Bochum/Berlin. Selten landen Fälle von Polizeigewalt vor Gericht und noch seltener haben Bürger mit Klagen Erfolg. Nun liegen neue Zahlen dazu vor.

Das Gewaltmonopol liegt beim Staat, doch er scheint es immer wieder zu missbrauchen, wie Medien berichten. Jährlich gebe es mindestens 12.000 rechtswidrige Übergriffe durch Polizeibeamten, wie es in einer Studie heißt. Bisher sei von einem Fünftel dieser Fälle ausgegangen worden.

Das ARD-Magazin „Kontraste“ wie auch „Der Spiegel“ hatten die Zahlen zur Polizeigewalt verbreitet und berufen sich dabei auf eine Studie der Ruhr-Universität Bochum.

Die Hochrechnung basiert den Angaben nach auf der bislang größten Untersuchung zur Polizeigewalt in Deutschland unter Leitung des Kriminologen Tobias Singelnstein. An der Befragung nahmen demnach mehr als 1000 Betroffene teil. „Nach unseren bisherigen Befunden kann man davon ausgehen, dass das Dunkelfeld mehr als fünfmal so groß ist wie das Hellfeld, das wir in der Statistik sehen“, sagte Singelnstein gegenüber „Kontraste“ und dem „Spiegel“.

Polizeigewalt: Oft steht das Wort der Bürger gegen das der Beamten

Bislang sei lediglich von 2000 Fällen unrechtmäßiger Gewalt durch Polizeibeamte ausgegangen worden. Dies sind die Fälle, in denen Staatsanwaltschaften ermittelt haben. Strafrechtlich geahndet würden sie nur selten. Weniger als zwei Prozent der Fälle kämen vor Gericht, weniger als ein Prozent endeten mit einer Verurteilung, sagte der Professor für Kriminologie. Oft stehe das Wort der Bürger gegen das der Beamten.

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Verantwortlich für die geringe Aufklärungsquote seien vor allem die Staatsanwaltschaften, die ihr Verhältnis zur Polizei nicht belasten wollten, erklärte Singelnstein. Außerdem gebe es in den Staatsanwaltschaften die Grundannahme, dass Anzeigen wegen Körperverletzung im Amt in der Regel unberechtigt seien. Das führe dazu, dass man eher selten Anklage erhebe. Weitere Ergebnisse der Untersuchung sollen demnach im September präsentiert werden.

Gewerkschaft kritisiert Studie

Die Studie verärgert Rainer Nachtigall, den Vorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Landesverband Bayern, erheblich. Die veröffentlichten Aussagen der Studie, die vom ARD-Magazin „Kontraste“ und dem Magazin „Der Spiegel“ verbreitet wurden, fuße auf einem Fragebogen, der im Internet von jedermann online zu bearbeiten gewesen sei.

Nachdem was bisher bekannt sei, stütze sich die Teilstudie vor allem auf die Daten von ca. 1.000 Teilnehmern einer Online-Umfrage. Die Aussagekraft dieses Fragebogens sei nach Meinung des Gewerkschafters Nachtigall jedoch hinterfragt werden. Beispielweise sei nicht sichergestellt, dass es zu Mehrfachteilnahmen kommen konnte.

Ein Beispiel übermäßiger Polizeigewalt war das Vorgehen von Einsatzkräften gegen die bundesweit als „Polit-Putze“ bekannte Aktivistin Irmela Mensah-Schramm am Rande einer AfD-Demonstration im Mai in Berlin. Weil sich die 73-Jährige weigerte, einen Platz für ihren Protest gegen die AfD zu verlassen, den sie zuvor mit zwei Polizisten des „Anti-Konflikt-Teams“ vereinbart hatte, wurde die Seniorin nach eigenen Aussagen fünf Stunden in Gewahrsam genommen.

Bei der Festnahme durch drei Polizisten sei sie geschubst worden, ihr seien beide Arme verdreht worden, sie sei dabei zu Boden gegangen und „brutal“ hochgezerrt worden und ihr wurden Handschellen angelegt, berichtet Mensah-Schramm in einem Gedächtnisprotokoll. Die Polizei bestätigte damals nur die Festnahme. Mensah-Schramm entfernt seit rund 30 Jahren fremdenfeindliche und antisemitische Aufkleber von Pfeilern und Laternen und übermalt Hass-Graffitis.

Zuletzt hatte eine Untersuchung ergeben: Die Welt ist insgesamt weniger gewalttätig. (epd/ac)