Oberkrämer. Maren Gilzer war Buchstabenfee, Serienstar, Dschungelkönigin. Nun ist sie Politikerin - und will Bürgermeisterin in Brandenburg werden.

Die roten Teppiche hat sie hinter sich gelassen, der TV-Star läuft nun über marode Brandenburger Dorfstraßen. Ein trüber Januarmorgen: Maren Gilzer ist mit einem grauen Kleinbus, dem „Maren-Mobil“, vorbei an einigen verfallenden Häusern in den Ortsteil Klein Ziethen gefahren und hat einen gelben Stehtisch aufgebaut.

Ein paar Männer und Frauen kommen vorbei, lassen sich auf einen Glühwein einladen und hören zu, was die Frau, die zehn Jahre lang als stumme Buchstabenfee in einer Sat.1-Spielshow auftrat, über bessere Busverbindungen und günstigere Kitaplätze zu sagen hat.

Moderatorin, Schauspielerin und Ex-Model Gilzer ist 61 Jahre alt, sie trägt einen braunen Mantel mit weißem Fellkragen und sorgt für eine Prise Glamour in diesem Wahlkampf, an dessen Ende sie am Sonntag ins Rathaus von Oberkrämer einziehen könnte, einem Zusammenschluss von sieben Orten im Landkreis Oberhavel. Auf ihrem Wahlplakat verspricht Gilzer der 12.000-Einwohner-Gemeinde neuen Schwung. Ihr Motto: „Geht nicht gibt’s nicht.“ Auch interessant:„Glücksrad“-Comeback: Darum stehen Zuschauer auf Nostalgie

Maren Gilzer war das Feindbild der Feministinnen

Der Ausbau des Nahverkehrs ist dort zweifellos ein wichtiges Thema, aber viele Menschen wollen mit ihr lieber über ihre Fernsehvergangenheit sprechen. Kommt ja nicht allzu häufig vor, dass einem in Oberkrämer ein Promi über den Weg läuft. „Sie sind überrascht, dass ich in der Gegend wohne“, erzählt die Politikquereinsteigerin, die bei der Wahl unter ihrem amtlichen Nachnamen Gilzer-Kuhlmann antritt.

„Neuen Schwung“ verspricht Maren Gilzer den Bürgern von Oberkrämer bei Berlin. Die Schauspielerin tritt für die FDP an.
„Neuen Schwung“ verspricht Maren Gilzer den Bürgern von Oberkrämer bei Berlin. Die Schauspielerin tritt für die FDP an. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

„Und wenn wir uns ein wenig unterhalten haben, werden sie neugierig. Viele fragen, wie es damals beim ,Glücksrad‘ war, oder erzählen, dass sie selbst mal im Studio als Zuschauer dabei waren.“ Ach ja, das „Glücksrad“. Ihre letzte Sendung an der Seite von Peter Bond (69) und Frederic Meisner (68) ist fast ein Vierteljahrhundert her, stecke aber immer noch in den Köpfen, hat Gilzer beobachtet.

Dass ausgerechnet sie mal eine politische Karriere anstreben würde, war damals in den 90ern nicht absehbar. Die gebürtige Berlinerin durfte fast nie ein Wort sagen, sondern sollte Buchstaben an einer Kreuzworträtselwand umdrehen und hübsch lächeln.

Feministinnen wie Alice Schwarzer (79) hielten sie für den personifizierten Angriff auf das sich wandelnde Frauenbild, aber Gilzer war gerne „Staffage für zwei Gecken, die sich selbst feierten“, wie sie es formuliert. Denn sie verdiente gutes Geld, für sie war das „Glücksrad“ wie ein Lotto-Sechser.

Maren Gilzer setzt auf Kontakte zu Promis

Der nächste Jackpot folgte direkt: Einen Tag nach der letzten Show stellte sie sich bei den Machern einer damals neuen ARD-Klinikserie vor – und bekam eine Hauptrolle. Ab 1998 war sie 16 Jahre lang bei „In aller Freundschaft“ zu sehen. Mit der Oberschwester Yvonne verkörperte sie eine sympathische Figur, die vielen Zuschauern ans Herz wuchs. Mehr zum Thema:Zum Jubiläum zeigt ARD „In aller Freundschaft“ als Spielfilm

Nun also der nächste Lebensabschnitt. „In meiner TV-Zeit war ich meistens die Nette, jetzt polarisiere ich“, stellt sie fest. Und weiß: „Einige denken, meine Kandidatur sei nur ein PR-Gag.“ Dabei macht sie gar nicht mehr so viel im Fernsehen.

Am „Glücksrad“ mit Peter Bond (l.) und Frederic Meisner.
Am „Glücksrad“ mit Peter Bond (l.) und Frederic Meisner. © picture-alliance / dpa

Gilzer lebt seit 2013 mit ihrem Mann und zwei Hunden in Hennigsdorf, einem Nachbarort von Oberkrämer, und arbeitet vor allem als Schmuckdesignerin und in ihrem erlernten Beruf als Bauzeichnerin. Sollten die Wähler der FDP-Kandidatin das Vertrauen schenken, will sie sich dafür einsetzen, dass Oberkrämer eine weiterführende Schule bekommt, damit die Kinder und Jugendlichen nicht mehr so weit fahren müssen.

Zugleich träumt sie davon, befreundete Schauspieler zu Theateraufführungen in den Ort einzuladen, TV-Köche Kochkurse organisieren zu lassen oder einen lokalen Radiosender zu gründen. „Auf solche Ideen kommen die anderen Kandidaten gar nicht.“

Im Dschungelcamp hat Gilzer etwas über sich gelernt

Gilzer wäre nicht der erste Mensch aus dem Showgeschäft, der es in der Politik versucht. Manche scheiterten. Sängerin Vicky Leandros (69) etwa gab ihr Amt als stellvertretende Bürgermeisterin der griechischen Stadt Piräus schon nach knapp einem Jahr gestresst wieder auf.

Schlagermusikerin Claudia Jung (57) saß für die Freien Wähler fünf Jahre lang im Bayerischen Landtag und ließ hinterher kein gutes Haar an den Mandatsträgern: Sie habe immer gedacht, das Showbusiness sei schmutzig, „aber das ist sehr blass gegenüber der Politik“. Promis

Wie Gilzers Chancen stehen? Schwer zu sagen. „Die anderen Mitbewerber sind ja die Lokalmatadore“ – und Verwaltungsexperten noch dazu. Doch Gilzer hat schon einmal eine Wahl gewonnen. Vor sieben Jahren kürten die Zuschauer der RTL-Show „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus“ sie zur Dschungelkönigin, weil sie furchtlos mit lebendigen Schlangen gekuschelt und Rattenschwänze verdrückt hatte. Lesen Sie hier:Dschungelcamp 2022: Darum wird es nicht langweilig

Damals im australischen Urwald habe sie etwas über sich gelernt, so Gilzer: „Es hilft, Menschen in den Arm zu nehmen und zu trösten, wenn ich merke, dass sie nicht gut drauf sind.“ Sollte sie das Rathaus erobern, soll das ihr Führungsstil sein.