Berlin. Immer mehr über Aiwangers Fehlverhalten als Schüler kommt ans Licht. Markus Söder muss entscheiden, ob er an seinem Vize festhält.

Dem Freie-Wähler-Vorsitzenden Hubert Aiwanger ist das passiert, was vor ihm schon einigen seiner Kollegen aus der Politik widerfahren ist: vermeintliche Jugendsünden sind erst entdeckt und dann verbreitet worden, in diesem Fall von der „Süddeutschen Zeitung“: Der heutige Vize-Regierungschef aus Bayern soll in der Kollegstufe ein antisemitisches Flugblatt verfasst und in seinem Gymnasium im niederbayerischen Mallersdorf-Pfaffenberg ausgelegt haben. Aiwanger bestreitet die Vorwürfe – sein Bruder erklärt, er habe das Pamphlet verfasst. Der Vorfall ist heute strafrechtlich verjährt. Kreise zieht er trotzdem.

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Am Rande der Kabinettsklausur in Meseberg verlangten die Spitzen der Ampel-Koalition, KanzlerOlaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), nun genauere Aufklärung des Vorfalls aus den 1980er Jahren. Auch aus der CDU im Bund kommen entsetzte Reaktionen. Parteichef Friedrich Merz (CDU) sagte unserer Redaktion, er hätte es nicht für möglich gehalten, dass 17- oder 18-jährige Schüler noch in den Achtzigerjahren „so etwas schreiben“.

Merz über das Flugblatt: „einfach nur widerwärtig“

Merz forderte vollständige Aufklärung der Vorgänge: „Es ist bedrückend und in höchstem Maße irritierend. Was da aufgeschrieben worden ist – egal von wem – ist einfach nur widerwärtig.“ Die Freien Wähler in Bayern stellten sich dagegen geschlossen hinter ihren Chef und beklagten eine „Schmutzkampagne“. So formuliert es auch der Freie-Wähler-Chef selbst und schreibt auf dem Kurznachrichtendienst „X“ (ehemals Twitter), solche Kampagnen „gehen am Ende nach hinten los“.

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Laut dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) gibt es inzwischen „neue Vorwürfe“ gegen seinen Vize. Ein ehemaliger Mitschüler Aiwangers berichtete, dass sein Klassenkamerad damals beim Betreten des voll besetzten Klassenzimmers ab und zu „einen Hitlergruß gezeigt“ habe. Beide hatten von der 7. bis zur 9. Klasse gemeinsam die Schulbank gedrückt. Zudem habe Aiwanger „sehr oft diese Hitler-Ansprachen nachgemacht in diesem Hitler-Slang“. Auch judenfeindliche Witze seien „definitiv gefallen“. Aiwangers Mitschüler wollte jedoch nicht urteilen, welche „starke Gesinnung“ dahinter gesteckt habe.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) muss noch vor der Wahl am 8. Oktober eine schwere Entscheidung treffen.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) muss noch vor der Wahl am 8. Oktober eine schwere Entscheidung treffen. © dpa | Peter Kneffel

Söder wartet nun auf die schriftlichen Antworten seinen Vize-Regierungschefs: Auf 25 Fragen müsse Aiwanger plausibel antworten. Erst danach will der CSU-Vorsitzende eine abschließende Bewertung der Vorwürfe vornehmen. Soll heißen: Dann wird Söder voraussichtlich entscheiden müssen, ob er Aiwanger entlässt oder nicht, und das keine sechs Wochen vor der Landtagswahl in Bayern.

Söder steckt in einem fast ausweglosen Dilemma

Dabei steckt er in einem fast ausweglosen Dilemma: Im Falle einer Entlassung Aiwangers könnten die Freien Wähler bei der Landtagswahl massiv profitieren – das ist jedenfalls die große Sorge der CSU. Andererseits könnten Söder und die CSU am Ende in Mithaftung genommen werden, wenn er trotz allem weiter an Aiwanger festhält. Möglicherweise ebbt der öffentliche Trubel irgendwann ab. Ob Aiwanger die Bayernwahl durchsteht, bleibt abzuwarten.

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