Berlin. Finanzminister Christian Lindner (FDP) will noch einmal über den Wiedereinstieg in die Atomenergie sprechen. Das sind seine Gründe.

„Zur Atomenergie ist nicht mehr viel zu sagen“ – für Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ist das Thema nach jahrelangen Diskussionen um den Atomausstieg vom Tisch. Ende 2022 gehen die letzten drei Meiler Emsland, Neckarwestheim 2 und Isar 2 vom Netz. Und dann? Sollte sich Deutschland bei der Atomenergie „einer Debatte nicht verschließen, die überall auf der Welt geführt wird“, fordert Finanzminister Christian Lindner (FDP) in der „Bild“.

Wegen des Klimaschutzes und der Energie-Abhängigkeit von Russland sollten alle Möglichkeiten erwogen werden, sagte der Minister.

Lindner zeigte sich aber selbst skeptisch. Wirtschaftlich sei er noch nicht überzeugt, dass sich neue Investitionen in Kernkraft wirklich rechneten. Aber er rate dazu, „die Argumente vorurteilsfrei auf den Tisch zu legen“, sagte der Minister. Die drei noch in Betrieb befindlichen Meiler deckten im ersten Quartal noch 8,6 Prozent des deutschen Strombedarfs.

Die EU hatte kürzlich Atomkraft als „grüne Energie“ eingestuft und damit Investitionen in neue Anlagen grundsätzlich erleichtert.

Belgien verschiebt Atomausstieg, Frankreich baut neue Reaktoren

Belgien hat zuletzt angekündigt, den Atomausstieg wegen des Ukraine-Kriegs zu verschieben. Und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sprach im Februar davon, das Land wolle sechs neue Atomkraftwerke bauen. Bis 2050 könnten acht weitere folgen. Doch beim Bau neuer Meiler in Europa hat es zuletzt massive Verzögerungen und Kostensteigerungen gegeben.

Ende vergangenen Jahres ging in Finnland mit dem Kernkraftwerks Olkiluoto erstmals seit der Reaktor-Katastrophe von Fukushima im Jahr 2010 ein neuer Standort in Europa in Betrieb. Eigentlich sollte das Kraftwerk schon vor 13 Jahren fertig sein. Und die Kosten stiegen von geplanten drei auf zehn Milliarden Euro. Mehr zum Thema:Energiekrise: Sind kleinere Atomkraftwerke die Lösung?

Daher betont am Donnerstag auch der Grünen-Politiker Stefan Wenzel, Sprecher für nukleare Sicherheit, Atommeiler seien in vielerlei Hinsicht ein Unsicherheitsfaktor und die teuerste Art der Energieerzeugung. „Der Atomausstieg bleibt der logische Schritt, das haben wir im Koalitionsvertrag gemeinsam bestätigt.“

Verlängerung der Akw-Laufzeiten in Deutschland: Das sagen die Betreiber

Könnten die drei deutschen Reaktoren noch über den Jahreswechsel weiterlaufen, falls im Winter das Erdgas knapp wird? Grundsätzlich wäre das möglich. „Wir haben in vergangenen Wochen klargemacht, dass ein Weiterbetrieb von Isar 2 unter gewissen Voraussetzungen möglich wäre, wenn unser Kraftwerk gebraucht würde“, sagt eine Sprecherin der Eon-Tochter PreussenElektra unserer Redaktion.

„Dabei haben wir betont, dass ein Weiterbetrieb einen gewissen zeitlichen Vorlauf benötigt.“ Im März hatte die Bundesregierung den Weiterbetrieb geprüft und verworfen. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Ein kategorisches Nein kommt auch nicht von RWE, aber: „Das Kernkraftwerk Emsland in Lingen ist auf den Auslaufbetrieb zum Ende des Jahres ausgerichtet“, teilt der Versorger mit. „Ein Weiterbetrieb über den 31.12.2022 hinaus wäre mit hohen Hürden technischer als auch genehmigungsrechtlicher Natur verbunden.“

Beim Versorger EnBW heißt es dagegen ganz klar zum Akw Neckarwestheim 2: „Die EnBW hat nach dem Ausstiegsbeschluss im Jahr 2011 eine langfristige Strategie für den Rückbau ihrer Kernkraftwerke ausgearbeitet, die sie seither konsequent umsetzt“, sagt ein Sprecher.

Dieser Text ist zuerst auf www.abendblatt.de erschienen