Köln. Für Hobby-Model Natalie Nußbaum ist ihre Prothese kein Hindernis. So ist sie zu ihrem Shooting mit der bekannten Modemarke gekommen.

Im Trainings-Anzug der Paralympics-Kollektion stand sie in Farben der Deutschland-Flagge Ende August 2021 als Newcomer-Model für Adidas vor der Kamera: Natalie Nußbaum ist 33 Jahre alt, lebt und arbeitet in Köln als Controllerin.

Schon seit ihrem ersten Lebensjahr ist sie an ihre Unterarmprothese gewöhnt. Vor ihrer Geburt hat sich die Nabelschnur um ihren Arm gewickelt und sie verlor dadurch den rechten Unterarm. Nußbaum berichtet im Interview, dass sie dank ihrer Prothese alle Freiheiten hat, um das zu tun, was sie sich zum Ziel setzt.

Frau Nußbaum, wie stehen Sie zu Ihrer Prothese?

Natalie Nußbaum: Meine Eltern haben mich so erzogen, dass ich alles schaffen kann, was ich mir wünsche - wie jeder andere Mensch auch. Das hat mich stark gemacht. Die Prothese ist ein Teil von mir. Wenn jemand auf sie schaut und mich darauf anspricht, dann freue ich mich auf das Interesse und vor allem die Offenheit!

Wie sind Sie zum Modeln gekommen?

Nußbaum: Vergangenes Jahr im Mai hat mich mein Prothesentechniker gefragt, ob ich Lust darauf hätte, bei einem Foto-Shooting für ihn vor der Kamera zu stehen. Dort hat mich der Fotograf dazu ermutigt, mich bei einer Agentur zu bewerben.

Für Hobby-Model Natalie Nußbaum ist ihre Prothese kein Hindernis.
Für Hobby-Model Natalie Nußbaum ist ihre Prothese kein Hindernis.

Im Gespräch mit Menschen und durch meinen Instagram-Kanal (@nati.walnut) habe ich gemerkt, dass das Interesse an dem Thema groß ist und dachte mir: Warum eigentlich nicht? Eine Woche nach meiner Bewerbung bei FAMEONME hat sich die Agentur bei mir gemeldet und gefragt, ob ich Interesse hätte, für einen Sportartikel-Hersteller zu shooten. Dann habe ich nebenbei erfahren: Es geht um Adidas.

Wie hat es sich angefühlt, das erste Mal vor der Kamera für einen großen Kunden zu stehen?

Nußbaum: Mir hat es super viel Spaß gemacht. Natürlich wusste ich noch nicht, was genau auf mich zukommt. Ich war gespannt auf das Team und darauf, was von mir erwartet wird. Alle waren super herzlich und haben sich auf uns gefreut.

Außer mir war nämlich noch ein männliches Model mit zwei Beinprothesen dabei. Das Team war sehr aufmerksam. Sie haben uns gefragt, ob sie etwas beachten müssen. In unserem Fall war das nicht so.

Ich habe früh gelernt sehr selbstständig zu sein. Und wenn mal etwas nicht funktioniert, frage ich auch gerne nach Hilfe. Die Leute vor Ort haben uns beim Shooting Tipps gegeben und ich habe mich wirklich sehr gut aufgehoben gefühlt.

Und dann waren Sie im Online-Shop zu sehen: Wie war das für Sie, Ihre Freunde und die Familie?

Nußbaum: Mein erster Gedanke war „ok, krass“. Und so haben auch andere reagiert. Ich fand es super, dass wir – wie jedes andere Model auch – im Shop zu finden waren, ohne großes Tam Tam. Auch heute schaue ich mir die Bilder gerne an.

Was bedeutet Ihnen das Hobby Modeln?

Nußbaum: Für mich ist das eine weitere Möglichkeit zu zeigen, dass jeder mit einer Prothese genauso seine Ziele erreichen kann. Wichtig ist der Glaube an sich selbst und dass man es schaffen möchte.

Es lohnt sich, ab und zu ins kalte Wasser zu springen. Mir macht das Modeln großen Spaß und ich freue mich auf weitere Projekte. Erst vor kurzem stand ich zum Beispiel für ooia vor der Kamera, einem Hersteller für Periodenunterwäsche.

Wie reagieren fremde Menschen auf Sie und das, was Sie tun? Und wie stehen Sie dazu?

Nußbaum: Für mich ist es kein Problem, wenn mich Menschen zum Beispiel auf der Straße ansehen. Mir geht es doch auch so: Ich schaue mir genauso Menschen an, die mir auf der Straße begegnen. Und wenn etwas interessant ist, dann schaue ich auch ein zweites Mal hin.

Viele sind einfach neugierig und das ist für mich auch total in Ordnung. Erst vor einer Woche hat mich eine ältere Frau angesprochen und gefragt: „Ist das so eine High-Tech-Prothese, die es heutzutage gibt?“

Ich finde es total schön, wenn ich Menschen inspirieren, motivieren oder dazu beitragen kann, dass die Berührungsängste mit dem Thema und zwischen den Menschen weniger werden.

Ich wünsche mir, dass wir schon kleinen Kindern beibringen, dass unsere Gesellschaft kunterbunt ist und alles normal ist - damit sie lernen, offen und neugierig zu sein.

Wie schätzen Sie die Chancen von Models mit Handicap ein? Kann sich der Trend etablieren?

Nußbaum: Es kommt auf die Botschaft an, die über die Medien gespielt werden soll. Diejenigen, die Diversität kommunizieren möchten, spiegeln unsere Gesellschaft so wider wie sie ist und berücksichtigen auch viele verschiedene Persönlichkeiten.

Unsere Gesellschaft ist bunt und so sollten wir sie abbilden. Persönlich glaube ich, dass aktuell ein Prozess hin zu mehr Offenheit im Gange ist. Ich wünsche mir, dass der Begriff "Schönheit" vielfältig ist.