Klagenfurt/Rom. Das Schneechaos in Italien und Österreich forderte ein Todesopfer. Nun bessert sich das Wetter. Gefährlich bleibt die Lage dennoch.
Leise Hoffnung in den Alpen: Nachdem Schnee und Regen nachlassen, können abgeschnittene Dörfer beginnen, sich wieder Wege in die Außenwelt zu bahnen. Allerdings mit gebotener Vorsicht. Denn noch immer ist die Lawinengefahr in Österreich und Südtirol hoch.
Wetterprognosen sehen ein Nachlassen des Niederschlags bis Mittwoch, allerdings haben die Massen an Wasser und Schnee dafür gesorgt, dass Flüsse und Seen an ihre Kapazitätsgrenzen kommen – oder diese überschreiten. Laut „Kleiner Zeitung“ waren in den vergangenen Tagen mehr als 9500 freiwillige Helfer der Feuerwehren bei 1215 Einsätzen. Doch obwohl sich die Lage allmählich wieder entspannt, bleibt die Gefahr groß.
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Schnee-Chaos in den Alpen – Lawinengefahr weiter hoch
- Seit Tagen wüten Unwetter über den Alpen
- Besonders Österreich und Südtirol sind betroffen
- Über dem Dorf Martell ging eine Lawine ab
- Viele Ortschaften sind von der Außenwelt abgeschnitten
- In Kärnten starb ein Mann durch eine Schlammlawine
- Andernorts wurden Häuser evakuiert
- Entwarnung ist erst am Mittwoch in Sicht
- Selbst dann bleibt die Lage weiter prekär
Dienstag, 19. November: Erneut „Zilvilschutzalarm“ ausgerufen
14.05 Uhr: Auch am Dienstag drohten in Oberkärnten und Osttirol Lawinen in die Täler zu krachen, zahlreiche Hänge rutschten ab. Die nun aber günstigere Wettersituation konnte am Vormittag dennoch auch schon für Aufräumarbeiten genutzt werden.
In den österreichischen Teilen Tirols ging die Lawinengefahr zurück, auch einige Straßensperren konnten landesweit aufgehoben werden. „Die Niederschlagsfront, die seit Dienstagnacht über Kärnten hinweg zieht, sollte zu keiner wesentlichen Erhöhung der derzeitigen Spitzenabflüsse beziehungsweise der Wasserstände führen“, sagte Johannes Moser vom Hydrografischen Dienst Kärnten der „Kleinen Zeitung“.
12.17 Uhr: Dramatischer Einsatz um einem kleinen Jungen das Leben zu retten: Ein Dreijähriger mit Blinddarmdurchbruch wurde aus Heiligenblut am Großglockner per Helikopter abtransportiert. Sein Heimatort war eingeschneit und mit Krankenwagen nicht zu erreichen.
Anwohner hatten bei der Rettungsaktion laut österreichischer Medien geholfen und mit eigener Kraft einen provisorischen Landeplatz in den Schneemassen vorbereitet. Die Crew des Hubschraubers nutzte Nachtsichtbrillen, um dort sicher landen zu können. Das Dorf ist seit Tagen abgeschnitten von der Außenwelt.
9.21 Uhr: Mindestens bis Mittwoch wird der Kampf gegen das Extremwetter andauern – vor allem in Südtirol und Österreich gab es heftige Schneefälle und Niederschläge. „Die Lage bleibt noch angespannt“, teilte die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik mit.
Nach tagelangen Regen- und Schneefällen sind in Österreich mehrere Orte von der Außenwelt abgeschnitten. Auch in Italien herrschte Ausnahmezustand.
Chaos in den Alpen- Lawinen und Jahrhunderthochwasser
6.51 Uhr: Im Gurktal in Kärnten richten sich die Blicke auf die Pegelstände. Am Montag waren die Feuerwehren hier bereits vielerorts mit Überschwemmungen konfrontiert. Erst ab Mittwoch sind dann vorerst keine neuen Regen- und Schneefälle mehr zu erwarten.
In der Steiermark blieben die Helfer skeptisch. „Der nächste Regen wird die Lage noch gefährlich zuspitzen. Es wird weitere Muren und Überschwemmungen geben“, sagte Katastrophenschutzreferent Michael Schickhofer dem Sender oe24.TV.
5.42 Uhr: Aufgrund der gefährlichen Situation galt auch in der Nacht auf Dienstag in einigen Orten wieder der sogenannte Zivilschutzalarm. Viele Straßen und auch einige Bahnstrecken bleiben vorerst gesperrt, die Menschen wurden aufgefordert, lieber in ihren Häusern zu bleiben. Vor allem in Kärnten dürfen sich zahlreiche Kinder über einen weiteren schulfreien Tag freuen.
Montag, 18. November: Österreich erlebt extreme Schnee- und Regenmengen
20.13 Uhr: In einigen Ortschaften in Osttirol hat sich die Lage etwas entspannt. Allerdings waren am Montag noch rund 1400 Haushalte ohne Strom, berichtet die „Kleine Zeitung“.
17:53 Uhr: Wegen der prekären Lage mit Lawinen- und Schlammstrom-Abgängen sowie Hochwasser bleiben in Kärnten auch noch am Dienstag zahlreiche Schulen geschlossen, wie die „Kleine Zeitung“ berichtet. Allein in dem Bezirk Spittal sind laut dem Blatt seit Sonntag rund 50 Freiwillige Feuerwehren im Einsatz – mit 1100 Feuerwehrleuten.
15.26 Uhr: In der Gemeinde Reißeck in Kärnten hat ein Schlammstrom, ein sogenannter Murgang, einen Stall getroffen. Wie die „Kleine Zeitung“ berichtet, wurde dabei eine Frau verletzt und 26 Rinder verschüttet. Nach ersten Informationen dürften viele der Tiere ums Leben gekommen sein.
14.30 Uhr: Nach tagelangen heftigen Regen- und Schneefällen hat es in Österreich das erste Todesopfer gegeben: Ein 79-Jähriger ist tödlich verunglückt. Der Mann wurde in seinem Haus von einem Erdrutsch verschüttet und konnte nur noch tot geborgen werden.
Ein Suchhund entdeckte ihn laut Helfern. Sein Haus in Bad Kleinkirchheim in Kärnten war von dem schweren Geröll zu großen Teilen zerstört worden. „Er wurde von den Erdmassen begraben“, sagte der Bürgermeister der Stadt, Matthias Krenn, nach einer Suchaktion.
12.34 Uhr: In Teilen Österreichs hat es im laufenden Monat bereits viermal so viel geregnet und geschneit wie sonst im gesamten November. Das gelte etwa für den Bezirk Spittal an der Drau im Bundesland Kärnten, sagte Thomas Wostal von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG).
Das Problem sei, dass sich derzeit warme Luft aus dem Süden und kältere Luft aus dem Norden über dem Mittelmeer vermische und so Tiefdruckgebiete entstünden. „Die Alpen stehen dann da wie eine Staumauer, man spricht dann auch vom Südstau.“
10.03 Uhr: Bei Facebook teilen Anwohner Bilder und Videos von den Folgen der heftigen Niederschläge. Besonders dramatisch ist ein Clip aus Martell, auf dem zu sehen ist, wie die Schneewalze durch die Straßen rollt.
9.01 Uhr: Kurz vor Mitternacht ging in der Gemeinde Bad Gastein im Bundesland Salzburg eine Schlammlawine ab. Ein Haus wurde gegen ein anderes geschoben. Ein Mensch wurde nach dem Unglück aus den Trümmern geborgen, ein weiterer musste ausharren, erst nach etwa zwei Stunden konnte die zweite Person gerettet werden.
6.32 Uhr: In Südtirol ist der Ort Martell am Sonntag von einer Lawine überrollt worden. Weiterhin besorgniserregend ist auch der Wetterbericht: Für die kommenden Tage sind weitere kräftige Regen- und Schneefälle angesagt.
Georg Altstätter, der Bürgermeister der 900-Einwohner-Gemeinde zwischen Bozen und Bormio, sagte der Deutschen Presse-Agentur, die Schneemassen hätten sich durch die Straßen des Ortes Martell gedrückt. Es gebe aber zum Glück keine Verschütteten oder Verletzten. Häuser seien aber beschädigt und evakuiert worden, der Ort vorerst von der Außenwelt abgeschnitten. „Die Lage ist prekär“, sagte der Bürgermeister.
Schneefall bleibt heftig: Lawine überrollte Martell
Der Nachrichtensender Rai berichtete außerdem von einer zweiten Lawine, die außerhalb des Dorfs abgegangen sei. Die Straße ins Tal sei versperrt, berichtet der Sender, die Marteller seien auf sich gestellt. Schulen und Kindergärten sollen am Montag geschlossen bleiben.
Auf dieser Google-Karte ist der Ort Martell in den Südtiroler Alpen zu sehen.
Auch andere Orte sind derzeit unerreichbar, unter anderem in Kärnten das Lesachtal, das Mölltal und die Gemeinde Heiligenblut, wie die „Kleine Zeitung“ in der Nacht zu Montag berichtete. Die Einwohner wurden aufgerufen, ihre Häuser nicht zu verlassen. Mehrere Gebäude wurden evakuiert. In Osttirol sollten die Schulen am Montag wegen der höchsten Lawinen- und Wetterwarnstufe geschlossen bleiben.
In Kärnten traten darüber hinaus mehrere Seen über die Ufer. Der bei Villach gelegene Faaker See führte am späten Sonntagabend ein Hochwasser, wie es statistisch nur alle 100 Jahre vorkommt. Seit der Nacht auf Samstag war der Pegel um rund 40 Zentimeter auf nun 140 Zentimeter angestiegen, wie online abrufbare Messdaten zeigten. In Lavamünd wird die Spitze des Hochwassers erst am Montagmorgen erwartet. Dort wurde ein mobiler Hochwasserschutz errichtet, der Ortskern ist gesperrt.
• Die ersten Meldungen vom Wochenende: Die Lage in Südtirol ist wegen anhaltender Schneefälle schon seit Tagen angespannt. Die Brennerautobahn war am Sonntag vorübergehend zwischen Brixen und Sterzing gesperrt, teilte die Verkehrsleitzentrale mit. Auch zahlreiche andere Straßen waren nicht befahrbar. Es herrsche im Großteil Südtirols Lawinengefahr Stufe 4, erklärte Landesmeteorologe Dieter Peterlin auf Twitter.
In der Region waren nach Angaben der Nachrichtenagentur APA rund 12.500 Haushalte ohne Strom. Das Mobilfunknetz war ebenfalls teilweise ausgefallen.
Auch in anderen Alpenregionen und Teilen Italiens sorgen anhaltende Niederschläge seit Tagen für Probleme. Im Stubaital in Tirol (Österreich) erfasste eine Lawine ein Fahrzeug mit deutschem Kennzeichen – alle sechs Insassen blieben allerdings unverletzt. Zumindest bis zum Montag sind wegen der blockierten Straße nun 250 Menschen eingeschlossen.
Am Sonntagmittag waren weiter rund 2000 Haushalte in dieser Region ohne Stromversorgung, weil die schweren Niederschläge laufend zu Baumstürzen und Seilrissen führten, wie der örtliche Stromversorger mitteilte.
Evakuierungen in Österreich
Im Westen und Süden Österreichs wächst aufgrund der starken Regen- und Schneefälle die Sorge vor gefährlichen Hangrutschungen auch in Wohngebieten. Die Gemeinde Stadl an der Mur im Bundesland Steiermark wurde am Sonntagabend zum Katastrophengebiet erklärt. Bereits am Nachmittag wurden hier 15 Wohnhäuser aufgrund einer drohenden Hangrutschung evakuiert.
Wie APA berichtete, begannen weitere Hänge abzurutschen. Zudem traten in der 1000-Einwohner-Gemeinde mehrere Bäche über die Ufer, wie das Büro des Katastrophenreferenten mitteilte.
Im Bundesland Salzburg wurden laut dem Landesmedienzentrum aufgrund des Starkregens bis Sonntagabend fast 80 Gebäude evakuiert. Unter anderem waren Zell am See, Embach und das hintere Rauriser Tal am Abend nicht erreichbar. Auch im Gurktal in Kärnten mussten sechs Menschen zwei Wohnhäuser aufgrund einer beginnenden Hangrutschung aus Sicherheitsgründen verlassen.
In Venedig stand am Sonntag erneut der Markusplatz unter Wasser. Das zeigte auch eine Live-Webcam auf den Platz. Die Kommune warnte erneut vor starkem Wind. Bürgermeister Luigi Brugnaro sperrte zudem wieder den Markusplatz und rief zur „maximalen Vorsicht“ auf. Die Stadt Venedig kämpft seit Tagen mit Hochwasser.
Im Winter 2018/2019 hatte in den Alpen ein wochenlanges Schnee-Chaos geherrscht. Bei Dutzenden Lawinenabgängen waren mehrere Menschen ums Leben gekommen, darunter auch Deutsche. Im April waren vier Deutsche Skiwanderer in der Schweiz bei einem Lawinenunglück im Kanton Wallis getötet worden, im Januar starben vier Deutsche Skifahrer aus Oberschwaben, als sie von einer Lawine im österreichischen Lech verschüttet wurden.
Peter Hennekes, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Skilehrerverbands, zeigte sich im Gespräch mit unserer Redaktion entsetzt über das Verhalten vieler Skifahrer und beklagte das Unwissen vieler Fahrer in Sachen Lawinengefahr.
(dpa/tma/br/yah)