Berlin. Bayer-Chef Baumann hat den Konzern in eine existenzielle Krise manövriert. Beginnt ein neues schwarzes Kapitel in der Firmengeschichte?

Drei Ohrfeigen hat sich Bayer in den USA bereits abgeholt. Dreimal haben Laien-Jurys den neuen Eigentümer von Monsanto zu hohen Strafen verdonnert – diesmal soll der umstrittene Hersteller des ebenso umstrittenen Unkrautvernichters Glyphosat sogar über zwei Milliarden Dollar zahlen.

Zwar dürften Berufsrichter in den folgenden Instanzen die absurd hohen Summen noch absenken. Doch rund 13.000 weitere Fälle stehen noch aus. Ausgang: völlig ungewiss.

Damit ist Monsanto für den deutschen Chemiekonzern ein Jahr nach der Übernahme nicht zum erhofften Gewinnbringer geworden – sondern zu einem enormen und vor allem unkalkulierbaren Risiko für Geschäft und Reputation. Seriös kann derzeit niemand abschätzen, wie diese riesige Zahl an Prozessen für Bayer, eine der wichtigsten Säulen der deutschen Industrie, ausgehen wird.

Mit jedem weiteren Urteil wird aber deutlich: Die Klägeranwälte in den USA können im Streit um die Krebs-Gefahr durch Monsantos Glyphosat und Schadenersatz für ihre schwer- bis todkranken Mandanten offenbar sehr gute Argumente vorbringen.

Bayer-Aktie befindet sich im Sturzflug

An der Börse wird der Hochmut der Bayer-Manager um Vorstandschef Werner Baumann bei der Übernahme des Saatgut- und Pflanzenschutzmittel-Herstellers Monsanto längst abgestraft. Bislang hat der hochprofitable US-Konzern aus St. Louis im Bundesstaat Missouri den neuen Hausherren vor allem Ärger eingebracht.

Immer mehr Anleger wenden sich ab. Bayer befindet sich auf dem Börsenparkett im Sturzflug, und jede neue Hiobsbotschaft beschleunigt diesen noch. Analysten sehen bereits das Risiko, dass Bayer nun selbst zum Kandidaten für eine Übernahme wird.

Wie sehr sich Bayer beim Kauf von Monsanto verhoben hat, zeigt der Blick auf eine wichtige Kennzahl: Der Konzern ist heute nicht einmal mehr so viel wert, wie er 2018 allein für die Übernahme von Monsanto gezahlt hat. Den 56 Milliarden Euro Kaufpreis steht heute ein Börsenwert von 50 Milliarden Euro gegenüber. Monsanto ist bei Bayer quasi verpufft.

Und neben dem bekannten Risiko der Glyphosat-Klagen hält der neue US-Ableger immer neue Überraschungen für die Leverkusener bereit. In Frankreich und womöglich in der ganzen EU hatte der Konzern Listen von Kritikern zusammenstellen lassen: Politiker, Journalisten, Wissenschaftler.

Rechtlich ist solch ein Vorgang vielleicht gerade noch okay – das prüfen schon bald französische Gerichte. Moralisch sind solche Geschäftspraktiken aber höchst fragwürdig.

Baumann und seine Vorstandskollegen sind angezählt

Hat Bayer bei solchen Themen vor der Übernahme von Monsanto in Erwartung des jährlichen Milliarden-Profits bewusst weggeschaut? Oder wollte vielleicht gar nicht so genau hinsehen? Lies man sich gar über manches Risiko hinwegtäuschen?

So oder so: Bayer-Chef Werner Baumann trägt dafür die Verantwortung. Er hat sein Unternehmen mit dem bis dato teuersten Zukauf eines deutschen Konzerns in eine existenzielle Krise manövriert.

Spätestens seit der Hauptversammlung Ende April sind Baumann und seine Vorstandskollegen angezählt: Beim Aktionärstreff in Bonn haben die Anteilseigner der Führungsriege die Entlastung verweigert. In der Geschichte der großen deutschen Börsenkonzerne ist das ein bislang einmaliger Vorgang.

Den schon zuvor schwer belasteten Namen Monsanto wollten die Manager nach der Übernahme aus der Welt schaffen und gute Geschäfte machen. Nun sieht alles danach aus, als ob mit dem Namen ein schwarzes Kapitel in der Firmengeschichte beginnt.