Berlin. „The Crown“ ist ein Netflix-Hit. Doch mehrere Episoden über das Leben der Queen sind fiktiv. So authentisch ist die Serie wirklich.

Die britische Königsfamilie liefert seit Jahrzehnten zuverlässig die bekannteste wahre Familien-Saga der Welt, teilweise könnte man durchaus von einer royalen Seifenoper sprechen. Verständlich, dass sich der Streamingdienst Netflix entschloss, mit „The Crown“ dazu die passende Serie zu bieten. Als Queen Elizabeth II. im September 2022 verstarb, ruhten kurzzeitig die Dreharbeiten – ganz offiziell als Respekt vor der Königin.

Zu der Zeit wurde in den Londoner Studios bereits die sechste und nach aktuellen Planungen letzte Staffel gedreht, in Deutschland lief mittlerweile die fünfte Staffel. Und es stellt sich die Frage: Was ist pure Fiktion und was hat tatsächlich so stattgefunden?

Im Gegensatz zur Trash-Klamauk-Serie „The Royals“ mit Liz Hurley bemüht sich „The Crown“, möglichst nahe – die erste Staffel begann die Handlung im Jahr 1947, in dem die Queen Prinz Philip heiratete – an den tatsächlichen Geschehnissen im Hause Windsor zu sein. Auch wenn immer wieder betont wurde, dass es sich schlussendlich nicht um eine Doku, sondern eine fiktionale TV-Serie mit realen Vorbildern handle.

„The Crown“ ist für Skandale gut

Eine Zusammenarbeit mit dem Königshaus fand nicht offiziell statt – wohl weil die Produzenten eine zu große Einflussnahme auf die Handlung befürchteten. Was bedeutet: Man wollte nicht riskieren, dass von den echten Royals gefordert wurde, auf zu viel zu verzichten, was die Serie eigentlich ausmacht.

In jeder Staffel gab es mindestens einen Fall, der heiß diskutiert wurde – und manches, was tatsächlich nicht der historischen Realität entsprach: Der Tod von Prinz Philips Schwester wurde nicht den Tatsachen entsprechend dargestellt. Eine Affäre, die Philip mit der Primaballerina Galina Ulanova (1910-1998), die es wirklich gab, gehabt haben soll, ist wohl ebenfalls reine Fiktion – zumindest in keiner Weise belegt und nach Expertenmeinung eher unwahrscheinlich.

Das Leben der verstorbenen Queen Elizabeth – hier mit Urenkel Prinz Louis – ist Gegenstand der Erfolgsserie „The Crown“.
Das Leben der verstorbenen Queen Elizabeth – hier mit Urenkel Prinz Louis – ist Gegenstand der Erfolgsserie „The Crown“. © AFP | DANIEL LEAL

Manche Dialoge, die nur im privaten Rahmen stattfanden, sind wohl ebenfalls reine Erfindung. Ob es nun um die Liebschaft von Prinzessin Margaret (1930-2002) mit dem geschiedenen Kriegshelden Peter Townsend (1911-1995) geht, der wirklich ihre erste große Liebe war, oder um einen von Queen Mum (1900-2002) und Charles‘ Zieh-Onkel Lord Alexander Mountbatten (1900-1979) einberufenen Krisen-Gipfel, bei dem die Eltern der heutigen Königin Camilla und ihres ersten Mannes Andrew Parker-Bowles quasi genötigt wurden, schnellstmöglich Verlobung und Hochzeit ihrer Kinder zu arrangieren, während der junge Charles mit dem Marineschiff über die Meere kreuzte: Manches hätte so sein können, wenn es vermutlich auch nicht so war.

„The Crown“ mit neuem Prinz Philip

In Staffel fünf ist es wieder einmal Prinz Philip (mit dem neuen, insgesamt dritten Darsteller Jonathan Pryce), um den sich der Handlungsstrang dreht, der sofort in England zum Aufreger wurde: Dabei geht es um seine Beziehung zu Penny Knatchbull, Countess Mountbatten of Burma. Sie gibt es wirklich. Sie pflegte früher bei Fahrsport-Turnieren an der Seite des Prinzgemahls auf dem Kutschbock zu sitzen, stand mit Philip bis zu dessen Tod in engem Kontakt und nahm als eine von (wegen Corona) nur 30 zugelassenen Gästen, die nicht zur engsten Familie gehörten, an der Trauerfeier und Beisetzung von Philip 2021 in Windsor teil. Ebenso an der Trauerfeier der Queen.

Die „The Crown“-Macher hatten sich für diese Rolle die 52-jährige britische Schauspielerin Natascha McElhone geholt, bekannt als TV-Ehefrau von David Duchovny in der recht offenherzigen Serie „Californication“ – und erzeugen in Staffel fünf den Eindruck, die (echte) Countess habe nicht nur als Vertraute in Gesprächen (etwa über seine Ehe mit der Queen), sondern auch als dessen heimliche Geliebte fungiert.

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Andy Englert, Adels-Experte der FUNKE Mediengruppe, befasst sich seit mehr als 30 Jahren mit Königshäusern und ihrer Geschichte, derzeit als stellvertretender Chefredakteur der Zeitschriften „Frau im Spiegel“ und „Frau im Spiegel ROYAL“ sowie als Royal-Experte des Schweizer Fernsehens SRF.
Andy Englert, Adels-Experte der FUNKE Mediengruppe, befasst sich seit mehr als 30 Jahren mit Königshäusern und ihrer Geschichte, derzeit als stellvertretender Chefredakteur der Zeitschriften „Frau im Spiegel“ und „Frau im Spiegel ROYAL“ sowie als Royal-Experte des Schweizer Fernsehens SRF.

Das sorgt sichtlich für Ärger – inoffiziell heißt es aus dem Palast: Eine amouröse Beziehung zwischen Philip und Penny sei reine Fiktion, die Countess sei eine enge Freundin der gesamten königlichen Familie und keinesfalls die Geliebte des verstorbenen Prinzgemahls gewesen.

Die Royals haben weder durch Statements noch juristisch jemals auf die Serie reagiert. Das entspricht dem Kurs, den die Queen jahrzehntelang durchhielt und dem auch der neue König Charles III. zu folgen scheint. Die Countess ist allerdings kein Mitglied der royalen Familie.

„The Crown“ in der Kritik

Deutliche Kritik gab es allerdings an der Adaption der berühmten „Annus horribilis“-Rede, die die Queen am Jahresende 1992 im TV hielt. Deren Wortlaut ist heute noch weithin bekannt – in „The Crown“ wurde er abgewandelt, was vielen Zuschauerinnen und Zuschauern auffiel und für Spott bis Verärgerung sorgte. Die hervorragende Ausstattung der Serie und die präzisen Dialoge von Chef-Autor Peter Morgan, der bereits für den Spielfilm „The Queen“ mit Helen Mirren verantwortlich zeichnete, und der Gesprächsstoff, den „The Crown“ zum Start jeder Staffel über die britischen Grenzen hinaus liefert, haben das bei seinem Start mit rund 80 Millionen US-Dollar bis dahin teuerste Netflix-Projekt zu einem weltweiten Erfolg gemacht, überschüttet mit Ehrungen bei Emmy-, Golden-Globe-, British-Academy-Television-Awards- und Screen-Actors-Guild-Awards-Verleihungen.

Es ist bekannt, dass die Serie bei Hof aufmerksam gesehen, aber niemals kommentiert wird. Lediglich Königshaus-Aussteiger Prinz Harry sagte in einem Interview: „Ich sehe mir lieber ,The Crown’ an, als zu lesen, was über meine Familie, meine Frau oder mich geschrieben wird.“ Dabei ist zu beachten: Harry und Gattin Meghan haben selbst einen rund 100 Millionen Euro schweren Vertrag mit Netflix. Wer bessere Unterhaltung liefert, lassen wir mal dahingestellt.

Zumindest Harrys Bekenntnisse in seinen Memoiren „Reserve“ über den Verlust seiner Jungfräulichkeit auf der Wiese hinter dem Pub mit einem Stallmädchen wäre vermutlich nicht mal den kreativen „The Crown“-Autoren eingefallen.