Berlin. Viele Deutsche sind einsam – auch jüngere. Die Ampel will helfen und verspricht unter anderem einen besseren Zugang zu Psychotherapie.

Wie viele Menschen betroffen sind, lässt sich von außen kaum sagen: Einsamkeit ist ein häufiges Leiden – und gleichzeitig ein fast unsichtbares. Dabei kennen den Schmerz, ungewollt allein zu sein, viele Menschen in Deutschland. Nach Daten des Sozioökonomischen Panels (SOEP) fühlten sich schon 2017 14,2 Prozent der hier lebenden Menschen mindestens manchmal einsam. Dann kam die Pandemie, und diese Zahl stieg sprunghaft: 2021 lag der Anteil 42,3 Prozent.

Waren es vor Corona vor allem Menschen über 75, unter denen Einsamkeit am stärksten verbreitet war, verschob sich in dieser Zeit der Schwerpunkt des Problems. Bei den Unter-30-Jährigen war es fast die Hälfte, die sich in den ersten beiden Pandemiejahren einsam fühlten.

Das Gefühl, keine oder nicht ausreichende Beziehungen zu anderen Menschen zu haben, ist nur schmerzhaft für diejenigen, denen es so geht. Es strahlt auch aus in den Rest der Gesellschaft: Chronische Einsamkeit kann sich nicht nur negativ auf die körperliche und psychische Gesundheit der Betroffenen auswirken. Sie schwächt zudem den sozialen Zusammenhalt – Studien zufolge schwindet mit der Einsamkeit das Vertrauen in andere Menschen und sogar in politische Institutionen und die Demokratie.

Einsamkeit: Die Bundesregierung will mehr Sensibilisierung und mehr Forschung

Einsamkeit ist deshalb eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung und auch eine politische, findet die Bundesregierung, die deshalb am Mittwoch die deshalb zum ersten Mal eine Strategie gegen Einsamkeit beschließen will. Das Papier aus dem Bundesfamilienministerium liegt dieser Redaktion vor. Deutschland folgt damit auf Großbritannien und die Niederlande, die das Problem ebenfalls zur Regierungsangelegenheit erklärt haben.

In der Strategie werden fünf Ziele definiert: Die Öffentlichkeit soll sensibilisiert werden für das Thema, und die Forschung zu Einsamkeit intensiviert. Denn bisher, so heißt es in der Strategie, gebe es noch Forschungslücken, etwa wenn es um die Wirksamkeit von Maßnahmen zur Prävention und Linderung gehe.

Familienministerium: Ein „Einsamkeitsbarometer“ soll kommen

Die Arbeit von Menschen, die schon jetzt in der Bekämpfung von Einsamkeit aktiv sind, soll gestärkt werden. Außerdem sollen Akteure aus allen Teilen der Gesellschaft einbezogen werden beim Kampf gegen Einsamkeit. Und nicht zuletzt: Menschen, die sich einsam fühlen, soll möglichst niedrigschwellig geholfen werden, durch die Förderung von Projekten, die Einsamkeit vorbeugen und bekämpfen.

Konkret heißt das unter anderem, dass die Wartezeit für eine psychotherapeutische Behandlung deutlich sinken soll, ein Vorhaben, das bereits im Koalitionsvertrag festgehalten wurde. Außerdem will die Ampel-Koalition Informationskampagnen zum Thema fördern. Und auch ein „Einsamkeitsbarometer“ soll unterstützt werden, für das regelmäßig Ausmaß und Verbreitung von Einsamkeit in unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen untersucht werden. Gesellschaftliche Akteure wie Gewerkschaften, Unternehmen, Vereine und andere könnten über eine „Koalition gegen Einsamkeit“ dazu beitragen, dem Gefühl vorzubeugen und es zu lindern, heißt es im Papier.

Bundesfamilienministerin Lisa Paus sieht Einsamkeit als drängendes Problem
Bundesfamilienministerin Lisa Paus sieht Einsamkeit als drängendes Problem © Funke Foto Services | Reto Klar

Einsamkeit sei „eines der drängendsten Themen unserer Zeit in Deutschland“, sagte Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) dieser Redaktion, und werde als solches nun zum ersten Mal strategisch angegangen. „Gerade jetzt, wenn es draußen dunkel und ungemütlich ist und viele Menschen sich nach Gemeinschaft und Familie sehnen, ist es mir wichtig zu sagen: es gibt Wege aus der Einsamkeit, wir zeigen mögliche Wege auf.“