Berlin. Eine Rettungssanitäterin hilft einem Unfallopfer. Retten kann sie das Mädchen nicht. Nach der Schicht klingelt die Polizei bei ihr.

Am 15. November wird Jayme Erickson zu einem Unfall gerufen. Der Einsatzort ist ein vereister Highway in der kanadischen Provinz Alberta. Sie findet eine junge Frau, ihre Verletzungen sind schwer. Auf spiegelglatter Straße war ihr Auto in einen entgegenkommenden Lastwagen geschlittert. Der Fahrerin passiert nichts, doch die Beifahrerin bleibt eingeklemmt im Wrack zurück.

Erickson klettert hinein. Der Rettungssanitäterin ist schnell klar: Helfen kann sie dem Mädchen nicht mehr. Die Verletzungen sind zu schwer. So schwer, dass Erickson nicht mal erkennt, wem sie da eigentlich helfen soll.

Eine halbe Stunde lang, so berichtet es der britische „Guardian“, steht sie der jungen Frau bei, während die Feuerwehr versucht, sie aus dem Auto zu befreien. Bis zum Eintreffen des Helikopters bleibt sie an ihrer Seite, der Hubschrauber fliegt sie dann aus, nach Calgary, ins Krankenhaus.

Ihre Arbeit ist getan, das Schichtende naht. Erickson fährt nach Hause. Ihrem Mann erzählt sie noch von dem Unfall und davon, wie sie Trauer und Frust darüber verspürt, dass eine Familie wohl ein Kind verlieren wird. Dann klingelt es, vor der Tür steht die Polizei.

Mutter trauert nach Unfall: „Wer wärst du geworden?“

Die Beamten erklären ihr, ihre Tochter Montana, 17 Jahre alt, sei Opfer eines schweren Unfalls geworden. Die Verletzungen waren „nicht mehr mit dem Leben vereinbar“ gewesen, lebenserhaltende Maßnahmen seien abgestellt worden. Montana ist tot.

„Die schwer verletzte Patientin, der ich gerade noch versucht hatte, zu helfen, war mein eigenes Fleisch und Blut. Mein einziges Kind. Mein Mini-Ich. Meine Tochter, Montana“, schreibt sie an ihre Familie, ihre Freunde. „Ich bin zwar dankbar für die 17 Jahre, die ich mit ihr hatte. Aber ich bin zerstört und mir bleibt nur die Frage: Was hättest du werden können, mein kleines Mädchen? Wer wärst du geworden?“

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Ihre Tochter sei ein „Kracher“ gewesen, wird sie später Journalisten erzählen, eine Kämpferin und wunderschön. Bei der Pressekonferenz im Heimatort Airdrie stehen ihr Familie und Kollegen zur Seite. Richard Reed, der mit Erickson am Unfallort war, wird mehrmals in Tränen ausbrechen. Die beiden Mädchen hätten Hunde ausgeführt und waren auf dem Weg nach Hause, als sie die Kontrolle über ihr Fahrzeug verloren. „Als Elternteil und Rettungssanitäter kann ich ihnen sagen, das geht weit über jeden Albtraum hinaus, den sie sich ausmalen können“, wird Reed das Erlittene beschreiben.

Die Mutter wird sagen, ein letztes Geschenk habe ihre Tochter, eine Leistungsschwimmerin mit Jura-Ambitionen, machen können. „Sie konnte ihre Organe spenden. Zwei davon haben anderen das Leben gerettet.“ Sie seien glücklich darüber, „dass unser kleines Mädchen in anderen weiterleben darf und dass sie andere Menschen retten durfte.“ Montana würde das gewollt haben.

Dieser Artikel erschien zuerst bei morgenpost.de.