Palma. Die Corona-Lage auf Mallorca gerät zunehmend außer Kontrolle. Ärzte warnen bereits vor einem zweiten Ischgl auf der Urlaubsinsel.

  • Auf Mallorca steigt die Sorge, dass der Urlaub beendete sein könnte, bevor er überhaupt angefangen hat
  • Die aktuelle Inzidenz liegt deutlich über dem Wert 300
  • Viele haben ihre Reise auf die beliebte Balearen-Insel bereits abgesagt

Erst sind es die Deutschen, dann kommen spanische Abiturienten hinzu, schließlich britische Jugendliche, die durch kollektive Unvernunft auffallen. Und die nächtlichen Partys auf den Ausgehmeilen der Urlaubsinsel Mallorca gehen trotz massiv steigender Corona-Infektionszahlen unvermindert weiter.

Ein Höhepunkt ist wohl erst in zwei Wochen erreicht. Am Montag wurden auf den Balearen 493 Neuinfektionen gemeldet, allein 391 fallen davon auf Mallorca zurück. An diesem Dienstag stiegen die Zahlen wieder deutlicher an. Laut den Behörden wurden allein auf Mallorca 577 neue Fälle registriert. Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt inzwischen bei 348,5 Fällen pro 100.000 Einwohnern. Die hoch ansteckende Delta-Variante macht mittlerweile 85 Prozent aller Infektionen aus.

Mehr zum Thema: Aktuelle Corona-Zahlen und Inzidenz auf Mallorca

Spanien: Erklärt die Bundesregierung das Land zum Hochrisikogebiet?

Während die Bundesregierung Spanien noch nicht zum Hochrisikogebiet erklärt hat, ziehen andere Länder bereits die Notbremse. Der niederländische Ableger des Reisekonzerns Tui stoppte alle Mallorca-Reisen, nachdem das Land die Corona-Warnampel auf Gelb gesetzt hatte.

Auch bei den Briten, die erst seit wenigen Wochen wieder auf die Insel dürfen, steht die Ampel auf Gelb. Das heißt: Quarantäne für nicht vollständig geimpfte Rückkehrer. Nicht ausgeschlossen, dass die Warnstufe in ein oder zwei Wochen auf Rot springt. Das würde Quarantäne für alle Rückreisenden nach Großbritannien bedeuten. Egal, ob geimpft oder nicht.

Touristen in der Schinkenstraße: Mindestabstand spielt im zweiten Corona-Sommer offenbar keine Rolle mehr.
Touristen in der Schinkenstraße: Mindestabstand spielt im zweiten Corona-Sommer offenbar keine Rolle mehr. © imago images/Chris Emil Janßen | Chris Emil Janssen via www.imago-images.de

Die Lage auf Mallorca spitzt sich immer weiter zu. In den Krankenhäusern müssen erneut nicht lebenswichtige Operationen verschoben werden. Die Behörden können die Kontakte der Infizierten kaum noch nachverfolgen. Wegen der hohen Fallzahl fehlt es an Personal.

Das Quarantänehotel in Palma ist mittlerweile so gut gefüllt, dass die Regierung ein weiteres Hotel anmieten musste. Das Drei-Sterne-Haus Pabisa Sofia am Ballermann beherbergt jetzt statt Fußballvereinen und Junggesellenabschieden positiv Getestete.

Mallorca: Inselpräsidentin will Urlaubssaison fortsetzen

Die Inselregierung hat wieder strengere Maßnahmen im Kampf gegen das Coronavirus ergreifen wird.

Dazu gehören unter anderem auch ein Partyverbot auf Mallorca.

Balearen-Ministerpräsidentin Francina Armengol verweist am Rande einer Veranstaltung auf die erfolgreiche Impfkampagne auf der Insel und auf Krankenhauskapazitäten. Sie werde alles tun, um die Urlaubssaison aufrechtzuerhalten.

Die läuft derzeit fast wieder auf Normalniveau. Von Freitag bis Sonntag verzeichnete der Flughafen Palma 2465 Starts und Landungen. Im gleichen Zeitraum 2019 waren es 2848. Damit ist der Aeropuerto de Son Sant Joan einer der meistfrequentierten Flughäfen Europas. Von hier aus verteilt sich das Virus, wenn es trotz Tests vor dem Abflug unentdeckt bleibt, über den gesamten Kontinent.

Urlaub: Mallorca wird zum „zweiten Ischgl“

„Irgendwie traut sich niemand zu sagen, dass Mallorca längst ein zweites Ischgl ist“, sagt ein Deutscher Inselarzt, der nicht namentlich zitiert werden möchte. „Das fliegt uns alles jetzt schon um die Ohren. Es würde mich nicht wundern, wenn im August die Saison vorbei ist.“ Der Arzt fürchtet, dass sich schon vor dem Herbst die Hospitäler der Insel wieder füllen könnten. „50 Prozent sind zwar voll geimpft. Aber 50 Prozent sind es eben noch nicht“, sagt er.

„Das ist die brutalste Welle, die wir je hatten“, zitiert die mallorquinische Tageszeitung „Ultima Hora“ die Leiterin des Covid-Centers von Mallorca, Llucia Moreno. Bis vor einem Monat war die Pandemie auf der Insel weitgehend unter Kontrolle, sagt sie. Doch dann schossen die Zahlen von durchschnittlich 70 Neuinfektionen am Tag auf jetzt 621 nach oben. Fast eine Verzehnfachung.

„Alleine heute Vormittag haben wir fünf positive Fälle an die Gesundheitsbehörden gemeldet“, sagt Nadescha Leitze. Vor Corona leitete sie ein Café, daraus machte sie vor einigen Monaten ein Testzentrum an der Playa de Palma. Ihre Kunden sind hauptsächlich deutsche Touristen. Vor dem Rückflug müssen sie einen negativen Schnelltest vorlegen – sonst gibt es keine Bordkarte.

Mallorca: Helfer bringen Lebensmittel ins Quarantäne-Hotel

Seit Anfang Juli schießen auch bei ihr die Zahlen in die Höhe. „Es gab Tage, da war jeder zehnte Test positiv“, sagt sie. Das Schlimmste sei, dass die Leute alleingelassen würden. „Die Behörden arbeiten am Limit. Dadurch werden wir zur Telefonseelsorge, bringen den Leuten auch manchmal Lebensmittel ins Hotel.“

Die steigenden Zahlen sorgen für Verunsicherung. Es gäbe einen plötzlichen Rückgang bei Buchungen aus dem Ausland, heißt es vom spanischen Tourismusverband. Eigentlich hatte die Branche auf eine stärkere Erholung nach dem Katastrophenjahr 2020 gehofft.

Was niemand dabei auf dem Zettel hatte, war der Freiheitsdrang vor allem von jugendlichen Touristen und Einheimischen. Die feierten den Sommer ihres Lebens und sorgten so für die bereits fünfte Welle in Spanien. Das bekommen nun Reisende zu spüren, die ihren Urlaub im August gebucht haben – oder deren Geschäft vom Tourismus abhängt.