Berlin. Beim ESC wurde Malik Harris Letzter. Im Interview spricht er über den Contest und verrät, warum der letzte Platz ein Segen für ihn war.

2022 vertrat Malik Harris Deutschland mit seinem Song "Rockstars" beim Eurovision Song Contest – und landete auf dem letzten Platz. Im Interview spricht er darüber, warum des ESC für ihn dennoch ein Segen war, über die diesjährigen Teilnehmer "Lord Of The Lost" und seine aktuelle Single "Dreamer".

Vergangenen Freitag waren Sie als Gast beim deutschen ESC-Vorentscheid. Wie haben Sie die Show wahrgenommen?

Malik Harris: Es war sehr cool, weil ich mich vorher total abgeschottet hatte. Das heißt, ich hab die ganzen Songs tatsächlich vor Ort zum ersten Mal gehört. Daher war es für mich spannend. Quasi wie ein unerwartetes, großes Konzert mit verschiedensten Künstlerinnen und Künstlern und Genres. Das fand ich auch cool. Da wurde das Musikerherz aus allen Richtungen bedient. Dementsprechend hab ich das fast wie ein kleiner Fanboy wahrgenommen und war am Ende sehr gespannt, wer gewinnt.

"Lord Of The Lost" werden 2023 für Deutschland zum ESC fahren. Was ist Ihre Prognose?

Harris: Ich bin kein Fan von Prognosen. Ich glaube aber, dass Metal und die Kombi mit diesen Outfits und so weiter schon einen Nerv beim ESC treffen. Ich räume ihnen mal gute Chancen ein. Sie machen das ja auch super, sind geil auf der Bühne, sie spielen ihre Sachen super. Da stimmt alles.

Aber unabhängig davon sollte man sich nicht so viele Gedanken über die Platzierung machen. Mir ging es eher um die Erfahrung und ich denke mal die Jungs wissen das auch. Die werden das genießen und jeden Moment aufsaugen und dann ist die Platzierung auch egal.

Haben Sie Tipps für den Auftritt beim ESC?

Harris: Ach, ich glaube das Wichtigste ist das einfach zu genießen. Das ist eine unfassbare Erfahrung und man darf sich nicht zu sehr verkopfen. Ich bin ja das beste Beispiel dafür, dass man keine Angst vor einer schlechten Platzierung haben muss.

Die Jungs sind bestimmt jetzt schon im Trubel, so war das bei mir zumindest letztes Jahr. Und da ist wirklich jeder Moment so speziell und so besonders. Da sollte man einfach alles mitnehmen, machen worauf man Bock und liebt, das genießen und dann kann eigentlich nichts schiefgehen.

Vor fast einem Jahr standen Sie auf der ESC-Bühne. Wie hat sich Ihr Leben seitdem verändert?

Harris: Wo soll ich anfangen? Ich hab ja vorher schon Musik gemacht, aber durch den ESC ist das alles nochmal eine Ebene hoch gegangen. Da war der letzte Platz fast ein Segen für mich. Ich hatte im Nachhinein das Gefühl, dass sich die Leute mit dem ersten, dem zweiten und dem letzten Platz beschäftigt haben. Dementsprechend war ja mein Song später auch einer der erfolgreichsten.

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Für mich ging es dann direkt auf Tour. Ich bin von Turin nach Hamburg geflogen und war gefühlt seitdem nur unterwegs: Von einem Festival zum anderen, ausverkaufte Tour. Und auch meine neue Single "Dreamer" läuft super. Von dem her bin ich total happy, dass ich da durch den ESC eine nächste Stufe erreichen könnte.

NameMalik Harris
Geburtstag27. August 1997
GeburtsortLandsberg am Lech
BerufMusiker
Bekannt durchTeilnahme am ESC 2023

Sie bereuen es also trotz des letzten Platzes nicht, am ESC teilgenommen zu haben?

Harris: Ich glaube, wenn ich irgendwo im Mittelfeld gelandet wäre, würde keiner mehr darüber reden. Es hätte fast nicht besser laufen können. Von daher: Ich würde alles mit demselben Ausgang und genauso nochmal machen.

Vor dem ESC wirkten Sie teilweise, als wären sie die Sache etwas blauäugig angegangen – ohne genau zu wissen, was Sie erwartet. Stimmt das?

Harris: Ja, absolut. Das war aber auch sehr schön und die Einstellung war für mich genau die richtige. Ich hab die Dinge so genommen wie sie kamen. Ein Beispiel: Ich war ja schon zehn Tage vor dem Finale in Turin. Und dann hieß es irgendwann: Du spielst heute beim Eurovillage. Und ich so: Okay, sagt mir nichts, aber klingt ja ganz nett. Ich dachte, vielleicht sind da ein paar Fans, mache ich einfach mal. Dann hab ich die Gitarre genommen, es gab keinen Soundcheck und als ich auf die Bühne kam standen da 20.000 Menschen.

Solche Momente gab es ständig. Ich dachte immer: Das sehe ich mir mal an. Und dann war alles plötzlich riesengroß. Das war sehr schön, weil es an jeder Ecke eine Überraschung gab, mit der ich nicht gerechnet hatte, einfach unfassbare Erlebnisse.

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Wie haben Sie den ESC insgesamt wahrgenommen?

Harris: Ich hab mich vorher nicht viel mit dem ESC beschäftigt. Ich hab den schon immer wieder gesehen und als sehr cool empfunden, weil das für mich das einzige war, was ich so kannte, was auf eine sehr harmonische Weis den ganzen Kontinent zusammenbringt und man einfach zusammen Musik zelebriert. Das fand ich immer sehr schön. Aber ich war nicht der ESC-Freak, der sich jedes Jahr hingesetzt und Tabellen gemacht hat, wer gewinnt.

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Aber ich war dann wirklich positiv überrascht und bin ein kleiner Fan geworden. Mir wurde schon vorher immer gesagt: Der ESC ist eine ganz eigene Welt. Jetzt weiß ich genau, was die Leute damit meinen. Die Menschen sind mit so einer Leidenschaft dabei – das hab ich in der Form bei noch keinem anderen Event erlebt. Ich hab das total genossen und werde den ESC jetzt auf jeden Fall jedes Jahr schauen. Mir ist einfach klar geworden, wie viel Liebe da drinsteckt.

Kurz nach dem ESC-Finale wirkten Sie in einem ersten Interview recht gefasst – trotz des letzten Platzes. War das echt oder nur Fassade? Wie geht man mit so einem Ergebnis um?

Harris: Ich dachte schon: Ja, war trotzdem cool. Ich hab ja schon im Vorfeld immer gesagt, dass ich Musikwettbewerbe nicht für wirklich sinnvoll halte, weil man Musik nicht in gut und schlecht eingliedern kann. Das ist einfach Geschmackssache. Daher war ich was die Platzierung betrifft sehr entspannt.

Mein Ziel war es, meinen Auftritt so gut zu machen, wie ich kann, und den Auftritt zu genießen. Und das hat geklappt. Ich war natürlich im ersten Moment schon etwas enttäuscht, das ist klar. Aber das war eine Erfahrung, von der werde ich noch meinen Enkelkindern erzählen. Von daher war ich schon an dem Abend total happy und hab das noch weiter genossen.

Nach dem ESC wurde Kritik am NDR laut: Das Auswahlverfahren sei falsch, man gehe den Contest nicht mit genug Ehrgeiz an. Auch Ann-Sophie, die 2015 für Deutschland an den Start ging und auf dem letzten Platz landete, übte nach ihrem Auftritt scharfe Kritik an der ARD und dem Umgang mit ihr als Künstlerin. Wie haben Sie die Zusammenarbeit wahrgenommen?

Harris: Bei mir war das total schön – vielleicht hat sie das aber anders erlebt. Ich bin auch mit meinem Team von damals noch super eng. Beim diesjährigen Vorentscheid habe ich nochmal alle gesehen und es war richtig schön. Ich kann da nichts Schlechtes sagen. Ich hatte ein super Team und hab da wirklich Freunde fürs Leben gefunden.

Malik Harris bei der Eröffnungsfeier des Eurovision Song Contest 2022 in Turin.
Malik Harris bei der Eröffnungsfeier des Eurovision Song Contest 2022 in Turin. © Nderim Kaceli/LPS via ZUMA Press Wire/dpa | Nderim Kaceli/LPS via ZUMA Press Wire/dpa

Nach dem ESC wurde Ihr Song "Rockstars" zum Radiohit. Man könnte sagen: From Zero to Hero. Haben Sie damit gerechnet?

Harris: Überhaupt nicht. Ich konnte es aber schon am Morgen nach dem ESC spüren. Ich bin da zum Flughafen gefahren und auf dem Weg dorthin hab ich meine Nachrichten gecheckt. Das wollte ich eigentlich nicht machen, weil ich dachte: Wer weiß wie man in der Presse zerrissen wird. Aber ich hab es dann doch gemacht und ich war so überrascht, weil ich überhaupt kein negatives Feedback gefunden habe.

Das waren Tausende Nachrichten, die ich bis heute nicht alle beantworten konnte. Sorry dafür, ich hab es versucht! Aber ich war so positiv überrascht und hatte auch Tränen in den Augen, weil Menschen aus der ganzen Welt sich die Zeit genommen haben, um mir Nachrichten und Kommentare zu schicken. Viele gingen in die Richtung: Wir verstehen es nicht. Wir fanden es wirklich cool und dein Song, deine Performance, deine Art – das hat uns alles berührt und inspiriert.

Nach dem ESC ging es für Sie direkt auf Tour? Was ist in Ihrer Karriere seitdem passiert?

Harris: Einiges! Ich war auf einer ausverkauften Tour, was gerade nach Corona natürlich sehr schön war. Die Stimmung war der Wahnsinn. Dann ging es direkt weiter auf Festivals. Ich war als Support mit Amy MacDonald unterwegs, hab einen Song veröffentlicht mit "You And I". Man weiß ja vorher nicht, was passiert, wenn man einen Song veröffentlicht. Aber dass ein Lied dann so abgeht, die Leute berührt, so viele erreicht, so viel mit ihnen macht und sie es rauf und runter anhören: Das ist jedes Mal ein großes Geschenk und das alles ist eine sehr, sehr schöne Reise.

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Was können Ihre Fans in den kommenden Monaten erwarten?

Harris: Das ganz große Ding für mich ist meine Tour im September, da bin ich in Deutschland und Österreich unterwegs. Darauf freue ich mich unfassbar, weil für mich live zu spielen das absolute Lebenselixier ist. Natürlich wird bis dahin auch noch der ein oder andere Song veröffentlicht. Gerade läuft ja "Dreamer". Aber ich hab auf jeden Fall Bock und einiges in der Hinterhand. Bis zur Tour werde ich fleißig auf Festivals spielen. Da wird mein Terminkalender gerade immer voller.

Langfristig ist mein großer Traum, dass ich irgendwann mal irgendwo auf der Welt weit weg von zuhause auf einer großen Open-Air-Bühne vor Zigtausenden Menschen stehe. Und dann spiele ich einen Akkord oder eine Melodie und die ganzen Leute erkennen den Song und fangen alle an zu singen. Das ist so das genaue Bild, das ich im Kopf habe.

Könnten Sie sich vorstellen, noch einmal zum ESC zu fahren?

Harris: Total, weil es so eine tolle Erfahrung war. Und ich kann mich ja fast nur verbessern. Aber das ist ein großartiges Ding, dass ich das gern erst einmal anderen überlassen würde. Da will ich niemandem die Chance wegnehmen. Aber falls irgendwann kein Act gefunden wird, kann man ja gerne mal bei mir anrufen. Dann überlege ich mir das nochmal.