Berlin/Leipzig. Ein Korruptionsfall erschüttert Sachsens Polizei. Eine Ermittlerin soll mehr als 1000 gestohlene Fahrräder illegal verkauft haben.

Eine Polizistin als Hehlerin? Eine Polizeihauptmeisterin aus Leipzig soll rund 1000 gestohlene und sichergestellte Fahrräder illegal weiterverkauft haben – unter anderem an Kollegen, Staatsanwälte und Richter.

Die „Dresdner Morgenpost“ berichtete am Donnerstag über den Fall. Der Sprecher des sächsischen Landeskriminalamtes (LKA), Tom Bernhardt, bestätigte der „Bild“-Zeitung, dass seine Behörde seit Ende des vergangenen Jahres in diesem Fall ermittelt.

Jedes Jahr werden Hunderttausende Fahrräder in deutschen Großstädten gestohlen. 2019 waren es laut der Polizeilichen Kriminalstatistik 277.874 angezeigte Fälle. Leipzig und Berlin gelten als Hochburgen der Fahrraddiebe.

Das Gros der Räder taucht nicht wieder auf, manche aber eben doch. Wenn die Besitzer nicht ermittelt werden können, kommt das Diebesgut in die Asservatenkammer der Polizei. Aus einer solchen soll sich die Polizistin bedient haben.

Leipzigs Ermittlungsgruppe Fahrradkriminalität – selbst kriminell?

Die Beamtin arbeitete laut dem Bericht der „Dresdner Morgenpost“ bei der 2012 gegründeten Ermittlungsgruppe „Zentrale Bearbeitung der Fahrradkriminalität“ („ZentraB Fahrrad“). Ende 2019 sei das Prestigeobjekt bereits wieder aufgelöst worden. Darüber habe Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) als oberster Dienstherr der Landespolizei die Öffentlichkeit aber nicht informiert.

Laut dem Bericht hatte Leipzigs Polizeipräsident Torsten Schultze die Ermittlungen gegen die „ZentraB Fahrrad“ schon Ende 2019 an das LKA abgegeben – auch das Innenministerium sei darüber informiert gewesen.

Polizisten sollen binnen vier Jahren mehr als 1000 Räder verhökert haben

Ebenso habe Wöller den Grund für die Auflösung der „ZentraB Fahrrad“ gekannt. „Nach einer mehrmonatigen Inventur gehen die Ermittler inzwischen davon aus, dass in vier Jahren mehr als 1000 Fahrräder von Polizisten illegal vertickt wurden“, berichtet das Blatt am Donnerstag.

Das sächsische Innenministerium wies den Vorwurf der Vertuschung umgehend via Twitter zurück.

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Nach dem Bericht der „Dresdner Morgenpost“ entwickelte die Hauptverdächtige ein beträchtliches Maß an krimineller Energie: Sie soll wiedergefundene Fahrräder, für die die Versicherungssumme bereits bezahlt worden war oder deren Besitzer nicht mehr gefunden werden konnten, einem gemeinnützigen Verein gespendet haben. Das allein wäre rechtlich nicht zu beanstanden.

Der Vater der Hauptverdächtigen soll die Räder verkauft haben – als Strohmann

Allerdings soll es sich dabei um einen Kleingartenverein handeln. Wie die Zeitung berichtet, habe der Vater der Polizistin im Vorstand der Laubenpieper gesessen.

Der Vater soll die Fahrräder als Strohmann für seine Tochter verkauft haben – zum Stückpreis von 50 bis 100 Euro. Ihre „Geschäfte“ habe die Polizistin teilweise sogar auf dem Hof der Leipziger Asservatenkammer abgewickelt, berichtet das Blatt.

Die Frau ist demnach nicht die einzige Tatverdächtige. Sachsens Antikorruptionseinheit „Ines“ ermittle gegen insgesamt 13 Beamte der ehemaligen „ZentraB Fahrrad“. Und der Kreis der möglicherweise korrupten Polizisten ist mutmaßlich noch größer.

Gegen 40 Polizisten, mehrere Staatsanwälte und einen Richter wird ermittelt

Die „Dresdner Morgenpost“ zitiert aus einem internen Papier des LKA. Darin heißt es: „Es ist nach gegenwärtigem Ermittlungsstand davon auszugehen, dass zumindest 40 Beamte der Polizeidirektion Leipzig betroffen sind, die zum Tatzeitpunkt unter anderem in der Kriminalpolizeiinspektion, den Polizeirevieren, dem Führungs- und Lagezentrum sowie dem Referat 3 der PD Leipzig tätig waren.“ Referat 3 steht für das Referat „Kriminalitätsbekämpfung“.

Darüber hinaus sollen auch Staatsanwälte und möglicherweise ein Richter illegal Fahrräder aus der Asservatenkammer erworben haben – sie hätten sich ebenfalls der Hehlerei schuldig gemacht.