Rom. Der Gardasee mit extremen Niedrigwasser, die Alpen ohne Schnee: 2023 könnte ein Jahr der Rekord-Trockenheit in Europa werden.

Am Dienstag, 28. Februar, endet der meteorologische Winter. Schneeballschlachten, Eiszapfen an der Dachrinne, Schlittschuhlaufen auf zugefrorenen Seen – das blieb auch dieses Jahr in weiten Teilen Deutschlands die ganz große Ausnahme. Schnee – inzwischen ein Phänomen von gestern.

Doch auch die Alpenregion bietet längst keine Schneesicherheit mehr. In Frankreich, der Schweiz, Italien und in Teilen Österreichs liege aktuell viel weniger Schnee als viele Jahre üblich, sagte der Meteorologe Klaus Haslinger von Geosphere Austria. Die Lage ist dramatisch: Denn auch sonst fiel in den Ländern Frankreich und Italien kaum Regen.

Sorge um Gardasee, Italiens Wasserspeicher Nr. 1

kifrust 2023: Kunstschneepisten auf grüner Wiese in Ruhpolding (Bayern).
kifrust 2023: Kunstschneepisten auf grüner Wiese in Ruhpolding (Bayern). © dpa | Sven Hoppe

Besonders Norditalien durstet. Seit Winterbeginn am 1. Dezember ist nicht einmal die Hälfte der üblichen Niederschläge gefallen. Der Wasserstand des Gardasees, des größten Wasserspeichers Italiens, ist so niedrig wie seit mehr als 30 Jahren nicht mehr: Er liegt mehr als 60 Zentimeter unter dem saisonalen Durchschnitt.

Schon jetzt ist sicher: Die Quantitäten werden nicht ausreichen, um die anhaltende Trockenheit zu beenden. Auf der Insel San Biagio, die auch als „Isola dei Conigli“ (Kanincheninsel) bekannt ist, kann man entlang der Landenge wandern, die das Eiland mit dem Festland verbindet.

Angespannte Lage an sämtlichen Seen

Bei den anderen beiden Voralpenseen, dem Lago Maggiore und dem Comer See, die wie der Gardasee ebenfalls die Bewässerungskanäle speisen, ist die Situation genauso angespannt. Giorgio Zampetti, Sprecher des Umweltschutzverbands Legambiente, befürchtet, dass das Schlimmste noch bevorsteht: „Das Jahr 2023 hat gerade erst begonnen, aber es zeigt besorgniserregende Anzeichen in Bezug auf extreme Wetterereignisse und Trockenheit“, warnt er. Die Bürgermeister am Gardasee zittern: Sie befürchten Stornierungen aus dem Ausland.

Ganz Italien blickt mit Sorge auf die heißen Sommermonate. Millionen Menschen in dem Mittelmeerland könnten in den nächsten Monaten die Folgen der Wasserknappheit konkret zu spüren bekommen. „Für 3,5 Millionen Italiener könnte Trinkwasser aus den Wasserleitungen nicht mehr selbstverständlich sein“, so der Experte Francesco Vincenzi, Präsident der Beobachtungsstelle für Wasserressourcen.

Reis-Ernte in Gefahr

Wichtige Exportwaren könnten bald Mangelware werden. Wegen der Dürre werden in diesem Jahr in Italien fast 8000 Hektar weniger Reis angebaut, so wenig wie seit 30 Jahren nicht, berichtete der Bauernverband Coldiretti. Schlimmer ist es noch in Spanien: Nach dem Dürrejahr 2022 blieb auch in den ersten beiden Monaten des Jahres 2023 der erhoffte große Regen aus.

Mit der Folge, dass sich die Talsperren südlich der Pyrenäen im Winter bisher nicht nennenswert auffüllten: Die Seen, aus denen das Trinkwasser für die Versorgung der Bevölkerung gepumpt wird, sind im nationalen Schnitt nur zu 40 Prozent gefüllt – das ist nicht genug, um den Sommer zu überstehen. Die Landwirte sind die größten Wasserverbraucher, 70 Prozent des Trinkwassers fließt auf ihre Felder.

Lage auf Mallorca kritisch – schon vor der Urlaubssaison

Auch Mallorca befindet sich abermals im „Voralarm“. Dies bedeutet: Krisen- und Sparpläne für die Gemeinden. Die Grundwasserspeicher auf Mallorca sind schon fast zur Hälfte leer – noch vor Saisonstart. Insel-Umweltminister Miquel Mir warnt bereits, dass Mallorca auf eine „kritische“ Situation zusteuere. „Im Sommer könnten wir Schwierigkeiten haben, die Trinkwasserversorgung in einigen Gebieten sicherzustellen“, sagte er der Zeitung „Diario de Mallorca“.

Historisch ist auch die Winterdürre in Frankreich: Zu Jahresbeginn an 32 Tagen in Folge kein Regen gefallen, das ist die längste Trockenperiode seit Beginn der Aufzeichnungen. Frankreichs Umweltminister Christophe Béchu gibt unumwunden zu, dass ihm die Situation schlaflose Nächte bereitet. „Wir müssen sofort gegensteuern, um eine katastrophale Dürre zu vermeiden“, sagte er Montag.

„Dürrejahre werden in Deutschland Normalität“

Und in Deutschland? „Auch wenn es regional große Unterschiede gab, war der Winter wieder zu trocken und zu warm“, sagt Andreas Marx, Leiter des Deutschen Dürremonitors. Der Grundwasserspiegel sei weiterhin zu niedrig, es käme jetzt auf Regen im Frühjahr an. „Deutschland wird ein regenreiches Land bleiben“, sagt er. „Doch seit 2018 häufen sich vor allem Dürre und Hitze im Sommer wie noch nie. Wir sind gut gerüstet gegen Sturm und Hochwasser.

Jetzt müssen wir uns wappnen gegen jahrelange Dürreperioden.“ Schifffahrt, Landwirtschaft, Tourismus – alles könnte sich verändern, so der Experte. Wasserkonflikte drohen die Krisenherde der Zukunft zu werden.