiederaufbau und die dadurch beschleunigte Entvölkerung der Region bietet ausgerechnet di Corona-Krise neue Chancen. Paolo Santini verzeichnet in seiner Locanda del Poeta in Posta mehr Buchungen als je zuvor.

Der Ort an der Via Salaria verdankt seinen Namen der einstigen Funktion als Poststation. Auch hier beschädigte das Erdbeben 60 Prozent der Häuser, die meisten wurden mittlerweile wieder instand gesetzt. Das kleine Gasthaus mit wenigen Zimmern über dem Restaurant für Spezialitäten aus der trotz der relativen Nähe zu Rom abgelegen wirkenden Region blieb unbeschädigt.

Deutsche Urlauber schätzen die Spezialitäten der Region

Santini setzt sich als Stadtrat von Posta für einen Ausbau des touristischen Angebots ein. Denn was für deutsche Urlauber auf der Suche nach dem ursprünglichen Italien ein Gewinn ist, erscheint ihm als Mangel: keine Vergnügungsangebote, nur wilde Bergpanoramen und gutes Essen aus dem, was die Region zwischen Latium, Umbrien und den Marken seit jeher bietet.

Neben Trüffeln und der seit dem Erdbeben weltberühmten Ama­triciana-Nudelsoße bieten Hirten Käse und Fleisch von Schafen an, die sie im Sommer auf Bergwiesen hüten. Eine nahe gelegene Brauerei würzt dazu ihr nach den Höhenlagen Alta Quota genanntes Bergbier mit Dinkel, Gerste und Stangensellerie. Ein Urlaub mit Nachhaltigkeitsfaktor.

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