Berlin. Im April werden die letzten deutschen Atomkraftwerke abgeschaltet. Doch wohin mit dem Atommüll? Wo jetzt schon Endlager entstehen.

Wenn die drei letzten Atomkraftwerke bis zum 15. April abgeschaltet werden, ist zwar Schluss mit der Kernenergie in Deutschland - der Atommüll aber bleibt: Die Menge des hoch radioaktiven, stark strahlenden Mülls vor allem aus den Brennelementen beträgt dann etwa 27.000 Kubikmeter, die in rund 1.900 Containern aus Spezialstahl verpackt werden sollen. Für diesen Nachlass der Atomwirtschaft wird ein unterirdisches Endlager gesucht, das den gefährlichen Abfall für eine Million Jahre von der Umwelt abschirmen soll. Andere Länder sind hier schon weiter.

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Wo das deutsche Endlager gebaut wird, wann die Arbeiten daran starten und wann es fertig ist - das ist noch völlig offen. Denn: Vor ein paar Jahren hat die Standortsuche wieder neu begonnen. Und kürzlich teilte die bundeseigene Gesellschaft für Endlagerung (BGE) mit, möglicherweise könne sie erst 2068 einen Ort benennen. Dann mag es 20 Jahre dauern, bis das Lager fertig ist. Wenn noch ein paar Verzögerungen hinzukämen, wäre das Jahr 2100 erreicht, bis die ersten Behälter unter der Erde verschwänden.

Atommüll: Suche nach einem Endlager läuft schon ein halbes Jahrhundert

Dabei läuft der Suchprozess schon seit fast 50 Jahren. Niedersachsens damaliger Ministerpräsident Ernst Albrecht (CDU), Vater der heutigen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, entschied 1977, das Lager beim Dorf Gorleben nahe der DDR-Grenze errichten zu lassen. Nach jahrzehntelangen Kämpfen und Debatten machte die BGE der Geschichte jedoch ein Ende, unter anderem weil der geologisch sichere Einschluss des Strahlenmülls im Salzstock von Gorleben nicht gewährleistet schien.

Aber warum dauert das alles so lange? Irgendein Ort in Deutschland wird das Atomklo bekommen, doch keiner will es haben. Wo auch immer man es baut – Angst, Ärger und Widerstand sind garantiert. Wenn die Entscheidung überhaupt jemals akzeptiert werden sollte, dann nur, weil die Suche hundertprozentig vertrauenswürdig, nachvollziehbar und demokratisch abgelaufen ist. Das jedoch macht sie sehr langwierig. Und nicht einmal das garantiert den Erfolg. Irgendwelche vermeintlichen Verfahrensfehler und andere Anlässe für juristische Auseinandersetzungen lassen sich immer finden.

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Endlager: 93 Gebiete in Deutschland kommen grundsätzlich in Frage

So schleppt sich das Suchverfahren dahin. Im ersten Schritt hat die BGE 93 Gebiete in Deutschland identifiziert, die grundsätzlich für das Endlager in Frage kommen. Sie umfassen mehr als die Hälfte der Landesfläche. Nun folgen weitere Prüfungen, haufenweise wissenschaftliche Gutachten und erschöpfende Beteiligungsveranstaltungen, bei denen die Bevölkerung ihre Meinung sagen kann. 2027 will die Gesellschaft dann mit einer kürzeren Liste von weniger Orten aufwarten, die sich auf das Lager freuen dürfen.

„Ein grundlegendes Problem ist mit dem allerersten Schritt im Suchverfahren gelegt worden, indem das mit der Standortsuche beauftragte Unternehmen mehr als 50 Prozent der Fläche Deutschlands als grundsätzlich geologisch geeignete Gebiete ausgewiesen hat“, sagt Wolfram König, der Leiter des Bundesamtes für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (Base), das die Suche beaufsichtigt. „Mit diesen sogenannten Teilgebieten hat es sich ein enormes Arbeitspensum auferlegt.“ Die Benennung eines Endlagerstandortes könne damit „noch mehr Zeit beanspruchen als in den Szenarien des Unternehmens dargestellt“, befürchtet König – also länger als 2068.

Weltweit gibt es noch kein einziges Endlager - aber einige Länder sind weiter als wir

Ein derart komplexer Prozess, der mindestens Jahrzehnte in Anspruch nimmt, wirft grundsätzliche Fragen auf. Ist die Politik überhaupt in der Lage, ihn zu steuern? Beispielsweise die Politikerinnen und Wissenschaftler, die den gegenwärtigen Suchprozess organisieren, werden in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts längst ihre Ämter aufgegeben haben. Möglicherweise fühlt sich die nächste Generation nicht mehr an die heutigen Vereinbarungen, Zusagen und Prioritäten gebunden. „Wollen wir als Gesellschaft so lange Zeiträume für die Suche in Kauf nehmen und damit die Frage der dauerhaften sicheren Lagerung über weitere Jahrzehnte unbeantwortet lassen?“, fragt daher Base-Chef König. „Ich werbe dafür, alle damit verbundenen Fragen ehrlich zur Diskussion zu stellen.“

Weltweit gibt es bisher kein einziges Endlager, das die stark strahlenden Überreste von Atomkraftwerken aufnehmen könnte. Aber in einigen Staaten sind die Vorbereitungen weiter fortgeschritten als hier. So baut Finnland bereits seit rund zwei Jahrzehnten an seinem Bergwerk unter der Halbinsel Olkiluoto, 2025 könnte die Einlagerung beginnen. Schweden hat immerhin einen Ort definiert. Die Schweiz schlug die Region Nördlich Lägern unweit der deutschen Grenze als Standort vor. Und in Frankreich wurde ein Dorf in Lothringen benannt.

Atommüll: Ein Großteil landet im Schacht Konrad in Niedersachsen

Bis zur Endlagerung muss der hochradioaktive Müll hierzulande in Zwischenlagern untergebracht werden, die beispielsweise neben den heutigen Atomkraftwerken stehen. In den kommenden Jahrzehnten sind dafür neue Genehmigungen und möglicherweise auch neue Bauten nötig. Immerhin für den größten Teil des schwach- und mittelradioaktiven Mülls, etwa verstrahltes Baumaterial aus den Kraftwerken, ist die Entsorgungsfrage aber gelöst. Ungefähr 300.000 Kubikmeter soll das Bergwerk Schacht Konrad bei Salzgitter in Niedersachsen aufnehmen.

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