Brüssel. Die EU macht Ernst mit dem Quasi-Aus für Verbrennungsmotoren ab 2035. Was Autofahrer jetzt wissen müssen, warum es weiter Streit gibt.

Es ist eine historische Zäsur für den Autoverkehr in Deutschland und Europa: Ab 2035 dürfen in der Europäischen Union nur noch Neuwagen zugelassen werden, die kein klimaschädliches Kohlendioxid ausstoßen – sehr wahrscheinlich ist damit das Aus für Benzin- und Dieselmotoren in Europa eingeläutet, de facto kommt der Zwang zum Elektroauto.

Auf ein entsprechendes EU-Gesetz einigten sich Unterhändler des EU-Parlaments und der EU-Mitgliedstaaten in Brüssel. Die deutsche Autoindustrie ist besorgt. Was kommt jetzt auf die Autofahrer in Deutschland zu?

Nach dem EU-Beschluss: Entwarnung für Gebrauchtwagen

Die Neuregelung gilt für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge (bis zu 3,5 Tonnen), nicht für Lastwagen. Und auch nicht für Fahrzeuge, die vor 2035 zugelassen werden – wer also 2034 noch einen neuen Benziner oder Diesel anmeldet, kann ihn weiterhin, nach absehbarer Rechtslage, unbegrenzt lange fahren, wie beteiligte Fachleute in Brüssel und Berlin am Freitag versicherten.

Allerdings dürfte der Wiederverkaufswert rasch sinken. Die EU-Kommission geht davon aus, dass Pkw im Durchschnitt rund 15 Jahre lang auf europäischen Straßen unterwegs sind, die letzten Verbrenner also etwa bis 2050 – das ist nicht zufällig das Jahr, ab dem laut einem EU-Gesetz das gesamte vereinte Europa klimaneutral sein soll.

Das Verbot bezieht sich auch nur auf Neuzulassungen in der EU, mindestens für den Export könnte die deutsche Autoindustrie also weiter Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor herstellen. Doch wird damit gerechnet, dass die Autobauer sich sehr schnell auf den Absatz von E-Autos konzentrieren.

Diese Vorschriften zum CO2-Ausstoß von Pkw sind beschlossen

Schon bis zum Jahr 2030 muss der CO2-Ausstoß von neuzugelassenen Pkw um 55 Prozent im Vergleich zum Niveau von 2021 gesenkt werden. Ab 2035 gilt, dass neue Fahrzeuge gar keine Klimagase ausstoßen dürfen, was nach jetzigem Stand wirtschaftlich nur mit Elektroautos zu erreichen ist.

Zur Beruhigung von Kritikern sind in den Verhandlungen noch leichte Einschränkungen vereinbart worden: 2026 soll noch einmal überprüft werden, ob das Emissionsverbot bis 2035 umsetzbar ist, etwa mit Blick auf die Ladesäulen.

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Zudem wird die Kommission jenseits des eigentlichen Gesetzestextes auch um einen Vorschlag gebeten, wie Autos mit Verbrennungsmotor, die ausschließlich mit CO2-neutralem Treibstoff (E-Fuels) betrieben werden, zugelassen werden könnten – aber nur außerhalb des Flottenstandards, was der möglichen Verbreitung enge Grenzen setzt.

Ein Elektroauto wird an einer Ladesäule geladen. Der EU-Beschluss zum Aus für Benziner und Diesel wird den Absatz von Elektroautos befeuern, aber noch fehlt es vielerorts an der Ladeinfrastruktur.
Ein Elektroauto wird an einer Ladesäule geladen. Der EU-Beschluss zum Aus für Benziner und Diesel wird den Absatz von Elektroautos befeuern, aber noch fehlt es vielerorts an der Ladeinfrastruktur. © dpa | Sven Hoppe

Sind E-Fuels die Lösung? Das steckt hinter dem Streit

E-Fuels binden bei der synthetischen Herstellung Treibhausgase und sind damit trotz Verbrennung unterm Strich klimaneutral. Noch ist ihre Herstellung aber sehr teuer für und energieintensiv, zudem werden sie dringend in der Schiff- oder Luftfahrt gebraucht.

Auch wenn sie absehbar wahrscheinlich allenfalls Nischenfunktion haben, fordern Teile der Autoindustrie, die Tür zu dieser Technologie nicht zu verschließen. Die Bitte an die Kommission um E-Fuel-Vorschläge hatte die Bundesregierung auf Drängen der FDP durchgesetzt.

Die Wirksamkeit ist jedoch umstritten: Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) nannte die Klausel „enorm wichtig“ zur Erreichung der Klimaziele. „Im Zusammenhang mit klimaneutraler Mobilität sind viele Fragen offen, deshalb ist es wichtig, auch viele Technologien offen zu halten“, erklärte Wissing. Unterhändler in Brüssel erklärten aber, die Kommission könne selbst entscheiden, wie sie mit der Bitte umgehe.

Unionspolitiker in Berlin und Brüssel warnten deshalb, die rechtlich unverbindliche Bitte an die Kommission sei praktisch bedeutungslos: „Ab 2035 wird der Verbrennungsmotor verboten und damit endgültig zum Auslaufmodell deklariert“, sagte der CSU-Wirtschaftsexperte im EU-Parlament, Markus Ferber.

Damit steuere die EU ihre zukünftige Verkehrspolitik per Einbahnstraße in die E-Mobilität. Der SPD-Europaabgeordnete Timo Wölken nannte synthetische Kraftstoffe einen „Irrweg“ – enorm teuer für die Verbraucher, praktisch nicht verfügbar und nur ein Fünftel so effizient wie Strom-Autos.

EU-Aus für Benziner und Diesel: Darum ist die Industrie besorgt

Doch der Verband der deutschen Autoindustrie (VDA) hegt große Hoffnungen: E-Fuels seien eine wichtige Ergänzung zum schnellen Hochlauf der Elektromobilität, ohne solche Kraftstoffe könne die Bestandsflotte gar nicht klimaneutral betrieben werden, sagte VDA-Präsidentin Hildegard Müller. Sie nannte es „fahrlässig“, Ziele für die Zeit nach 2030 festzulegen, ohne später Anpassungen an aktuelle Entwicklungen zu ermöglichen.

Müller verwies auf den schleppenden Ausbau der Ladeinfrastruktur und drohende Probleme bei der Versorgung mit Rohstoffen und Strom aus erneuerbaren Quellen. Der Bundesverband der deutschen Industrie nannte den Brüsseler Beschluss „eine folgenschwere Entscheidung“ für die Autohersteller, der vor allem der Zulieferindustrie mit ihren hunderttausenden Beschäftigten stark zusetze.

Der Beschluss kommt aber auch für die Autoindustrie nicht überraschend, die EU-Kommission hat das Gesetz vor einem Jahr vorgeschlagen. Die finale Einigung ist für die Brüsseler Behörde der erste Erfolg bei der Umsetzung eines ehrgeizigen Klimaschutz-Pakets.

Immerhin knapp ein Fünftel der CO2-Emissionen in der EU stammt aus dem Straßenverkehr. Die Unterhändler gaben sich große Mühe, die Entscheidung noch rechtzeitig zur Klimakonferenz COP27 Anfang November in Ägypten zu fällen. Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) meinte, die EU könne nun mit einer glaubhaften Verhandlungsposition zur Klimakonferenz fahren.

Dieser Artikel erschien zuerst bei morgenpost.de.