Antakya. Christian Unger und Reto Klar berichten aus dem Erdbeben-Gebiet in der Türkei. In einem Reporter-Tagebuch schildern sie ihre Eindrücke.

Wir sehen die Trümmer, jeden Tag. In jeder Stadt. Schutt, Steine, Eisenstangen. Und je länger wir aus dem Erdbebengebiet berichten, desto öfter tauchen diese Gedanken auf: Wie schrecklich muss es sein, eingeklemmt zwischen Beton zu liegen? Nichts zu sehen, nicht einmal die eigene Hand vor Augen. Nichts zu hören. Oder vielleicht die Bagger, wie sie schaufeln. Wie sie irgendwann ihre Arbeit stoppen, weiterfahren.

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Das Erdbeben ist hässlicher Menschenfeind. Es hat die Bewohner im Süden der Türkei ohne Vorwarnung getroffen. Viele hatten keine Chance zu fliehen aus ihren Häusern. Mitten in der Nacht. Nichts am Körper außer ein Hemd oder ein Pyjama. Wir sprechen mit Katharina Lederer über unsere Gedanken. Unsere Fragen an einen Ausnahmezustand unter Schutt, den wir uns vorstellen. Und doch nicht vorstellen können.

Reto Klar (links) und Christian Unger in Iskenderun im türkischen Erdbebengebiet.
Reto Klar (links) und Christian Unger in Iskenderun im türkischen Erdbebengebiet. © Reto Klar/FUNKE | Reto Klar/FUNKE

Erdbeben in der Türkei: Rettungsarbeiten gehen weiter

Lederer ist Team-Ärztin beim Technischen Hilfswerk (THW). Wir treffen sie im Lager der Organisation im Ort Kirkhan. Seit Tagen retten die Helfer Menschen aus den Trümmern. Gestern, erzählt sie uns, haben sie noch eine Frau gerettet. 88 Jahre alt. Mehr als fünf Tage und fünf Nächte lag sie verborgen. Wir hören diese Geschichten über die kleinen Wunder immer wieder — und doch sind wir jedes Mal baff.

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Katherina Lederer THW Teamärztin in der vom Erdbeben schwer getroffenen Stadt Kirikhan.
Katherina Lederer THW Teamärztin in der vom Erdbeben schwer getroffenen Stadt Kirikhan. © Reto Klar / FUNKE Foto Services

Lederer erzählt, dass Trümmer und Schutt einen Vorteil bieten: Sie isolieren die wenige Wärme gut, die sich durch die Tagessonne im Stein und in den Hohlkammern speichert. Wenn nachts in der Türkei die Temperaturen unter den Gefrierpunkt wandern, bleibt es unter den Trümmern etwas wärmer. Das steigert die Überlebenschancen.

Noch immer werden Tausende Menschen unter den Trümmern vermutet

Die Chancen aber sinken, wenn Menschen unter Trümmern noch leben, aber verletzt sind. Quetschungen oder Blutungen. Und nach längerer Zeit ohne Bewegung im Liegen setzen Muskeltraumata ein. Gewebe stirbt ab, das setzt Stoffe frei, die die Niere nicht abbauen kann. Es droht Nierenversagen.

Es sind medizinische Prozesse, Details zu Körperfunktionen. Sie blenden aus, dass ein Mensch unter Trümmern vor allem eines muss: den Willen haben, zu überleben. Rauszukommen. Ans Licht. Lesen Sie auch: Reporter-Tagebuch Tag 3: Räumen, retten, bergen. Immer wieder.