London. Zum Prozessauftakt über den US-Auslieferungsantrag für Wikileaks-Gründer Julian Assange in London versammeln sich Dutzende Unterstützer vor dem Gerichtsgebäude zu lautstarkem Protest. Der Lärm macht sogar Assange zu schaffen.

Journalist oder Verbrecher? Am ersten Tag im Prozess über den Auslieferungsantrag für Julian Assange hat der Anwalt der US-Regierung dem Wikileaks-Gründer die Gefährdung von Menschenleben vorgeworfen.

Durch die illegale Veröffentlichung sensibler Daten seien US-Informanten in Ländern wie dem Irak oder Afghanistan in Gefahr gebracht worden, gefoltert oder getötet zu werden, sagte James Lewis beim Prozessauftakt vor dem Woolwich Crown Court in London.

Die US-Justiz wirft dem gebürtigen Australier vor, der Whistleblowerin Chelsea Manning - damals Bradley Manning - geholfen zu haben, geheimes Material von US-Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan zu veröffentlichen. Bei einer Verurteilung in allen 18 Anklagepunkten drohen Assange bis zu 175 Jahre Haft.

Seine Unterstützer sehen in den Vorwürfen einen Angriff auf die Pressefreiheit. Dutzende Demonstranten hatten sich vor dem Gerichtsgebäude versammelt und forderten lautstark die Freilassung des 48-Jährigen. "Schießt nicht auf den Überbringer der (schlechten) Botschaft, lasst Assange frei", stand zum Beispiel auf einem Plakat. Auch Prominente waren darunter wie die Schauspielerin Sadie Frost und die Modeschöpferin Vivienne Westwood.

Assange selbst kam nur kurz zu Wort. Er trug einen grauen Anzug und bestätigte seinen Namen und sein Geburtsdatum. Später klagte er, er könne sich wegen des Lärms vor dem Gerichtssaal nicht konzentrieren.

Zu den Prozessbeobachterinnen gehören auch die Linken-Abgeordneten Sevim Dagdelen und Heike Hänsel. Dagdelen forderte die Freilassung Assanges auf Kaution. Nur so könne er sich von seiner jahrelangen Isolation erholen und angemessen gegen die Auslieferung verteidigen, sagte Dagdelen einer Mitteilung zufolge. "Der Journalist wird für seine investigative Arbeit seit Jahren systematisch diffamiert, dämonisiert, verfolgt und isoliert", so Dagdelen weiter.

Assange hatte sich aus Angst vor einer Auslieferung an die USA 2012 in die ecuadorianische Botschaft in London geflüchtet. Damals lag gegen ihn ein europäischer Haftbefehl wegen Vergewaltigungsvorwürfen in Schweden vor. Die Ermittlungen wurden aber später eingestellt. Die britische Polizei verhaftete Assange im April 2019, weil er mit der Flucht in die Botschaft gegen Kautionsauflagen verstoßen hatte. Er wurde zu einem knappen Jahr Gefängnis verurteilt.

Die Anhörungen sind zunächst für eine Woche geplant und sollen dann erst am 18. Mai für weitere drei Wochen fortgesetzt werden. Assange sitzt zurzeit im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh im Osten Londons.

Eine Auslieferung Assanges an die USA wäre nach Ansicht der Organisation Reporter ohne Grenzen "ein Angriff gegen die Pressefreiheit". "Assanges Ergebnisse gehören an die Öffentlichkeit", sagte der Geschäftsführer des deutschen Ablegers, Christian Mihr. Nur im ersten Schritt sei die Entscheidung über die Auslieferung Assanges juristisch. "Aber es ist auch eine politische Entscheidung - und das ist sehr problematisch", sagte Mihr der Deutschen Presse-Agentur.

Mehr als 130 Politiker, Künstler und Journalisten in Deutschland hatten sich Anfang Februar für die Freilassung Assanges ausgesprochen. Sie beriefen sich unter anderem auf den UN-Sonderberichterstatter für Folter, Nils Melzer, der schwere Vorwürfe gegen die Behörden in Großbritannien, Schweden, den USA und Ecuador erhebt. In seinen Augen wurde an Assange ein Exempel statuiert, um Journalisten einzuschüchtern.