Berlin. Der Entertainer Jürgen von Lippe spricht über sein TV-Comeback, Hass im Internet, Greta Thunberg und frivole Witze in Zeiten von MeToo.

  • Um Jürgen von der Lippe ist es zuletzt ziemlich ruhig geworden: Nur noch selten sah man den Comedian im Fernsehen
  • Seine Auftritte werden aber immer noch gut besucht – viele sind ausverkauft
  • Seit diesem Jahr ist von der Lippe mit einer neuen Show im WDR zu sehen
  • Im Comedytalk „Nicht dein Ernst!“ (ab 26.1., 22.15 Uhr, WDR) bespricht er mit prominenten Gästen knifflige Alltagsfragen
  • Im Interview mit unserer Redaktion spricht Jürgen von der Lippe nicht nur über seine neue Sendung, sondern auch über Greta – und zitiert dabei Max Goldt
  • Seine Aussagen klingen wie eine Generalabrechnung

Jürgen von der Lippe ist wieder da: Das Urgestein unter den deutschen Showmastern hat sich zuletzt auf dem Bildschirm rar gemacht, jetzt feiert der Mann mit den bunten Hawaiihemden ein TV-Comeback.

Im Comedytalk „Nicht dein Ernst!“ (ab 26.1., 22.15 Uhr, WDR) bespricht er mit prominenten Gästen knifflige Alltagsfragen wie etwa: Darf ich es als Partygast sagen, wenn das Essen nicht schmeckt? Co-Moderatorin ist Sabine Heinrich.

Jürgen von der Lippe mit neuer Show im Fernsehen

In Ihrer neuen TV-Sendung geht es um knifflige Anstandsfragen. Wie wichtig ist Ihnen gutes Benehmen?

Jürgen von der Lippe: Ich bin ein großer Freund guter Manieren, gerade weil sie vielfach nicht mehr vorhanden sind. Das sehe ich mit einem gewissen Bedauern. Das Siezen zum Beispiel bietet die hervorragende Möglichkeit, einem etwas übergriffigen Gegenüber zu signalisieren, dass man seine Vertraulichkeit nicht möchte.

Wo ist die Etikette Ihrer Meinung nach auf dem Rückzug?

von der Lippe: Es ändert sich einiges in Zusammenhang mit Emanzipation und MeToo. Ich bin ein großer Fan der alten Schule, wo alle Männer aufstehen, wenn eine Frau den Raum betritt, wo man einer Dame den Mantel abnimmt, wo man ihr den Stuhl zurechtrückt. Damit bin ich ja nun groß geworden. Heute muss man aber damit rechnen, dass einem das um die Ohren geschlagen wird, dass eine Frau sagt: „Hören Sie mal, ich bin kein Kind, ich kann das alleine.“

Gibt es Gelegenheiten, bei denen Sie nur mit Mühe höflich bleiben? Zum Beispiel bei Ärgernissen im Straßenverkehr oder wenn Fans beim Selfie-Machen allzu umständlich sind?

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Die "Nicht dein Ernst"-Moderatoren Jürgen von der Lippe (li.) und Sabine Heinrich mit ihrem Gast, Moderator Frank Plasberg. Am Sonntag (22.15 Uhr) wurde die erste Folge im WDR ausgestrahlt. © dpa | Henning Kaiser

von der Lippe: Zugegeben, die Selfie-Geschichte zerrt an den Nerven. Nach einer Veranstaltung wollten die Leute früher Autogramme, heute möchten sie ein Selfie – das ist ja prinzipiell auch kein Problem. Aber viele fummeln dann hektisch an ihren Handys rum, es dauert ewig, und wenn es dann schon der hundertste ist, komme ich manchmal an meine Grenzen.

Die Leute gehen davon aus, dass der lustige alte Mann, der sie gerade zweieinhalb Stunden lang bespaßt hat und wofür sie viel Geld bezahlt haben, danach individuell weiter zur Verfügung steht. Ich verstehe das. Aber eigentlich möchte ich manchmal sagen: „Leute, ich kann nicht mehr, das war’s.“ Aber das denke ich natürlich nur.

In den sozialen Medien fehlt oft jeder Anstand…

von der Lippe: Social Media hat große Vorteile. Zustände wie im Iran oder China können nicht mehr geheim gehalten werden, die Welt erfährt, wie Regierungen mit ihren Bürgern umspringen. Der Nachteil ist, dass der Anstand vollkommen verloren geht – wenn ich nur an die Beschimpfungen von Renate Künast denke. Das ist unfassbar.

Wurden Sie selber schon virtuell angehasst?

von der Lippe: Eigentlich kaum, ich bin ja zum Beispiel gar nicht bei Instagram oder TikTok aktiv. Das kostet einfach zu viel Zeit. Ich merke, dass der Tag nicht mehr genug Stunden hat, damit ich mein normales Pensum hinkriege. Ich bringe alle zwei Jahre ein Buch raus und alle zwei Jahre ein Bühnenprogramm. Dazu kommen Dinge wie ein Vortrag, den ich an der Uni Düsseldorf halte, über den Einfluss der alten Sprachen auf meine Comedy. Da habe ich zugesagt, weil das genau mein Ding ist – aber sowas schreibt sich auch nicht von alleine.

Im Fernsehen sah man Sie zuletzt nicht mehr so oft…

von der Lippe: Fernsehen ist für mich kein Hauptthema. Ich bin mein eigener Unternehmer, und solange die Leute in meine Veranstaltungen kommen, bin ich zufrieden. Ich habe das Glück, mit 71 ständig ausverkauft zu sein, was ich sehr genieße. Offenbar habe ich in den Jahrzehnten meiner Tätigkeit ein Stammpublikum davon überzeugen können, dass es sich lohnt, meine Auftritte zu besuchen.

Jürgen von der Lippe: Greta Thunberg nervt ihn

Sie gelten als Meister des anzüglichen Humors. Kann man sich frivole Witze in Zeiten von MeToo noch leisten, ohne als alter weißer Mann beschimpft zu werden?

von der Lippe: Der alte weiße Mann ist eine dreifache Diskriminierung – wegen der Hautfarbe, des Alters und wegen des Geschlechts. Ich fürchte aber in der Tat, dass wir einem Zeitalter der Prüderie entgegengehen, wie man es aus den USA kennt, wo sie im Fernsehen vermutlich zeigen können, wie eine Frau gevierteilt wird, aber „No Nipples!“.

Ich stelle allerdings auch fest: Die Leute haben es satt, erzogen zu werden. Und die Leute haben Greta satt. Wenn sich so ein Mädel hinstellt und die Weltmächtigen anschreit „How dare you!“, und die dann kuschen, ist das für mich Comedy. Max Goldt hat mal gesagt: Wenn die Kritik an Zuständen mehr nervt als die Zustände selber, dann muss man aufpassen, und so weit sind wir gerade.

Greta Thunberg- Es gibt Hoffnung, ich habe sie gesehen

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