Paris. Die Pariser Kathedrale Notre-Dame ist auch sechs Monate nach dem verheerenden Feuer labil. Giftige Dämpfe gefährden noch immer die Gesundheit.
Es ist ein Bild des Jammers, welches die genau vor einem halben Jahr von einem Brand schwer beschädigte Pariser Kathedrale Notre-Dame bietet. Der größte Teil ihres Dachs sowie die Fenster werden von Plastikplanen verdeckt, schwarze Brandflecken verunzieren die Fassade und die majestätischen Bögen der Außenwände stützen schwere Holzbalken.
Als die Kathedrale am 15. April in Flammen aufging, war die größte Sorge: Stürzt sie ein - ist sie für immer verloren? Das wurde erstmal verhindert. Schon bald gab es große Versprechungen: Wiederaufbau in fünf Jahren. Es wurde über ein begrüntes Dach oder einen neuen Turm aus Laserstrahlen philosophiert.
Ein halbes Jahr später könnten solche Gedanken kaum ferner sein. Denn an Wiederaufbau und moderne Spielereien ist derzeit gar nicht zu denken - das Gebäude ist immer noch einsturzgefährdet.
Notre-Dame weiter einsturzgefährdet – Das Wichtigste in Kürze:
- Notre-Dame in Paris droht weiter der Einsturz
- Auch Fortschritte beim Wiederaufbau gibt es nicht
- Es ist ein Wettlauf mit der Zeit
Gleich einer riesigen Spinne klammert sich außerdem eine abenteuerlich verbogene Stahlkonstruktion über den in Rauch aufgegangenen Dachstuhl. Bei der Stahlkonstruktion handelt es sich um ein Baugerüst, das im Frühjahr für die Renovierung des beinahe 100 Meter hohen Mittelturms installiert wurde.
Pariser Kathedrale Notre-Dame in Flammen
In der Brandnacht ließen die Flammen nicht nur den Mittelturm einstürzen, sondern brachten auch Teile des Gerüsts zum Schmelzen.
In sich verhakt drückt das tonnenschwere Geflecht nun auf den tragenden und nach wie vor vom Löschwasser durchnässten Mauern der Kathedrale. Ein hohes Absperrgitter hält Touristen auf Abstand.
Notre-Dame könnte noch zusammenbrechen
Doch Fortschritte beim Wiederaufbau der weltberühmten Basilika gibt es nicht. Auch nach sechs Monaten bemühen sich Arbeiter auf der Mitte der Seine-Insel Île de la Cité allein darum, die Kathedrale vor dem Zusammenbrechen zu bewahren. Wobei selbst die Absicherung von Notre-Dame wegen strengster Sicherheitsauflagen nur im Schneckentempo vorankommt.
Die Statik des schwer mitgenommenen Gebäudes ist so labil, dass sich immer wieder schwere Steine aus dem durchlöcherten Gewölbe lösen und in den Innenraum stürzen. Zudem müssen die Arbeiter Schutzanzüge und Atemmasken tragen, um einer Bleivergiftung vorzubeugen. Das sind die wichtigsten Fakten zur Notre-Dame in Paris.
Note-Dame: Das Blei wird zum Problem
Jene 500 Tonnen Blei nämlich, die das Dach deckten, sind durch den Brand geschmolzen und die dabei freigesetzten giftigen Dämpfe verseuchten Wohnhäuser, Schulen und öffentliche Plätze. Trotz mehrerer Reinigungsaktionen kann eine Gesundheitsgefährdung der Anwohner noch nicht ausgeschlossen werden.
In der Dachkonstruktion und der Turmabdeckung der Kathedrale war tonnenweise Blei verbaut. Es war bei dem Feuer geschmolzen und verschmutzte die Umgebung.Im Sommer mussten die Arbeiten sogar zwischenzeitlich unterbrochen werden, weil die Sicherheitsvorschriften für Bauarbeiter nicht eingehalten worden waren.
Verbände kritisierten, dass rund um Notre-Dame Wohnhäuser, Schulen und öffentliche Plätze verschmutzt seien. Die Stadt veranlasste aufwendige Reinigungsaktionen, es gab riesige Absperrungen und unzählige Messungen. Das Blei wurde zum Politikum.
Experten: Notre-Dame würde Herbststurm nicht überstehen
Die Verzögerungen sind umso gravierender, als es sich bei der Sicherung von Notre-Dame um einen Wettlauf mit der Zeit handelt. Heftige Regenfälle oder ein schwerer Herbsturm drohen die Kathedrale nach wie vor zum Einsturz zu bringen. So fürchten Experten, dass Notre-Dame Winde mit mehr als 80 Stundenkilometern in ihrem derzeitigen Zustand nicht verkraften kann.
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„Nein, noch ist der Fortbestand der Kathedrale nicht garantiert“, muss auch Erzpriester Patrick Chauvet zugeben. Der Domdekan ist der Leiter der Baustelle von Notre-Dame und die „bestenfalls schleichenden Fortschritte bereiten mir große Sorgen“.
Präsident Macron versprach schnellen Wiederaufbau
Von der Frist von fünf Jahren, die Präsident Emmanuel Macron für den Wiederaufbau ausgab, mag der Geistliche erst gar nicht reden. Nach der derzeitigen Lage dürfte die Sicherung noch lange Monate in Anspruch nehmen, mit dem Beginn der Rekonstruktion ist also frühestens 2020 zu rechnen.
Seit bekannt wurde, wie prekär die Situation ist, verstummte auch der Streit, den die ersten Pläne für den Wiederaufbau auslösten. Ein von der Regierung ausgelobter Wettbewerb hatte im Sommer die Fantasie von Architekten aus aller Welt regelrecht in den Himmel schießen lassen. Das sind die wichtigsten Fragen und Antworten zum Feuer der Notre Dame.
So schlug ein brasilianisches Büro ein neues Dach aus Kirchenfenstern vor, ein russischer Architekt sogar ein vollkommen durchsichtiges Glasdach. Ein Pariser Designer wiederum stellt sich eine riesige goldene Flamme auf dem Dachrücken vor, ein Architekt aus der Slowakei will dort einen Wald aus Bäumen ansiedeln und ein schwedischer Entwurf wirbt sogar für die Einrichtung eines Schwimmbads. Derzeit aber gilt es zu retten, was zu retten ist.