Washington/New York. New Yorks Gouverneur Andrew Cuomo wird der schweren sexuellen Belästigung beschuldigt. Nun reagierte US-Präsident Joe Biden deutlich.

  • New Yorks Gouverneur Andrew Cuomo wird schwer beschuldigt
  • Der Demokrat soll Frauen massiv sexuell belästigt haben
  • Jetzt fordert US-Präsident Joe Biden seinen Rücktritt

Ungewollte Küsse, sexuell motivierte Berührungen, Umarmungen und anzügliche Kommentare, die gerade für Frauen eine "feindliche Arbeitsatmosphäre" und ein "Klima der Angst" erzeugten - das war nach Erkenntnissen der New Yorker Generalstaatsanwältin Letitia James über Jahre das Markenzeichen ihres Vorgesetzten, Gouverneur Andrew Cuomo.

Wie aus einem 168-seitigen Untersuchungsbericht der Ermittlungsbehörde hervorgeht, soll der 63-jährige Demokrat, der es während der Hochphase der Corona-Pandemie zu weltweitem Ruhm brachte, fast ein Dutzend Frauen, die beruflich in einem Abhängigkeitsverhältnis zu ihm standen, massiv sexuell belästigt haben.

Die Vorwürfe wiegen so schwer, dass sich nun auch US-Präsident Joe Biden eingeschaltet hat. Er forderte Cuomo zum Rückzug aus seinem Amt auf. "Ich denke, er sollte zurücktreten", sagte der Demokrat Biden am Dienstag im Weißen Haus über seinen New Yorker Parteifreund.

Gouverneur Mario Cuomo: 7000 Beweis-Materialien

Zuvor hatte Staatsanwältin James bei einer Pressekonferenz am Dienstag in New York die erdrückenden Ergebnisse der Untersuchung dargelegt. Die Vernehmung von rund 180 Zeugen und die Sichtung von über 7000 Beweis-Materialien (E-Mails, Text-Mitteilungen, Videos, Fotos etc.) hätten ein „sehr verstörendes, aber klares Bild” ergeben, so James.

Cuomo habe danach ein „Muster” an den Tag gelegt, als er Mitarbeiterinnen sexuelle Avancen machte oder sie gegen ihren Willen unsittlich berührte. Letitia James erklärte, die belastenden Aussagen seien von elf Betroffenen gekommen. „Ich glaube diesen Frauen und ich bedanke mich bei ihnen für ihren Mut.”

Weil bereits beim ersten Auftauchen der Vorwürfe im Winter Dutzende Demokraten direkt oder verklausuliert den Rücktritt ihres Parteikollegen gefordert hatten, wird damit gerechnet, dass die politische Luft für den Sohn des früheren New Yorker Gouverneurs Mario Cuomo im Zeitalter der #meToo-Bewegung in den kommenden Wochen existenzbedrohend dünn wird. Präsident Joe Biden, politisch mit Cuomo befreundet, hatte bereits vor Wochen gesagt, dass ein Rücktritt überfällig wäre, sollten sich die Vorwürfe bestätigen.

Generalstaatsanwältin James betonte, der Untersuchungsbericht spreche für sich selbst, Cuomo habe gegen Bundes- und Bundesstaats-Gesetze verstoßen. Entsprechende Konsequenzen seien nun vom Kongress in der Hauptstadt Albany oder von Cuomo selbst zu ziehen.

Vorwürfe gegen Cuomo: Jetzt liegen die Fakten vor

Cuomo selbst hatte die Vorwürfe bis zuletzt rundherum abgestritten („Was mir vorgeworfen wird, habe ich nicht getan. Punkt”) und sich als Opfer einer politisch motivierten Vorverurteilung stilisiert. Vehement rief er dazu, unabhängige Ermittler zu bitten, die Anschuldigungen akribisch zu untersuchen. „Wartet auf die Fakten!”, hielt der zuweilen bullig auftretende Bruder des CNN-Moderators Chris Cuomo seinen Kritikern auch in den eigenen Reihen entgegen.

Die Fakten liegen nun vor. Zusammengetragen von den Top-Juristen Anne Clark und John Kim, die - um dem Verdacht der Kumpanei zu entgehen - von Generalstaatsanwältin James gebeten wurde, von außen den Fall zu untersuchen. Ihr Fazit ist für Cuomo verheerend. Ein Detail: Im Untersuchungsbericht wird herausgearbeitet, dass Cuomo einer Assistentin im Gouverneurs-Sitz in Albany im November 2020 unter die Bluse an den Busen gegriffen hat.

Mehrere Frauen werden ihm sexuelle Belästigung vor

Die Frau gab in ihrer Vernehmung an, sie werde diesen Missbrauch wohl „mit ins Grab nehmen”; aus Angst, ihren Job zu verlieren, falls sie die Übergriffigkeit ihres Vorgesetzten anzeigen würde. Als Cuomo im März dieses Jahres in einer denkwürdigen Pressekonferenz Stein und Bein schwor, niemals in seinem Leben eine Frau gegen ihren Willen „unangemessen” angefasst zu haben, brach die Frau psychisch in Anwesenheit von Kollegen zusammen und berichtete, was ihr widerfahren ist.

Andrew Cuomo, Gouverneur des US-Bundesstaates New York, spricht auf einer Pressekonferenz.
Andrew Cuomo, Gouverneur des US-Bundesstaates New York, spricht auf einer Pressekonferenz. © dpa

Auch zwei andere Fälle stellen sich aus Ermittlersicht so dar, wie sie bereits in US-Medien im März geschildert wurden: Die 36-jährige Lindsey Boylan sagte, Cuomo habe sie gegen ihren Willen auf den Mund geküsst, sie am „unteren Rücken, den Armen und Beinen" berührt und sie zu einer Partie „Strip-Poker" aufgefordert. Die 25-jährige Charlotte Bennett berichtete, Cuomo habe ihr gesagt, er sei offen für Beziehungen mit jungen Frauen. „Ich habe verstanden, dass der Gouverneur mit mir schlafen wollte, und habe mich furchtbar unwohl und verängstigt gefühlt”, sagte Bennett seinerzeit der „New York Times”.

Cuomo ist seit zehn Jahren Gouverneur des Bundesstaates New York. Er kündigte zuletzt an, 2022 erneut für den Top-Posten im Rang eines deutschen Ministerpräsidenten kandidieren zu wollen. Einen Rücktritt lehnte er bisher ab, obwohl im Parlament in Albany diverse Anstalten unternommen wurden, ein Amtsenthebungverfahren gegen ihn einzuleiten. Cuomos arrogant klingende Replik darauf lautetet: „Ich wurde von den Menschen im Bundesstaat gewählt. Ich wurde nicht von Politikern gewählt.”

Cuomo machte sich während Corona-Pandemie zunächst guten Namen

Als New York das amerikanische Epizentrum der Corona-Seuche war, machte sich Cuomo mit täglichem Klartext über das Infektionsgeschehen weltweit einen guten Namen. Seine Presse-Konferenzen, ein krasser Kontrast zum mäandernden Donald Trump im Weißen Haus, erlangten Kult-Status.

Cuomo wurde dafür sogar mit dem Emmy, dem wichtigsten Fernsehpreis Amerikas prämiert. Dass Zehntausende Senioren in Altenheimen des Bundesstaates unterversorgt waren und an Corona starben, dass Cuomo im vergangenen Jahr ein hoch dotiertes Buch über seine Zeit als Corona-Kapitän schrieb, hat die Reputation des Gouverneurs stark beschädigt. Ein Grund: Die Zahl der Todesfälle in Senioren-Einrichtungen wurde dem Vernehmen nach mit Cuomos Wissen zunächst künstlich klein gerechnet. Erst später wurde das volle Ausmaß der Tragödie öffentlich.

In der Affäre um fortgesetzte sexuelle Belästigung könnte Cuomo auch zum Verhängnis werden, dass ranghohe Mitarbeiter in mindestens einem Fall eine Frau gemobbt haben, die sich über die unerwünschten Offerten des Gouverneurs intern beschwert hatte.