London. Kevin Spacey muss sich wegen des Vorwurfs der sexuellen Belästigung vor Gericht verantworten. Ihm droht erstmals eine Verurteilung.

Lange hat man ihn nicht gesehen. Weder bei öffentlichen Veranstaltungen noch in Talkshows. Kevin Spacey, in Ungnade gefallener zweifacher Oscar-Preisträger und Hollywoods ehemals liebster Präsidentendarsteller, war abgetaucht. Und das jahrelang.

Seit mehrere Männer ihm sexuelle Übergriffe vorwerfen, liegt seine Karriere als Schauspieler faktisch auf Eis. Nun, am Donnerstag, hatte er wieder einen großen Auftritt. Der 62-Jährige hätte sicher gerne darauf verzichtet.

Denn Spacey geht es an den Kragen. Fast fünf Jahre nach Bekanntwerden der Anschuldigungen droht ihm erstmals eine Verurteilung als Sexualstraftäter.

Mehr zum Thema: Nach MeToo – Kevin Spacey berät deutsche Gründer in der Krise

Kevin Spacey zeigt keine Reue

Der aus New Jersey stammende Amerikaner steht seit gestern in London vor Gericht – und wird bei seiner Ankunft von einer Traube aus Reportern und Kameraleuten umringt. Spacey trägt Krawatte, blaues Sakko und eine kantige Brille, er wirkt selbstsicher, sagt aber kein Wort. Mühevoll bahnt er sich seinen Weg durch die Menge, lächelt, dann verschwindet er im Gebäude.

Umringt von Kameras: Kevin Spacey bahnt sich seinen Weg zum Londoner Gerichtsgebäude.
Umringt von Kameras: Kevin Spacey bahnt sich seinen Weg zum Londoner Gerichtsgebäude. © Getty Images | Carl Court

In London wird der Schauspieler mit seiner Vergangenheit konfrontiert. Mehr als zehn Jahre lang – bis 2015 – hatte er die Aufführungen am Old Vic Theatre künstlerisch geleitet. Damals war Spacey beliebt im Land der Queen. 2016 verlieh ihm Prinz Charles (73) sogar den Order of The British Empire zweiter Klasse.

Jetzt aber werden ihm Übergriffe an drei verschiedenen Männern in vier Fällen zur Last gelegt, die er während seiner Zeit in Großbritannien begangen haben soll. Die mutmaßlichen Taten sollen in den Jahren 2005 bis 2013 in London und der Grafschaft Gloucestershire in Westengland geschehen sein. Einen Mann soll er, wie es heißt, „ohne dessen Zustimmung zum Geschlechtsverkehr gebracht haben“. In einem weiteren Fall lautet die Anklage auf „penetrierende sexuelle Aktivität ohne Zustimmung“. Spacey könnte zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt werden.

Im Gerichtssaal gibt er lediglich seinen vollen Namen, Kevin Spacey Fowler, sein Geburtsdatum und seine Londoner Adresse an. Sein Anwalt Patrick Gibbs sagt: „Herr Spacey weist jegliches kriminelles Handeln auf das Schärfste zurück.“

Der erste Prozesstermin hätte aus Sicht des Angeklagten schlimmer verlaufen können. Richter Tan Ikram hebt einen zuvor erlassenen Haftbefehl auf und entscheidet, dass Spacey auf freiem Fuß bleibt. Es bestehe keine Fluchtgefahr – er darf in die USA zurückkehren und muss erst zum nächsten Gerichtstermin am Southwark Crown Court am 14. Juli erneut in London erscheinen.

Kevin Spacey droht schon der nächste Prozess

Bisher war Spacey davongekommen. Obwohl allein das Old Vic Theatre nach dem Aufkommen der MeToo-Debatte 2017 von 20 Beschwerden berichtete, die wegen unangemessenen Verhaltens gegen den Film- und Bühnenstar eingegangen seien, bekam er für kein Vergehen eine Strafe. In einigen Fällen wurden die Ermittlungen fallen gelassen, in einem Fall starb eines der vermeintlichen Opfer.

Es schien, als sei dem Mann juristisch nicht beizukommen. Ausgerechnet er, der vermeintliche Mehrfachtäter, war als Hauptdarsteller des Netflix-Hits „House of Cards“ auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn angelangt – und wurde nun wegen der vielen Vorwürfe aus der Serie geschrieben. Auch Crewmitglieder hatten ihm sexuelle Belästigungen vorgeworfen.

Spacey als US-Präsident neben Robin Wright in „House of Cards“.
Spacey als US-Präsident neben Robin Wright in „House of Cards“. © picture alliance | David Giesbrecht

Spacey, der aus seinem Privatleben stets ein Geheimnis gemacht hatte, schien sich damit arrangiert zu haben, stand letztes Jahr sogar für eine kleinere Rolle in einem italienischen Film wieder vor der Kamera. Reue zeigte er bislang nicht. Zuletzt hatte Spacey mit Blick auf das Londoner Verfahren betont, dass er „ein Recht auf einen fairen Prozess habe“ und unschuldig sei, „bis das Gegenteil bewiesen ist“. Er sei zwar enttäuscht, dass der Klage stattgegeben wurde – aber zuversichtlich, dass seine Unschuld bewiesen werde.

Auch interessant: MeToo-Debatte – Auch Natalia Wörner „ist Sexismus begegnet“

Selbst wenn: Im Herbst steht der nächste Prozess an. In New York geht es um Vorwürfe seines Schauspielkollegen Anthony Rapp (50), der behauptet, er sei als 14-Jähriger von Spacey während einer Party in dessen Haus in Manhattan belästigt worden. Es könnte eng werden für Spacey.

Dieser Text erschien zuerst auf morgenpost.de.