Hamburg / Erfurt. Nach seinem Scheitern bei der Ministerpräsidentenwahl macht Thüringens bisheriger Regierungschef, Bodo Ramelow (Linke), FDP und CDU heftige Vorwürfe.

„Diese Abstimmung ist offensichtlich vorbereitet worden“, sagt er dem Nachrichtenmagazin „Spiegel“. Das sei alles geplant gewesen, er sei Teil eines widerlichen Spiels geworden. „Ich habe mich zum Trottel gemacht, weil ich dachte, ich rede mit Demokraten“, sagte Ramelow im „Spiegel“-Interview.

„Ich bin von Thomas Kemmerich, dem CDU-Landesvorsitzenden Mike Mohring und anderen menschlich zutiefst enttäuscht“, so Ramelow weiter. „Weil sie lieber mit Faschisten regieren wollten, als nicht zu regieren.“

Ramelow in „Schockstarre“ nach Wahl-Entscheidung

Bei der Wahl seines Nachfolgers Thomas Kemmerich (FDP) habe er im Moment der Entscheidung Tränen in den Augen gehabt. Er sei in eine „Schockstarre“ verfallen. „Als klar war, dass der AfD-Kandidat null Stimmen bekommen hat, ist es mir wie Schuppen von den Augen gefallen: Das war alles geplant. Dieser Kandidat war nur ein nützlicher Idiot auf dem Schachbrett. Der Moment der Erkenntnis war für mich am bittersten“, so der 63-Jährige.

Später habe er Umzugskartons bestellt, die Bilder in seinem Büro abgehängt und alles mitgenommen, was sein Eigentum sei. „Den Schlüssel der Staatskanzlei habe ich gegen Quittung abgegeben.“

Kemmerich, dessen Partei im Herbst nur knapp den Sprung in den Thüringer Landtag geschafft hatte, war am Mittwoch mit Stimmen von Liberalen, CDU und AfD zum Ministerpräsidenten gewählt worden. Nach bundesweiter Kritik kündigte Kemmerich jedoch am Donnerstag an, sein Amt zur Verfügung stellen zu wollen. „Der Rücktritt ist unumgänglich“, sagte der FDP-Politiker am Donnerstag in Erfurt. Die FDP-Fraktion in Thüringen will einen Antrag auf Auflösung des Landtags zur Herbeiführung einer Neuwahl stellen.

Würde sich wieder zur Wahl als Ministerpräsident stellen

Ramelow steht dafür weiter als Kandidat zur Verfügung: „Ich bin bereit, meinen Hut wieder in den Ring zu werfen.“ Auf die Frage, ob es künftig noch Gespräche zwischen den politischen Lagern in Thüringen geben könne, antwortete Ramelow: „Was soll man da für einen Gesprächsfaden finden? Der beliebteste Ministerpräsident ist mithilfe von Faschisten abgewählt worden. Das waren nicht irgendwelche verwirrte Konservative.“

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