Berlin. Sex als Trick gegen Hitzewallungen? Frauen, die viel Sex haben, könnten die Wechseljahre hinausschieben, so britische Forscherinnen.

Meist kommen die Wechseljahre mit Anfang fünfzig, manchmal jedoch deutlich eher. Es liegt an der hormonellen Umstellung, die eben bei jeder Frau anders ausfalle, sagen Ärzte. Beeinflussen lasse sich die Menopause nicht. Jetzt aber haben Forscherinnen vom University College London offenbar einen neuen Ansatz: Frauen, die oft Sex haben, kommen später in die Wechseljahre, heißt es.

Sex also als super Trick gegen Hitzewallungen, Stimmungsschwankungen und Schlafstörungen? Die Ergebnisse der britischen Studie, die im Magazin „Royal Society Open Science“ erschienen ist, legt das nahe.

Dabei zeigte sich:

  • Frauen, die einmal wöchentlich Sex hatten, kamen deutlich später in die Wechseljahre als die, die nur etwa einmal im Monat sexuell aktiv waren
  • Bei Studienteilnehmerinnen, die noch weniger Sex hatten, bestätigte sich diese Tendenz
  • Der Effekt verstärke sich laut den Forscherinnen sogar, wenn sich Frauen ihrer Lust sogar mehrmals die Woche hingaben: Ihre Chancen, erst mit weit über 52 Jahren (das ermittelte Durchschnittsalter der Studie) in die Menopause zu kommen, liegen dann besonders hoch

Ob sie einen Partner haben oder nicht, beeinflusste die Ergebnisse nicht. Studienautorin Dr. Megan Arnot: „Wer das Einsetzen von unangenehmen Begleitsymptomen hinauszögern möchte, ist gut damit beraten, es mit mehr Sex zu versuchen.“

Die Forscherinnen hatten knapp 3000 US-Frauen im Alter von über 45 Jahren, die noch nicht in den Wechseljahren waren und im Schnitt zwei Kinder haben, über einen Zeitraum von zehn Jahren regelmäßig zu ihrer sexuellen Aktivität befragt.

Wechseljahre früher: Kein Sex, keine Schwangerschaft

Was Sex mit Menopause zu tun hat, erklären die Forscherinnen so: Wenn eine Frau wenig bis gar keinen Sex hat, deutet der Körper das als Signal: Schwangerschaft ausgeschlossen! Klug, wie der Organismus ist, spart er sich die Kraft, eine Menstruation zu veranlassen – und die Menopause beginnt.

Hier kommt die „Großmutter-Hypothese“ ins Spiel: „Es könnte ein biologischer Kompromiss zwischen dem Investieren von Energie in den Eisprung und dem Investieren in eine andere Sache geben, beispielsweise wenn man sich um Enkelkinder kümmert“, so Autorin Arnot.

Wechseljahre – das Ende der Erotik?

Wechseljahre – das klang lange nach Krankheit oder zumindest nach einem Zustand, der nicht wirklich etwas mit Erotik zu tun hat. Die Eierstöcke stellen die Arbeit ein, das Östrogen ist nur noch ein Schatten seiner selbst – gegen solche Fakten muss sich der Kopf erst einmal wappnen.

Dass trotz all dieser Veränderung sexuelle Lust möglich ist, wissen manche Frauen. Aber die Vielzahl eben nicht, so Forscher, die betonen: Weniger Lust auf Sex habe aber rein gar nichts mit den Wechseljahren zu tun. Eher im Gegenteil.

Das Bild der leidenden Frau sei längst überholt, heißt es in einer Studie der Uni Dresden, durchgeführt von Prof. Kerstin Weidner. Was auch zu folgender Erkenntnis führt: Hormon-Ersatztherapien können die Lust dann ja logischerweise auch nicht steigern.

Immer noch stehen diese Therapien im Verdacht, die Gefahr zu erhöhen, an Brustkrebs zu erkranken. Ob Frauen weniger Lust auf Sex verspüren, hänge vielmehr mit Faktoren wie persönliches Glück zusammen – eine gute Partnerschaft, Zufriedenheit im Beruf, so die Studie.

Frisch verliebt, klappt es auch im reifen Alter

TV-Moderatorin Katja Burkard räumt in ihrem Buch „Wechseljahre – keine Panik“ mit vielen Vorurteilen auf. FuturexImage
TV-Moderatorin Katja Burkard räumt in ihrem Buch „Wechseljahre – keine Panik“ mit vielen Vorurteilen auf. FuturexImage © imago/Future Image | imago stock&people

TV-Moderatorin Katja Burkard räumt in ihrem Buch „Wechseljahre – keine Panik“ (Blanvalet Verlag) ebenfalls mit dem Vorurteil auf, dass Frauen während der Wechseljahre keinen Sex mehr wollen. „Vielleicht wollen sie nur einfach keinen schlechten Sex mehr.“

Sie kenne Frauen über 50 und 60, die gar nicht mehr aus dem Bett herauswollten. Auch Forscher haben das beobachtet: Vor allem, wenn sich Paare frisch verlieben. Durch die Lust, die bereits im Kopf einsetze, habe sich auch manches Thema wie die vaginale Trockenheit erledigt.

Forscher wie die Medizin-Psychologin Beate Schultz-Zehden halten die Orgasmusfähigkeit von Frauen mit 50plus sogar für besser als je zuvor. Es fallen viele Stressfaktoren weg. Die Kinder sind meist aus dem Haus, die meisten Frauen haben beruflich etwas erreicht. Das Sexualleben laufe viel entspannter ab. In England heißen die Wechseljahre „The Chance“. Eine Chance, die von vielen Frauen genutzt werde - auch beim Sex die Initiative zu ergreifen.

Der chemische Liebescocktail, der beim Sex ausgeschüttet wird, hat – da sind sich die Wissenschaftler einig - hat einen äußerst positiven Effekt: Er hebt die Laune und senkt das Risiko, an Krebs oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu sterben, um bis zu 50 Prozent. Allerdings befassen sich die Studien hier vornehmlich mit den Männern.

Auch in den Sex-Ratgebern wird auf die Orgasmusfähigkeit der Frau mit 50plus verwiesen. Allerdings wird dort weitgehend verdrängt, was in den USA unter dem Begriff FSD (Female Sexual Dysfunction) fällt:

  • schwere sexuelle Erregbarkeit
  • Orgasmusschwierigkeiten
  • Schmerzen beim Verkehr

Dieser Libidoverlust betrifft jedoch laut Forscher bereits ein Drittel aller Frauen vor der Menopause.

Frauen gucken Pornos und verfügen über Sextoys

Fürsprecherinnen für mehr Lust im Alter begegnen dem Libidoverlust mit der Ankurbelung der Fantasie. Zum Beispiel mithilfe erotischer Filme. Eine britische Studie aus dem Jahr 2015 führte zu dem Ergebnis, dass sich 63 Prozent der Frauen mehrmals pro Woche Pornos anschauen.

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    Frauen, die dem Leben eher positiv gegenüberstehen, würden den Sex auch im Alter nicht so schnell aufgeben wollen, heißt es. Sie suchen nach Lösungen, wenn die Libido nachlässt: Erotische Filme, erotische Literatur, bei Bedarf künstliche Befeuchtung der Trockengebiete – und Sextoys.

    Immerhin greifen 21 Prozent der Frauen auf Sexspielzeug zurück – und nur 16 Prozent der Männer, so eine Umfrage des Sextoy-Anbieters Amorelie in Zusammenarbeit mit dem Marktforschungsinstitut SSI. Frauen, so heißt es, gelten im Vergleich zum Mann zu den sexuelle Abenteuerinnen. Auch noch mit 50plus.

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