Washington. Bei einem Wahlsieg am Dienstag könnten die Republikaner ihre neue Macht im Kongress für einen Rachefeldzug gegen die Demokraten nutzen.

Wie würden die Republikaner ihre neue Macht einsetzen, wenn sie am nächsten Dienstag – wie viele Umfragen nahelegen – den Demokraten in einer oder gar in beiden Kammern des Kongresses in Washington die Mehrheit abjagen?

Die Frage lässt in Kreisen der amtierenden Regierung manche regelrecht frösteln. „Dann beginnt, wie von Donald Trump oft gefordert, die Zeit der Vergeltung”, sagte ein Demokrat aus dem Außenministerium unserer Redaktion.

Konkret: Um „ihren” Ex-Präsidenten zu rächen, der zwei Mal erfolglos mit der ultimativen parlamentarischen Keule traktiert wurde, gehen die Demokraten davon aus, dass eine neue republikanische Mehrheit im Repräsentantenhaus bereits 2023 ein Amtsenthebungsverfahren gegen Joe Biden einleiten wird – und womöglich auch gegen Kabinetts-Mitglieder wie Merrick Garland (Justiz), Alejandro Mayorkas (Heimatschutz) und Antony Blinken (Auswärtiges).

Bidens Sohn Hunter: Zielscheibe der Republikaner

Mayorkas, um nur ein Beispiel zu nennen, wird von den Konservativen für den Rekord-Ansturm von Armutsflüchtlingen an der Grenze zu Mexiko verantwortlich gemacht. Dabei seien zigtausendfach Gesetze gebrochen worden und Menschen ins Land gelangt, die mit dem Coronavirus infiziert gewesen seien.

Im Falle des Präsidenten, sagen Berater der Republikaner, böten sich die (gerichtlich widerlegten) Vorwürfe des Wahlbetrugs, die sein Widersacher Donald Trump seit zwei Jahren ohne belastbare Grundlage täglich wiederholt als Aufhänger an, ebenso der verkorkste Abzug des US-Truppen aus Afghanistan im Sommer 2021 und nicht zuletzt die Person des Präsidenten-Sohnes Hunter Biden.

Zwischenwahlen in den USA: Trumps schmutziges Spiel mit erfundenen Anschuldigungen

Der 52-Jährige, der zeitweise ein Achterbahn-Leben mit Alkohol, Drogen und Entzug führte, wird von Trump korrupter wirtschaftlicher Aktivitäten in der Ukraine und in China bezichtigt. Weite Teil der republikanischen Partei beten das seit Langem nach.

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Biden Junior war 2014 Mitglied des Verwaltungsrats des ukrainischen Gasunternehmens Burisma. Joe Biden war zur gleichen Zeit als US-Vizepräsident unter Barack Obama für das Ukraine-Dossier zuständig. Obwohl selbst eine von den Republikanern veranlasste Prüfung keine Hinweise darauf ergab, dass Joe Biden sein Amt missbraucht haben könnte, um dem Sohn die Taschen zu füllen, dreht Trump der gesamten Biden-Familie daraus weiter einen Strick.

Mögliches Amtsenthebungsverfahren gegen Biden: Mehrheit im Senat illusorisch

Trump behauptet etwa, dass der russische Präsident Wladimir Putin im Besitz kompromittierender Informationen über die Bidens sei. 2019 hatte Trump versucht, vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj belastendes Material über Hunter Biden zu bekommen; vergeblich. Daraus entwickelte sich ein von den Demokraten angestrengtes Amtsenthebungsverfahren gegen Trump, das am Ende an fehlenden Stimmen im Senat scheiterte.

So könnte es auch bei Biden ausgehen. Die Republikaner gehen dem Vernehmen nach nicht wirklich davon aus, den Präsidenten vor Ablauf seiner regulären Amtszeit im Januar 2025 vorzeitig „vom Thron” holen zu können. Die dazu nötige Mehrheit von 60 Stimmen im Senat erscheint aus heutiger Sicht illusorisch.

US-Präsident: Republikaner wollen Biden massiv beschädigen

Wichtiger ist der „Grand Old Party“ (GOP), Joe Biden im Aufgalopp zur Wahl 2024 (wo er erneut auf Donald Trump treffen könnte) durch monatelange Untersuchungsausschüsse und Diffamierungskampagnen so zu beschädigen und von der eigentlichen Arbeit abzuhalten, dass der dann 82-Jährige von den Wählern nur noch als „politischer Totalschaden” wahrgenommen wird.

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Für die Republikaner, heißt es intern, ist der Plan, die Restlaufzeit der Biden-Präsidentschaft in eine Schlammschlacht zu verwandeln, nicht ohne Risiko. Gerade parteiunabhängige Wähler könnten sich abwenden, wenn nicht früh ein eindeutiger und gerichtsfester Zusammenhang zwischen Hunter Bidens Millionen-Einkünften und illegalen Aktivitäten seines Vaters hergestellt werden kann.

Ultrarechte Abgeordnete: Todesstrafe für demokratische Politiker

Auf der anderen Seite wächst im rechten Spektrum in der GOP der Druck auf den potenziellen neuen Anführer im Repräsentantenhaus, Kevin McCarthy, die Biden-Regierung definitiv mit einer „Welle von Untersuchungen” zu attackieren.

Nur eine Facette: Die ultra-rechte Abgeordnete Marjorie Taylor-Greene aus Georgia, die regelmäßig mit radikalen Bemerkungen auffällt und für demokratische Abgeordnete auch schon die Todesstrafe gefordert hat, stellte bereits am ersten Amtstag Bidens im Januar 2021 einen Antrag auf Amtsenthebung. Vorwurf: Wahlbetrug.

Und Taylor-Greene ist nicht allein. Noch im vergangenen Mai sprachen sich in Umfragen 70 Prozent der republikanischen Wähler für ein „Impeachment” von Biden aus, weil sie ihn für illegitim hielten.

USA: Republikaner mit Wunschliste von politischen Vorstößen

Abseits parlamentarischer Störmanöver haben die Republikaner noch ein weiteres Eisen im Feuer, um die USA nach ihrem Gusto umzukrempeln, falls der Wähler ihnen dazu das Mandat erteilt. Im Juni kam ein 120-seitiges Dokument ans Licht. Autorenschaft: „Republican Study Commitee”. Dort sind zwei Drittel der über 200 konservativen Abgeordneten im Repräsentantenhaus organisiert.

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„Blaupause zur Rettung Amerikas” lautet der Titel einer Wunschliste von politischen Vorstößen, die die Vereinigten Staaten im Falle ihrer Realisierung nach Ansicht von Washingtoner Denkfabriken „nachhaltig verändern würden”. Kleine Auswahl:

Neben dem Anspruch, die finanziell angespannten sozialen Sicherungssysteme schlank zu sparen und landesweit ein Abtreibungsverbot vorzubereiten, will die „Grand Old Party” den unter Joe Biden hochgefahrenen Bemühungen zur Bekämpfung des Klimawandels den Stecker ziehen. Das Mindestalter für den Bezug staatlicher Altersrenten soll ab dem Jahr 2040 bei 70 liegen. Das Tragen von Waffen im öffentlich Raum soll (noch) weiter erleichtert und die Rechte von Transgender-Menschen gestutzt werden.

Möglicher Midterm-Sieg der Republikaner: Biden könnte per Dekret regieren

Rückabwicklung droht unter der Führerschaft eines „rot“ geführten Repräsentantenhauses auch der frisch verabschiedeten Reform zur Senkung von Arzneimittelpreisen – die will man der pharmazeutischen Industrie und dem Markt überlassen.

Auch staatliche Agenturen wie das für den Verbraucherschutz wichtige „Consumer Financial Protection Bureau” und die Umweltbehörde EPA, die etwa Standards für Abgas-Emissionen setzt, dürften sich auf Personalreduzierung und Kompetenzbeschneidung einstellen, falls die Republikaner die Macht bekommen.

Joe Biden bliebe dann in vielen Fällen nur noch das präsidiale Veto-Recht. Auch darum betont der Demokrat in seinen jüngsten Reden immer wieder, dass Amerika am 8. November die „Wahl” habe zwischen „zwei ganz verschiedenen Entwürfen für die Zukunft unseres Landes”.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.