Brüssel. Dieses Jahr sollte Schluss sein, stattdessen legt die EU-Kommission die Sommerzeit auf Jahre fest. Warum droht die Reform zu scheitern?

  • Die Menschen in der EU warten auf die Abschaffung der Zeitumstellung
  • Die EU-Kommission und das EU-Parlament haben das Ende der Zeitumstellung beschlossen
  • Doch die Abschaffung verschiebt sich immer weiter

Ganz Europa stellt an diesem Sonntag wieder die Uhr um eine Stunde zurück in Richtung Winterzeit. Und überall die gleiche Frage: Wann kommt das versprochene Ende der Zeitumstellung? Eigentlich sollte dieses Jahr Schluss sein. Fehlanzeige.

Stattdessen mehren sich die Anzeichen, dass die Abschaffung der Zeitumstellung komplett scheitert. Die verantwortliche EU-Kommission plant schon mit der Fortdauer der halbjährlichen Zeitumstellung – und hat sie in aller Stille für fünf weitere Jahre verbindlich geregelt.

Zeitumstellung: Das sind die neuen Termine

Die Brüsseler Beamten haben nach Informationen unserer Redaktion bereits die Termine für Sommerzeit und Winterzeit von 2022 bis Ende 2026 amtlich festgeschrieben, gültig für Deutschland und die gesamte EU.

Das ist der offizielle Plan für die Zeitumstellung, wie ihn die Kommission festgelegt hat:

  • 2022: Sommerzeit ab 27. März, Winterzeit ab 30. Oktober
  • 2023: Sommerzeit ab 26. März, Winterzeit ab 29. Oktober
  • 2024: Sommerzeit ab 31. März, Winterzeit ab 27. Oktober
  • 2025: Sommerzeit ab 30. März, Winterzeit ab 26. Oktober
  • 2026: Sommerzeit ab 29. März, Winterzeit ab 25. Oktober

Die Festlegung ist ein Rückschlag

Die für alle EU-Staaten gültige Festlegung ist brisant und ein sichtbarer Rückschlag für Befürworter einer Reform – auch wenn die Kommission mit ihrem neuen Fünf-Jahres-Plan nur den Vorschriften des EU-Gesetzes folgt, wie Beamte versichern.

Das entsprechende EU-Gesetz von 2001 schreibt vor, dass die Sommerzeit jeweils am letzten Sonntag im März beginnt und am letzten Sonntag im Oktober endet; die genauen Daten, wie die Kommission sie jetzt liefert, sollen der „Klarheit und Eindeutigkeit“ dienen.

Machtkampf zwischen Kommission und EU-Staaten

Aber es war die Kommission unter dem damaligen Präsidenten Jean-Claude Juncker, die im September 2018 den Vorschlag zur europaweiten Abschaffung der Zeitumstellung vorgelegt hatte, umzusetzen schon im März 2019!

Wenige Monate später sprach sich auch das EU-Parlament dafür aus, verlegte das Ende aber auf das Jahr 2021. Doch von Anfang blockierten die EU-Mitgliedstaaten die Beratungen – und legen es bis heute auf eine Machtprobe mit der Kommission an.Lesen Sie auch: Alles relativ: Wie andere Länder mit der Zeit umgehen

Der damalige EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker schaut im Februar 2018 auf seine Uhr. Im September des gleichen Jahres legte er den Vorschlag zur europaweiten Abschaffung der Zeitumstellung vor.
Der damalige EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker schaut im Februar 2018 auf seine Uhr. Im September des gleichen Jahres legte er den Vorschlag zur europaweiten Abschaffung der Zeitumstellung vor. © dpa | Virginia Mayo

Auch die Bundesregierung fordert Expertenstudie

Das Problem: Endet die Zeitumstellung, muss jeder Mitgliedstaat jeweils in eigener Verantwortung festlegen, ob er in seinen Grenzen dauerhaft Sommer- oder Winterzeit will. Beides hätte Vor- und Nachteile, die Entscheidung ist schwierig und erfordert enge Abstimmung mit den Nachbarländern.

Die Bundesregierung und andere Mitgliedstaaten haben deshalb in Brüssel eine Bedingung gestellt: Erst wenn die Kommission eine detaillierte Expertenstudie vorgelegt hat über die Auswirkungen der Reform, wollen sie über den Vorschlag beraten. Doch eine solche „Folgenabschätzung“ lehnt die Kommission schroff ab.

Die Kommission lehnt eine „Folgenabschätzung“ ab

„Der Ball legt bei den Mitgliedsländern“, erklärt ein Kommissionssprecher in denselben Worten, die schon im März 2021, im Oktober 2020 und im März 2020 verwendet wurden. Die Mitgliedsländer, die Bundesregierung eingeschlossen, schalten genauso auf stur: Ohne Gutachten keine Diskussion.

Also passiert nichts.

Hinter der Blockade der nationalen Regierungen stecken allerdings auch tiefgreifende Meinungsverschiedenheiten zwischen den Mitgliedstaaten. Einige sind komplett gegen das Ende der Zeitumstellung und wollen das Projekt leise beerdigen.

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Hat von der Leyen das Interesse an der Reform verloren?

Die große Mehrheit der Mitgliedstaaten, auch Deutschland, ist nach einer ersten Befassung eher ratlos und schiebt die heikle Festlegung zumindest hinaus. Dass wegen Corona das Thema etwas aus dem Blick geraten ist, kommt ihnen gelegen – doch die Verzögerung liegt nicht an der Pandemie.

Die Kommission scheint das Interesse an der Reform verloren zu haben. Darauf deutet nicht nur die Planung bis 2026 hin. Als EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ihr Amt antrat, setzte sie das Thema Zeitumstellung noch auf die Liste von Vorhaben, die mit Vorrang vorangetrieben werden sollten.

Davon ist nach Informationen unserer Redaktion keine Rede mehr. Inzwischen ist die Zeitumstellung sang- und klanglos aus dem offiziellen Arbeitsprogramm der Kommission verschwunden. Lesen Sie dazu:Zeitumstellung: Wann kommt Abschaffung? EU-Land macht Druck

Zu Beginn ihrer Amtszeit als EU-Kommissionspräsidentin setzte Ursula von der Leyen die Abschaffung der Zeitumstellung noch auf die Liste der vorrangigen Vorhaben. Inzwischen ist das Thema aus dem offiziellen Arbeitsprogramm der Kommission verschwunden..
Zu Beginn ihrer Amtszeit als EU-Kommissionspräsidentin setzte Ursula von der Leyen die Abschaffung der Zeitumstellung noch auf die Liste der vorrangigen Vorhaben. Inzwischen ist das Thema aus dem offiziellen Arbeitsprogramm der Kommission verschwunden.. © dpa | Olivier Matthys

Das EU-Parlament zeigt auf die Mitgliedsstaaten

Trotzdem richtet sich der Ärger im EU-Parlament jetzt vor allem auf die Mitgliedstaaten. Der Gesundheitspolitiker Peter Liese macht ihnen schwere Vorwürfe. „Eine Nichtbefassung mit dem Thema ist respektlos den Bürgerinnen und Bürgern gegenüber, die sich mehrheitlich gegen die Zeitumstellung aussprechen“, erklärt der Europaabgeordnete der CDU.

Die Mitgliedstaaten müssten spätestens nach der Corona-Krise endlich eine Antwort geben oder eingestehen, dass ein Scheitern der Abschaffung an ihnen liege, meint Liese. „Natürlich müssen wir technische Probleme lösen und uns koordinieren, sodass es nach einer Abschaffung nicht zu viele verschiedene Zeitzonen in Europa gibt, aber das kann man hinkriegen.“

Anna Deparnay-Grunenberg, Europaabgeordnete der Grünen, zieht ein bitteres Resümee: „Durch Blockade im Rat der EU und mangelnde Koordinierung zwischen den EU-Mitgliedsstaaten ist unklar, ob, wann und wie die Abschaffung endlich umgesetzt wird.“