Berlin. Streumunition ist international geächtet. US-Präsident Joe Biden will die Ukraine trotzdem beliefern, weil Kiews Gegenoffensive stockt.

Im Ukraine-Krieg kommt möglicherweise bald eine Horror-Waffe verstärkt zum Einsatz, die bisher von den meisten Staaten geächtet wird: Streumunition. Dabei handelt es sich um Raketen und Bomben, die in der Luft über dem Ziel bersten und viele kleine Sprengkörper verstreuen oder freigeben.

Besonders problematisch dabei ist, dass viele der kleineren Sprengsätze nicht sofort explodieren. Diese Blindgänger können also noch lange nach ihrem Abwurf Menschen töten oder verletzen. Sie sind deswegen eine besondere Gefahr für die Zivilbevölkerung.

Mehr als sechs Monate haben sich US-Präsident Joe Biden und seine Berater mit der quälenden Frage beschäftigt: Soll der Westen riskieren, dass der Ukraine die dringend benötigte Munition ausgeht, oder soll Amerika den Einsatz von Streubomben erlauben? Nun gibt es eine Antwort: Die USA wollen der Ukraine tatsächlich die umstrittene Munition liefern.

„Dies ist ein Krieg, der mit Munition zu tun hat. Und die Munition geht ihnen aus, und wir haben nur noch wenig davon“, sagte Biden in einem Interview mit dem CNN-Journalisten Fareed Zakaria, das am Freitag in Teilen veröffentlich wurde. Deshalb habe er schließlich die Empfehlung des Verteidigungsministeriums angenommen, Streumunition „nicht dauerhaft, sondern für eine Übergangszeit“ zu liefern, bis die USA wieder in der Lage seien, mehr von der benötigten Artillerie zu produzieren.

Hinter der Front haben die Russen mehrere Verteidigungslinien aufgebaut

Nach Ansicht von US-Militärexperten könnten Streubomben der Ukraine bei ihrer Gegenoffensive gegen russische Truppen helfen, die sich tief in Schützengräben verschanzt haben. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte von den Amerikanern mehrmals die Verschickung von Streumunition gefordert.

„Die ukrainische Gegenoffensive ist ins Stocken geraten, weil sie auf mehr Widerstand der Russen stößt, als Kiew dies erwartet hat“, sagte der Militärexperte Carlo Masala unserer Redaktion. Hinter der Front haben die Russen mehrere Verteidigungslinien aufgebaut, die für die Ukrainer nur schwer zu überwinden sind.

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Streubomben sind nach dem Oslo-Abkommen verboten

Das US-Verteidigungsministerium hatte vor der Entscheidung versucht, Bedenken gegen den Einsatz von Streumunition zu zerstreuen. Amerika würde die Ukraine mit einer technisch „verbesserten“ Version von Streubomben ausstatten, die nur eine Blindgänger-Rate von zwei Prozent aufweise, zitierte die "New York Times" einen Regierungsbeamten. Die Russen setzten hingegen im Krieg Streumunition ein, die mindestens 40 Prozent Blindgänger umfasse. Auch die Ukraine hatte im Krieg bereits Streubomben aus eigener Produktion verwendet.

Streubomben sind international verboten. Ein 2010 in Kraft getretenes Abkommen - das sogenannte Oslo-Übereinkommen - verbietet Herstellung, Lagerung, Einsatz und Weitergabe von Streumunition. Mehr als 100 Länder haben den Vertrag unterzeichnet, darunter Deutschland, Frankreich und Großbritannien.

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Menschenrechtler warnen: „Gefahren für Zivilisten werden vergrößert“

Die USA und die Ukraine sind hingegen nicht beigetreten. Auch Russland und China haben nicht unterschrieben. Ebenfalls haben die EU-Staaten Polen, Finnland, Griechenland, Rumänien, Estland und Lettland sowie mehrere Staaten des westlichen Balkans das Oslo-Abkommen bisher nicht ratifiziert.

An einer Lieferung von Streubomben gab es im Vorfeld scharfe Kritik. „Es wäre eskalierend, kontraproduktiv und würde nur die Gefahren für Zivilisten vergrößern, die in Kampfgebieten gefangen sind oder die eines Tages in ihre Städte und auf ihre Bauernhöfe zurückkehren werden“, erklärte der Exekutivdirektor der US-Nichtregierungsorganisation Arms Control Association (Vereinigung für Rüstungskontrolle), Daryl Kimball. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International sprach von „einer großen Bedrohung für zivile Leben, selbst lange nach dem Ende eines Konflikts“.

LandUkraine
KontinentEuropa
HauptstadtKiew
Fläche603.700 Quadratkilometer (inklusive Ostukraine und Krim)
Einwohnerca. 41 Millionen
StaatsoberhauptPräsident Wolodymyr Selenskyj
RegierungschefMinisterpräsident Denys Schmyhal
Unabhängigkeit24. August 1991 (von der Sowjetunion)
SpracheUkrainisch
WährungHrywnja