Berlin. Christian Pfeiffer sollte den Missbrauch in der katholischen Kirche untersuchen. Das habe Kardinal Marx verhindert, so der Kriminologe.

Für sein Rücktrittsgesuch im Missbrauchsskandal der katholischen Kirche erhielt Kardinal Reinhard Marx Anfang Juni große Anerkennung. Das änderte sich auch nicht, als Papst Franziskus das Ansinnen in Rekordzeit ablehnte. Der bekannte Kriminologe Christian Pfeiffer kann die Respektsbekundungen für den Bischof von München und Freising nicht nachvollziehen – im Gegenteil.

"Er verschweigt, dass er die Transparenz mit Füßen getreten hat, dass er der Vorkämpfer der Intransparenz war", sagt Pfeiffer, der bis 2015 das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen leitete. Aus dieser Zeit rührt Pfeiffers persönliche Geschichte mit Marx.

Pfeiffer: Marx verhinderte Studie zu Missbrauch in der Kirche

Im Jahr 2011 vereinbarte Pfeiffers Institut mit der Deutschen Bischofskonferenz eine groß angelegte Studie zu sexueller Gewalt in der katholischen Kirche. Doch die Zusammenarbeit endete 2012 wieder – laut Pfeiffer, weil die Bischofskonferenz die Daten für die Studie selbst erheben und seinen Fachleuten den Zugang verweigern wollte.

Die Bischofskonferenz weist die Vorwürfe zurück, spricht von Datenschutz und einem "zutiefst erschütterten Vertrauensverhältnis" zu Pfeiffer. Der Juraprofessor und frühere Justizminister von Niedersachsen spricht dagegen von Zensur und wirft Marx vor, damals seinen Einfluss geltend gemacht zu haben, um die Zusammenarbeit zu verhindern.

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"Schwere Fehler und Versäumnisse des Kardinals"

Wenn Marx nach seinem Rücktrittsgesuch jetzt als Reformer und Kämpfer für Transparenz auftrete, wundere ihn das, schreibt Pfeiffer in einem Artikel für die "Deutsche Richterzeitung", der am Montag erscheinen soll. "Die schweren Fehler und Versäumnisse des Kardinals dürften damit in hohem Maß zum starken Anstieg der Kirchenaustritte und zum Rückgang der Taufen beigetragen haben", heißt es darin. "Doch auf einmal scheint all das keine Rolle mehr zu spielen."

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Nach Ansicht Pfeiffers hat der umstrittene Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki mit der Veröffentlichung seiner Studie mehr zu tatsächlicher Transparenz beigetragen als Marx. Für dessen eigenes Münchner Bistum wird ein Gutachten erst im Laufe dieses Jahres erwartet – während ein erstes aus dem Jahr 2010 nach wie vor unter Verschluss gehalten wird.

Marx selbst hat Fehler in seiner Zeit als Bischof von Trier inzwischen bereits eingeräumt. Dabei geht es um einen Priester, gegen den mehrere Vorwürfe sexueller Gewalt vorliegen. "In der Tat sind im Verlauf der Bearbeitung dieses Falles Fehler passiert, sowohl im Umgang mit Betroffenen als auch in der Handhabung der Bearbeitung", hieß es jüngst in einer Mitteilung des Kardinals und der Bischofskonferenz.. "Mein Verhalten damals bedauere ich sehr", so Marx in der "Christ & Welt". (küp/dpa)